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Arktis: Trauriger Mikroplastik-Rekord

Erde|Umwelt

Arktis: Trauriger Mikroplastik-Rekord
Das Meereis der Arktis ist voll von winzigen Mikroplastik-Teilchen. (Foto: Alfred Wegener Institute/ S. Arndt)

Mikroplastik schwimmt in fast allen Gewässern der Erde – sogar in der Arktis. Dort haben Forscher nun so viele Kunststoffteilchen im Meereis nachgewiesen wie niemals zuvor. Ein Großteil der Partikel ist besonders winzig und könnte damit selbst Kleinstlebewesen gefährlich werden, wie das Team berichtet. Quell des Übels sind offenbar zum einen Verpackungsreste aus dem sogenannten Nordpazifischen Müllstrudel, die über die Beringstraße in den Arktischen Ozean gelangen. Zum anderen hat die Verschmutzung jedoch auch lokale Ursprünge.

Mikroplastik findet sich inzwischen in fast sämtlichen Gewässern: Winzige Kunststoffteilchen schwimmen in Seen, Flüssen und in den Ozeanen. Dort werden die weniger als fünf Millimeter kleinen Partikel durch den langsamen Zerfall von Plastikmüll freigesetzt. Das Mikroplastik kann aber auch bereits an Land entstehen und dann mit dem Wind oder über Abflüsse ins Meer gelangen. Studien belegen, dass Plastikpartikel, -fasern, -pellets und andere Kunststofffragmente sogar in so entlegenen Bereichen wie der Arktis das Wasser verschmutzen. Dort haben Wissenschaftler um Ilka Peeken vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven nun traurige Rekordzahlen ermittelt: Sie fanden im arktischen Meereis so viel Mikroplastik wie niemals zuvor.

Um die Mikroplastik-Belastung zu messen, untersuchten die Forscher Eisproben aus fünf unterschiedlichen Regionen entlang der Transpolardrift und der Framstraße. Mithilfe eines Fourier-Transform-Infrarotspektrometers durchleuchteten sie die Eiskerne Schicht für Schicht. Das Gerät analysiert die von Mikropartikeln reflektierte Strahlung und ermöglicht es nicht nur, die genau Menge und Verteilung kleinster Teilchen im Eis zu bestimmen. Anhand ihres charakteristischen optischen Fingerabdrucks lassen sich zudem Rückschlüsse auf die Art der Partikel ziehen.

Besonders viele und kleine Teilchen

Die Ergebnisse zeigten: Die Proben aus der Arktis enthielten zum Teil mehr als 12.000 Mikroplastik-Teilchen pro Liter Meereis – und damit zwei- bis dreimal so viel wie bei früheren Untersuchungen gefunden worden war. Überraschend auch: Rund zwei Drittel – nämlich 67 Prozent – der im Eis detektierten Kunststoffpartikel waren kleiner als 50 Mikrometer. Demnach waren etliche der entdeckten Teilchen sogar nur winzige elf Mikrometer klein. „Das entspricht in etwa dem Sechstel-Durchmesser eines menschlichen Haares“, sagt Peekens Kollege Gunnar Gerdts. Dass die Wissenschaftler dank ihrer sensiblen Analysemethode selbst solche kleinen Partikel aufspüren konnten, könnte ihnen zufolge die erstaunlich hohen Kunststoffkonzentrationen erklären.

Um welche Substanzen aber handelte es sich bei dem gefundenen Mikroplastik? Insgesamt identifizierte das Team 17 Kunststofftypen im Meereis – darunter Verpackungsmaterialien wie Polyethylen und Polypropylen, aber auch Lacke, Nylon, Polyester sowie Cellulose-Azetat, das vor allem bei der Herstellung von Zigarettenfiltern verwendet wird. Diese sechs Stoffe machten zusammen rund die Hälfte aller nachgewiesenen Mikroplastikpartikel aus. Die Zusammensetzung variierte von Probe zu Probe allerdings deutlich, wie Peeken berichtet: „Wir haben die Wanderung der beprobten Eisschollen zurückverfolgt und können belegen, dass sowohl die Region, in der das Meereis gebildet wird, als auch die Wassermassen, in denen die Schollen durch die Arktis treiben und weiterwachsen, einen gravierenden Einfluss auf die Zusammensetzung und Schichtung der eingeschlossenen Partikel haben.“

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Vom Müllstrudel in die Arktis

So stellten die Forscher unter anderem fest: Eisschollen, die auf den pazifischen Wassermassen des Kanadischen Beckens getrieben sind, enthalten besonders viele Polyethylen-Partikel. Polyethylen wird vor allem für Verpackungen verwendet. „Wir nehmen deshalb an, dass diese Bruchstücke Überreste des sogenannten Nordpazifischen Müllstrudels darstellen und mit dem pazifischen Einstrom durch die Beringstraße in den Arktischen Ozean gelangt sind“, schreiben die Autoren. Im Gegensatz dazu enthielt Eis aus den flachen sibirischen Randmeeren vor allem Lackpartikel von Schiffsanstrichen sowie Nylonreste von Fischernetzen. „Diese Funde belegen, dass sowohl der zunehmende Schiffsverkehr als auch der Fischfang in der Arktis deutliche Spuren hinterlassen. Die hohen Mikroplastik-Konzentrationen sind nicht mehr nur auf Quellen außerhalb des Arktischen Ozeans zurückzuführen“, sagt Peeken.

Für die Wissenschaftler ist dies eine bedenkliche Entwicklung. Denn viele der kleinen Partikel im Meereis können aufgrund ihrer geringen Größe problemlos von arktischen Kleinstlebewesen wie Wimperntierchen oder Ruderfußkrebsen gefressen werden. „Bislang kann niemand abschließend sagen, inwieweit die Kunststoffteilchen den Meeresbewohnern Schaden zufügen oder am Ende sogar Menschen gefährden“, konstatiert Peeken. Unklar scheint bisher auch eine weitere Frage: Wie lange bleibt das Mikroplastik in der Arktis? Fakt ist: Das Meereis bindet die Kunststoffreste für zwei bis maximal elf Jahre – so lange dauert es nämlich, bis Eisschollen aus den sibirischen Randmeeren oder der nordamerikanischen Arktis die Framstraße erreichen und dort schmelzen.

Endstation Tiefsee?

Ob die freigesetzten Kunststoffteilchen dann in der Arktis verbleiben oder weiter Richtung Süden transportiert werden, wissen die Wissenschaftler nicht. Wahrscheinlich sei aber, dass die Müllreste relativ schnell in die Tiefe sinken. „Freischwimmende Mikroplastik-Partikel werden häufig von Bakterien und Algen besiedelt und infolgedessen immer schwerer. Manchmal verklumpen sie mit Algen und rieseln dadurch deutlich schneller in Richtung Meeresboden“, sagt Co-Autorin Melanie Bergmann. Für diese These sprechen Beobachtungen aus der arktischen Tiefsee im Bereich der Framstraße. „Dort haben wir erst vor kurzem Mikroplastik-Konzentrationen von bis zu 6500 Kunststoffteilchen pro Kilogramm Tiefseeboden gemessen. Das sind ausgesprochen hohe Werte“, schließt die Biologin.

Quelle: Ilka Peeken (Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-018-03825-5

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