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Antarktischer Eisschild reagiert rapide

Kippelement

Antarktischer Eisschild reagiert rapide
Eisberg
Eisberg in der Antarktis (Bild: Universität Bonn/ Michael Weber)

Als sich die Erde nach der letzten Eiszeit erwärmte, reagierte das Eis der Antarktis überraschend schnell: Es dauerte im Schnitt nur zehn Jahre, um enorme Schübe des Abtauens und der Eisberg-Kalbung auszulösen. Diese Schmelzphasen hielten dann aber viele Jahrhunderte an, wie Wissenschaftler herausgefunden haben. Das legt nahe, dass das Antarktis-Eis auch im Zuge des aktuellen Klimawandels ähnlich schnell seinen Kipppunkt erreichen könnte.

Die globale Erwärmung setzt inzwischen selbst dem vermeintlich „ewigen“ Eis der Antarktis messbar zu. Vor allem entlang der Westantarktischen Halbinsel schmelzen die großen Gletscher immer schneller. Weil das vom Südozean her auf den Schelfsockel des Kontinents strömende Meerwasser immer wärmer wird, taut es die schwimmenden Eiszungen der Küstengletscher und auch die Schelfeise von unten her an.

Wie sensibel reagiert die Antarktis?

Schon jetzt befürchten Wissenschaftler, dass dieses Abtauen des antarktischen Eisschilds zumindest in einem Teil der Westantarktis schon einen Kipppunkt überschritten hat – eine Schwelle, ab der sich die Schmelze verselbstständigt und über Jahrhunderte irreversibel weitergeht. „Trotz der wachsenden Indizien für eine gegenwärtige und zukünftige Instabilität des antarktischen Eisschilds und der Sorge um dadurch ansteigende Meeresspiegel, hat es aber bisher keine Datenreihe gegeben, die Tempo, Timing und Ausmaß vergangener Eisverluste in Kombination aufzeigt“, erklären Michael Weber von der Universität Bonn und seine Kollegen. Das macht es schwer abzuschätzen, wie schnell und stark das Antarktiseis heute auf den Klimawandel reagieren und umkippen könnte.

Abhilfe schaffen nun Daten aus der sogenannten Eisberg-Allee vor der Ostküste der Westantarktis. Diese Meeresregion markiert die Hauptroute von Eisbergen, die vom Antarktischen Eisschild abbrechen und dann mit der Strömung entlang der Küste in Richtung Norden driften. Weil die Eisberge auf dieser Drift allmählich tauen, setzt ihre Unterseite nach und nach Sediment und Geröll frei, das entlang der Route auf den Meeresgrund absinkt. Die Menge des angesammelten Eisberggerölls verrät, wie viele Eisberge zu einer bestimmten Zeit gekalbt und auf der „Eisberg-Autobahn“ weggedriftet sind.

Acht Schmelzschübe mit starkem Meeresspiegelanstieg

An diesem Punkt kommen Weber und sein Team ins Spiel: Um herauszufinden, wie die Erwärmung der Erde nach der letzten Eiszeit dem antarktischen Eisschild zugesetzt hat, untersuchten sie Sedimentkerne, die an zwei Stellen der Eisberg-Allee entnommen worden waren. Sie enthalten Schichten, die in der Zeit vor etwa 19.000 bis 9000 Jahren abgelagert worden waren. Anhand der Menge der Eisberggerölle in diesen Schichten konnte die Forscher erstmals genauer nachvollziehen, wann, wie schnell und wie lange es in der Nacheiszeit starke Abtauphasen gab. Ergänzend zog das Team auch Sedimentbohrkerne aus dem Ross-Meer sowie einen Eisbohrkern aus der Westantarktis hinzu, der den Volumenverlust der Eismassen in dieser Zeitperiode dokumentiert.

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Die Auswertungen ergaben, dass es in der nacheiszeitlichen Wärmephase acht Phasen mit besonders starkem Abtauen des antarktischen Eisschildes gab. Sie zeigen sich sowohl in dem in diesen Zeiten reichlicher abgelagerten Eisberggeröll als auch in den ergänzenden Daten. In diesen Schmelzschüben kalbten besonders viele Eisberge und drifteten nach Norden. In einem dieser als MWP-1A bezeichneten Schub vor rund 14.500 Jahren könnten 1300 Gigatonnen Eis pro Jahr abgebrochen sein. Allein ihr Abschmelzen könnte innerhalb der rund 400 Jahre dauernden Schmelzphase zu einer Meeresspiegelerhöhung um sieben bis elf Meter geführt haben, wie Weber und sein Team berichten.

Kipppunkt innerhalb eines Jahrzehnts erreicht

Noch wichtiger jedoch: Diese Phasen des starken Abtauens setzten überraschend schnell ein. Es dauerte jeweils weniger als ein Jahrzehnt, um das antarktische Eisschild so zu destabilisieren, dass eine Jahrhunderte bis Jahrtausende dauernde Schmelzphase folgte. „Das Tempo von nur einem Jahrzehnt, um ein System zum Kippen zu bringen, ist eigentlich ziemlich beängstigend, denn wenn sich der antarktische Eisschild in Zukunft so verhält wie in der Vergangenheit, erleben wir das Kippen gerade jetzt“, sagt Weber. Bisher legten Modelle nahe, dass das Eis der Westantarktis rund 60 Jahre der aktuell beobachteten Schmelzrate benötigt, um aus dem Gleichgewicht zu geraten und „umzukippen“. „Unsere Daten aus der Eisberg-Allee deuten darauf hin, dass dies schneller passieren kann, schon innerhalb einer oder zwei Dekaden“, so die Forscher.

Sollte sich dies bestätigen, dann könnte das Eis vor allem der Westantarktis schon weit näher am Kipppunkt sein als angenommen – oder ihn sogar schon überschritten haben. „Unsere Ergebnisse stehen im Einklang mit einer wachsenden Zahl von Belegen, die darauf hindeuten, dass die Beschleunigung des antarktischen Eismassenverlusts in den vergangenen Jahrzehnten den Beginn einer langanhaltenden und irreversiblen Periode des Eisschildrückgangs markieren könnte“, sagt Weber.

Quelle: Universität Bonn; Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-27053-6

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