Warum das chemische Element Arsen gegen eine bestimmte Form der Leukämie erfolgreich eingesetzt werden kann, haben nun amerikanische Wissenschaftler herausgefunden: Das Gift führt in den betroffenen Blutzellen zur Produktion von Sauerstoffradikalen, die sie unweigerlich in den Tod treiben. Kombinierten die Wissenschaftler das Gift mit einer ähnlich wirkenden Substanz aus einem korallenähnlichen Meerestier, verstärkten sich die beiden Mittel sogar in ihrer Wirkung. Durch die Kombination könne ein Zehntel der Menge an Arsen genügen, um das selbstzerstörerische Programm in den Krebszellen auszulösen. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore in der Fachzeitschrift PNAS (Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.10173/pnas.0306687101).
Schon Agatha Christie wusste, wie unliebsame Zeitgenossen mit Arsen aus dem Wege geräumt werden können. Aber dieses gefürchtete Gift soll nun auch Leben retten. In geringen Mengen verwendet, ist es sehr wirksam gegen die so genannte akute Promyelozyten-Leukämie (APL). Bei dieser Form des Blutkrebses vermehren sich die weißen Blutkörperchen unkontrolliert. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems und hauptsächlich für die Bekämpfung von Bakterien zuständig. Sie patroullieren durch den Körper und nehmen unbefugte Eindringlinge fest. Dann verdauen sie die Bakterien in ihrem Inneren.
Chi V. Dang und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass sich Arsen genau diese Funktion zunutze macht: Das Gift aktiviert das System zur Produktion von Sauerstoffradikalen in den Blutkörperchen, das nicht nur Bakterien zerstört, sondern letztlich auch zum Tod der Blutkörperchen selbst führt.
Arsen könne jedoch nicht das gesamte System aktivieren, das den Blutkörperchen zur Verfügung steht, erklärt Dang. Hier helfe eine Substanz, die aus dem korallenartigen Meerestier Bugula neritina gewonnen wird. Mit dem Gift Bryostatin lässt sich auch der restlichen Teil des tödlichen Systems aktivieren, fanden die Forscher. Die Kombination der Wirkstoffe erlaubte im Labor die Reduktion der notwendigen Dosis beider Gifte. In Studien mit Patienten sei bisher die zehnfache Menge von Arsen und Bryostatin verwendet worden. Die Wissenschaftler wollen die kombinierte Therapie nun zunächst an anderen Zellen und in Tierversuchen erproben.
Die mit APL bezeichnete Leukämieform ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache von Blutkrebs. In den meisten Fällen kann als Auslöser ein Defekt im Erbgut verantwortlich gemacht werden. Die Behandlung der lebensbedrohlichen Krankheit ist jedoch oft schwierig. Die bislang verwendete Chemotherapie bleibt bei fast jedem dritten Patienten ohne dauerhaften Erfolg. Seit einiger Zeit ist nun jedoch auch Arsen zur Chemotherapie zugelassen. Die Einnahme des Gifts ist von einer Vielzahl von Nebenwirkungen begleitet. So machen den Patienten unter anderem Herzrhythmusstörungen, Fieber und ein gestörter Elektrolythaushalt zu schaffen. Die neue Kombinationstherapie könnte diese unerwünschten Wirkungen auf gesunde Zellen möglicherweise verhindern.
ddp/bdw ? Karin Otzelberger