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Alpenpflanzen verlieren ihren „weißen Schutz“

Erde|Umwelt

Alpenpflanzen verlieren ihren „weißen Schutz“
Alpen
Schneereste auf 2500 Metern Höhe. (Bild: Lawrence Blem)

Der Klimawandel zeigt sich selbst in den Höhenlagen der Alpen. Dort ist die Schneedecke seit den 1960er Jahren pro Jahrzehnt knapp drei Tage früher geschmolzen, wie nun Messdaten bestätigen. Bis Ende des Jahrhunderts könnte der Schnee in 2500 Meter Höhe sogar einen Monat früher verschwinden als heute. Für viele Alpenpflanzen könnte dies erhebliche Folgen haben, denn ihnen fehlt dann die isolierende Schneeschicht gegen die Frühjahrsfröste.

Ob in der Antarktis, in Amerika oder Europa – durch die globale Erwärmung schrumpfen überall auf der Welt die Gletscher. So schmelzen mittlerweile auch in den Alpen immer mehr Schnee und Eis. Laut Prognosen könnten sie im Jahr 2100 sogar fast vollständig verschwunden sein. Und das hat nicht nur für den Skitourismus Folgen. Auch der Wasserkreislauf in den Gebirgen wird sich verändern und die Tier- und Pflanzwelt müssen sich an die steigenden Temperaturen anpassen. Bei den alpinen Pflanzen bestimmt die Schneeschmelze im Frühjahr normalerweise den Zeitpunkt der Vegetationsperiode mit.

Was erwartet die Alpen?

Wie sich der Zeitpunkt der alpinen Schneeschmelze verändert hat und wie sich dies zukünftig durch die Erderwärmung entwickeln könnte, haben nun Wissenschaftler um Maria Vorkauf von der Universität Basel untersucht. Dabei wollten sie auch abschätzen, wie sich diese Entwicklung auf die Vegetationsperiode der alpinen Pflanzen auswirkt. „Die Schneedecke schützt alpine Pflanzen vor Frost und mit der Schneeschmelze beginnt die Vegetationsperiode. Veränderungen in der Schneeschmelze beeinflussen diese Periode sehr stark“, so Vorkauf. In ihrer Studie prüfte das Forscherteam zunächst, ob und wie stark wie sich der Zeitpunkt der Schneeschmelze in den letzten Jahrzehnten verändert hat und wie stark die Lufttemperatur und der Schneefall dabei eine Rolle spielen.

Bisher waren nur wenige Messreihen zur Schneedecke in hohen Lagen verfügbar, da viele Messdaten nur in der Nähe bewohnter Gebiete unterhalb von 2000 Metern erhoben wurden. Das von den Forschern genutzte „Interkantonale Mess- und Informationssystem“ erfasst hingegen seit 2000 jede halbe Stunde automatisch die Schneehöhe in den Schweizer Zentralalpen zwischen 2000 und 3000 Metern. Diese Daten kombinierte das Team mit Messreihen von 23 tieferliegenden Stationen, deren manuelle Messungen bis mindestens in das Jahr 1958 zurückgehen. Basierend auf den ausgewerteten Messdaten und neuesten Klimaszenarien für die Schweiz konnten die Wissenschaftler ein Modell erstellen, das Prognosen zur zukünftigen Entwicklung der alpinen Schneedecke ermöglicht. Damit prognostizierte sie, mit welchen Verschiebungen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zu rechnen sind.

Künftig sechs Tage früher

Laut der Messdaten hat sich der Tag der Schneeschmelze in den letzten Jahrhunderten stetig nach vorne verschoben. „Es gab einen klaren Trend zu einer früheren Schneeschmelze und für zehn Stationen war diese Verschiebung statistisch signifikant“, so die Forschenden. Demnach schmolz die Schneedecke zwischen 1958 und 2019 auf einer Höhe von 1000 bis 2500 Metern jedes Jahrzehnt durchschnittlich rund drei Tage früher. Diese Verschiebung verlief jedoch nicht linear, sondern war Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre besonders ausgeprägt. Dies entspricht den starken Temperaturzunahmen in dieser Zeitspanne, wie sie in der Klimaforschung nachgewiesen wurden.

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Wenn die Treibhausgas-Emissionen ohne konsequenten Klimaschutz weiter ansteigen wie bisher, dann wird sich das Datum der Schneeschmelze im letzten Drittel des 21. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich um sechs Tage pro Jahrzehnt vorverschieben, schätzen die Forscher. Damit würde die Schneeschmelze auf 2500 Metern Höhe am Ende des Jahrhunderts rund einen Monat früher eintreten als heute. Und diese Entwicklung kann offenbar auch nicht durch stärkere Schneefälle aufgehalten werden: Die höheren Niederschläge im Winter, wie sie in den Klimamodellen für die Schweiz prognostiziert wurden, können laut Vorkauf und ihrem Team die frühere Schneeschmelze in hohen Lagen nicht kompensieren. Denn die veränderte Lufttemperatur sei für die Schneeschmelze entscheidender als die Höhe der Schneedecke, so die Wissenschaftler. „Sobald der dreiwöchige Mittelwert der Lufttemperatur fünf Grad Celsius übersteigt, schmilzt der Schnee relativ rasch“, erklärt Vorkauf. „Die Temperatur ist dafür besonders in hohen Lagen viel wichtiger als die Höhe der Schneedecke.“

Folgen für die Alpenvegetation

Für die alpinen Pflanzen könnte diese Entwicklung erhebliche Folgen haben: Die vorzeitige Schneeschmelze könnte künftig dazu führen, dass sich die Wachstumszeit für alpine Pflanzen um rund ein Drittel verlängert. Wie bereits von anderen Studien belegt, kann ein damit einhergehender, früher Start der Wachstumsperiode zu einer geringeren Anzahl an Blüten, zu einem reduzierten Blattwachstum und einer niedrigeren Überlebensrate der alpinen Pflanzen führen, weil sie und der Boden durch die fehlende Schneedecke weniger vor Frost geschützt sind. „Einige Arten, wie die Krummsegge, die typisch für den alpinen Rasen ist, werden wegen der früheren Schneeschmelze früher wachsen und blühen“, erklärt Vorkauf.

Jedoch sind die alpinen Pflanzenarten – trotz der im alpinen Raum schneller ansteigenden Temperaturen – nicht unbedingt stärker vom Klimawandel betroffen, als Pflanzen in anderen Höhenlagen. „Die Topografie und Exposition des alpinen Geländes schafft sehr diverse Mikroklimata auf kleinstem Raum. In diese können die Pflanzen auf gleichbleibender Höhe über kurze Distanzen ausweichen“, erklärt Vorkauf. Dadurch müssten alpine Pflanzenarten nicht immer in die Höhe „flüchten“, wie bisher oft angenommen.

Quelle: Universität Basel, Fachartikel: Climatic Change, doi: 10.1007/s10584-021-03027-x

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