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Arktischer Ozean erwärmte sich früher als gedacht

Erde|Umwelt

Arktischer Ozean erwärmte sich früher als gedacht
Spitzbergen
Vor der Küste von Spitzbergen. (Bild: Sara Giansiracusa)

Der menschengemachte Klimawandel sorgt dafür, dass die Meere der Welt immer wärmer werden und die Pole schmelzen. Im Arktischen Ozean wird das Problem dadurch verschärft, dass warmes Wasser aus dem Atlantik einströmt. Eine neue Studie zeigt nun anhand von Sedimentanalysen der letzten 800 Jahre, dass diese sogenannte Atlantisierung des Arktischen Ozeans wahrscheinlich bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat – Jahrzehnte früher als bisher vermutet. Die neuen Ergebnisse weisen auch auf eine Lücke in bisherigen Klimamodellen hin.

Der Arktische Ozean ist von allen Weltmeeren am stärksten von der Klimaerwärmung betroffen. Als das kleinste und flachste der Weltmeere erwärmt er sich besonders schnell – mit gravierenden Folgen nicht nur für die empfindlichen polaren Ökosysteme, sondern auch für das Weltklima. Durch die höheren Wassertemperaturen schmilzt das Eis in der Polarregion und der Meeresspiegel steigt. Zudem wird das einfallende Sonnenlicht von der Meeresoberfläche weniger stark reflektiert als vom Eis, sodass mehr Wärme aufgenommen wird und die Temperaturen weiter steigen. Überdies sind im Permafrost der Arktis große Mengen des Treibhausgases Methan gespeichert, die freigesetzt werden, wenn der Permafrost schmilzt.

Blick in die Vergangenheit

Eine Rolle bei der Erwärmung des Arktischen Ozeans spielt auch der Einstrom von warmem Wasser mit höherem Salzgehalt aus dem Atlantik. Instrumentelle Aufzeichnungen, die diesen Prozess dokumentieren, etwa durch Satellitenmessungen, gibt es allerdings erst seit etwa 40 Jahren. Ein Team um Tommaso Tesi vom Institut für Polarforschung des Nationalen Forschungsrats in Bologna hat nun einen Blick weiter zurück in die Vergangenheit geworfen. „Anhand von Satellitenmessungen wissen wir, dass sich der Arktische Ozean stetig erwärmt hat, insbesondere in den letzten 20 Jahren, aber wir wollten die jüngste Erwärmung in einen längeren Kontext stellen“, sagt Co-Autor Francesco Muschitiello von der University of Cambridge.

Dazu untersuchten die Forscher Sedimentkerne aus dem Bereich der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, die eine Verbindung zwischen dem Atlantischen und dem Arktischen Ozean darstellt. In den Sedimentproben, die einen Zeitraum von 800 Jahren abdecken, analysierten Tesi und seine Kollegen die chemischen Signaturen von Mikroorganismen wie Foraminiferen. Diese einzelligen Meereslebewesen lagern je nach Temperatur und Salzgehalt des Wassers, in dem sie leben, unterschiedliche Sauerstoff-Isotope in ihre Gehäuse ein und liefern den Forschern so Anhaltspunkte für die Umweltbedingungen zu der Zeit, als die jeweilige Sedimentschicht entstanden ist. Diese Informationen kombinierten die Forscher mit weiteren Daten, darunter Lipidanalysen der Sedimente, lokale Klimaaufzeichnungen sowie verschiedene Datierungsmethoden.

Rasche Erwärmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler die Temperatur und den Salzgehalt am Übergang zwischen Atlantischem und Arktischem Ozean über Jahrhunderte hinweg zurückverfolgen. Das Ergebnis: „Wenn wir die gesamte 800-jährige Zeitskala betrachten, sind Temperatur und Salzgehalt lange Zeit ziemlich konstant“, sagt Tesi. „Aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es plötzlich zu einer deutlichen Veränderung der Temperatur und des Salzgehalts – das ist wirklich auffällig. In Verbindung mit bestehenden Rekonstruktionen zeigen unsere Ergebnisse eine schnelle und frühe Atlantisierung der östlichen Framstraße zu Beginn des 20. Jahrhunderts.“

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Die Analysen der Forscher zeigen, dass zu dieser Zeit das Meereis rasch zurückging, sich die Planktonblüte dadurch saisonal verschob, das Wasser insbesondere im Sommer wärmer wurde und im Winter eine verstärkte Durchmischung der Wasserschichten stattfand. Eine wahrscheinliche Ursache für die zunehmende Atlantisierung zu Beginn des industriellen Zeitalters ist den Forschern zufolge, dass Mitte des 19. Jahrhunderts die Kleine Eiszeit endete, woraufhin sich die Ozeanzirkulation im Nordatlantik veränderte und einen effizienteren Wärmetransport Richtung Nordpol ermöglichte. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir in Zukunft aufgrund des Klimawandels mit einer weiteren Atlantisierung der Arktis rechnen müssen“, sagt Muschitiello.

Lücke in den Klimamodellen

„Nach wie vor umstritten ist, welche Auswirkungen jeweils natürliche und anthropogene Einflüsse auf das nordatlantische System hatten“, schreiben die Forscher. Sie weisen auch darauf hin, dass ihre Ergebnisse auf einen möglichen Fehler in Klimamodellen hindeuten. „Klimasimulationen können die von uns festgestellte Art der Erwärmung des Arktischen Ozeans nicht reproduzieren, was bedeutet, dass das Verständnis der Mechanismen, die die Atlantisierung vorantreiben, unvollständig ist“, sagt Tesi. „Wir verlassen uns auf diese Simulationen, um zukünftige Klimaveränderungen zu prognostizieren, aber das Fehlen jeglicher Anzeichen für eine frühe Erwärmung im Arktischen Ozean ist ein fehlendes Teil des Puzzles. Die Lösung dieser Modellierungsprobleme wird entscheidend sein, um die Genauigkeit der prognostizierten Atlantisierung als Reaktion auf die zukünftige Erwärmung der Arktis zu verbessern.“

Quelle: Tommaso Tesi (Istituto di Scienze Polari, Consiglio Nazionale delle Ricerche, Bologna) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abj2946

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