Nicht nur Menschen, auch Schimpansen lassen sich durch das Gähnen eines Artgenossen anstecken. Das hat ein britisch-japanisches Forscherteam bei der Untersuchung einer Gruppe von sechs Schimpansendamen entdeckt. Bislang galt ansteckendes Gähnen als ein rein menschliches Phänomen. James Anderson von der Universität von Stirling und seine Kollegen stellen ihre Untersuchung in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society: Biology Letters vor (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1098/rsbl.2004.0224).
Nach der gängigen Theorie ist ansteckendes Gähnen ein Zeichen von Empathie: Mitfühlende und verständnisvolle Menschen lassen sich vom Gähnen eines Mitmenschen anstecken, weil sie sich unbewusst in dessen Lage versetzen. Da auch Schimpansen die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis besitzen und in sehr sozial aufgebauten Gruppen leben, vermuteten Anderson und seine Kollegen, dass es auch bei den Menschenaffen ansteckendes Gähnen geben könnte.
Um diese Frage zu testen, zeigten die Forscher sechs Schimpansenweibchen Videoaufnahmen von gähnenden Artgenossen. Zwei der sechs Schimpansinnen ließen sich eindeutig vom Gähnen der dargestellten Artgenossen anstecken, während die anderen vier davon unbeeindruckt blieben. Zusätzlich anwesende Schimpansenkinder wurden dagegen weder vom Gähnen ihrer Mütter noch von dem auf dem Video dargestellten angesteckt.
Diese Ergebnisse ähneln sehr stark dem beim Menschen gefundenen Verhalten, schreiben die Forscher. Denn auch hier reagieren Kinder gar nicht und bei den Erwachsenen nur knapp jeder zweite auf das Gähnen eines Mitmenschen. Der ansteckende Effekt bei den Schimpansen zeige, dass auch diese Menschenaffen zur Empathie fähig seien, folgern die Wissenschaftler. Da auch andere Menschenaffen eine ähnlich starke Selbsterkenntnis und genauso ausgeprägte soziale Fähigkeiten besitzen, sollte sich ansteckendes Gähnen auch bei Gorillas und Orang-Utans nachweisen lassen.
ddp/bdw ? Ilka Lehnen-Beyel