Frühere Untersuchungen haben bereits nahegelegt, dass dem Heulen unterschiedliche Rollen im Sozialgefüge der Wölfe zukommen. Man nimmt folgende grundlegende Funktionen an: Wiedervereinigung von Tieren aus demselben Rudel, Errichten und Aufrechterhalten von sozialen Bindungen, Abstand halten zwischen unterschiedlichen Rudeln und die Partnersuche. Die aktuelle Studie wirft nun Licht auf die Bedeutung beim Zusammenhalt beziehungsweise der Wiedervereinigung eines Rudels.
Die Untersuchungen der Forscher um Friederike Range von der Messerli Forschungsinstitut an der Veterinärmedizinischen Universität Wien fanden am Wolf Science Center statt. Hier leben vier Rudel mit jeweils bis zu fünf Tieren in großen Gehegen. Sie sind an Menschen gewöhnt und verhalten sich für Studien entsprechend kooperativ. Den Forschern war aufgefallen, dass immer wenn sie eines der Tiere aus einem der Rudel entfernten, die übrigen Rudelmitglieder zu heulen begannen. Die Forscher wollten nun herausfinden, ob es sich dabei um eine unkontrollierte emotionale Stressreaktion handelt, oder ob die Lautäußerungen einem bestimmten Muster entsprechen.
Kein simples Hinterher-Heulen
Range und ihre Kollegen analysierten das Heul-Verhalten daraufhin gezielt, indem sie wiederholt eines der Tiere aus dem Gehege holten und mit ihm einen Spaziergang unternahmen. Die Beobachtungen zeigten: Ein Rudelmitglied heult mehr, je enger seine Beziehung zu dem abwesenden Wolf ist. Auch die Hierarchie in der Gruppe spielt eine Rolle: Rudelmitgliedern mit hohem Rang wird eher nachgeheult, als rangniedrigen. Mit generellem Stress in der Gruppe durch die Abwesenheit eines Mitglieds hat das Heulen dagegen vermutlich wenig zu tun. Darauf deuten Speicheltests hin: Die Forscher fanden keine erhöhten Werte des Stresshormons Cortisol im Speichel der zurückgelassenen Wolfsbande.
Die Forscher schickten die Wölfe nicht nur auf lange Spaziergänge, sondern brachten die einzelnen Tiere auch in einem benachbarten Gebäude unter. Die zurückgebliebenen Wölfe konnten in jeder Situation beobachten, wohin der Wolf geführt wurde, in den Wald oder in das Nebengebäude. Die Rudeltiere reagierten entsprechend. Befand sich das Tier im Nebengebäude, wurde nicht geheult und weniger Stresshormone wurden ausgeschüttet. Befand sich der Wolf hingegen auf einem Waldspaziergang, heulten die Wölfe umso länger und intensiver. Auch Stresshormone wurden vermehrt produziert. „Dies deutet darauf hin, dass es stressiger für Wölfe ist, wenn sich ein Rudelmitglied so weit entfernt, dass sie nicht mehr wissen, wo es ist“, erklärt Range.
„ Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Variationen im Heul-Verhalten eines Wolfes eher soziale Botschaften sind als die Äußerung eines emotionalen Zustands“, resümiert Range. Das impliziert, dass Wölfe ihr Heulen zu einem gewissen Grad flexibel einsetzen. Das Ziel könne dabei sein, Kontakte zu pflegen oder sich mit einem Verbündeten so schnell wie möglich wieder vereinigen zu können.
Video: Beschreibung der Untersuchungen (Englisch)