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Auch Cyanobakterien produzieren Methan

Erde|Umwelt

Auch Cyanobakterien produzieren Methan
Anabaena
Cyanobakterien der Gattung Anabaena aus dem Stechlinsee. (Bild: Hans-Peter Grossart)

Nach gängiger Lehrmeinung setzen Feuchtgebiete und Gewässer vor allem dann Methan frei, wenn Bakterien dieses Treibhausgas im sauerstoffarmen Sediment produzieren. Doch jetzt haben Forscher herausgefunden, dass auch Blaualgen Methan erzeugen – im Ozean, in Binnengewässern und auch in Böden. Wie Laborexperimente ergaben, produzieren die Cyanobakterien das Gas während der Photosynthese im Sonnenlicht, aber auch im Dunkeln und unabhängig davon, ob Sauerstoff präsent ist. Angesichts der Tatsache, dass Massenblüten von Cyanobakterien häufig auftreten, sind diese Mikroorganismen ein bisher unterschätzter Akteur im globalen Methankreislauf, so die Forscher.

Nach Kohlendioxid ist Methan (CH4) das zweitwichtigste Treibhausgas in unserer Atmosphäre. Zwar ist sein Anteil deutlich niedriger, dafür besitzt Methan bezogen auf den Zeitraum von 100 Jahren eine 28 bis 34-fache Treibhauswirkung. Neben anthropogen Quellen wird Methan vor allem von Feuchtgebieten, Gewässern und Sedimenten freigesetzt. Als Hauptproduzenten des Methans galten bislang Mikroorganismen aus der Gruppe der Archaeen, die dieses Gas unter sauerstoffarmen Bedingungen erzeugen. Inzwischen allerdings mehren sich die Hinweise darauf, dass Methan entgegen der gängigen Lehrmeinung auch in Anwesenheit von Sauerstoff entstehen kann – beispielsweise in den gut durchlüfteten Oberflächenschichten von Seen, wie Forscher vor kurzem herausfanden. Ihren Daten zufolge könnten sogar gut 60 Prozent der weltweiten Methanemissionen aus Seen auf das Konto dieser sogenannten oxischen Methanproduktion gehen. Doch wer dieses Methan produziert, blieb zunächst unklar.

Methanproduktion in allen Kulturen

Auf der Suche nach dem unbekannten Methanproduzenten sind Mina Bizic vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Stechlin und ihre Kollegen nun einem konkreten Verdacht nachgegangen: Auf Basis früherer Beobachtungen haben sie untersucht, ob möglicherweise Cyanobakterien die Quelle dieses Gases sind. Für ihre Studie kultivierten sie 13 verschiedenen Arten dieser Photosynthese treibenden Einzeller im Labor, diese stammten aus dem Meer, aus Binnengewässern und aus Böden. Alle Cyanobakterien bekamen als Kohlenstoffquelle Natriumhydrogencarbonat, das mit dem Isotop C-13 markiert war. Dies ermöglichte es den Forschern, das von den Organismen erzeugte Methan eindeutig zu erkennen und seine Menge mithilfe der Massenspektrometrie zu bestimmen.

Die Analysen ergaben, dass die Cyanobakterien in allen Kulturen Methan produzierten. Die Mengen variierten zwischen 1,71 und 1337 Promille. Wie die Forscher berichten, trat die Methanproduktion auch bei hoher Sauerstoffsättigung der Kulturlösung und während der Photosyntheseaktivität der Blaualgen auf. Im Dunkeln setzte sich die Methanabgabe fort, sank allerdings ein wenig ab. „Diese Ergebnisse belegen eindeutig, dass Cyanobakterien per se Methan produzieren können und dass dieser Prozess wahrscheinlich direkt mit ihrem allgemeinen Zellstoffwechsel verknüpft ist“, berichten Bizic und ihre Kollegen. Sie vermuten, dass der Mechanismus, durch den die Einzeller Kohlendioxid in Methan umwandeln, eng mit der Photosynthese verknüpft ist – möglicherweise werden dafür Moleküle benötigt, die erst bei der Photosynthese entstehen. „Der exakte biochemische Reaktionsweg dieser lichtgetriebenen Methanproduktion der Cyanobakterien bleibt aber vorerst unbekannt und erfordert weitere Untersuchungen“, sagen die Forscher.

Neuer Akteur im Methankreislauf

Dennoch werfen die neuen Ergebnisse schon jetzt ein neues Licht auf den globalen Methankreislauf, wie die Wissenschaftler erklären. Denn das alte Paradigma, nach dem biogenes Methan nur auf anaerobem Wege durch Archaeen produziert wird, gilt offenbar nicht mehr. Stattdessen erweisen sich nun auch die Cyanobakterien als Akteure der Methanproduktion – und damit Organismen, die nahezu überall auf der Welt vorkommen. „Cyanobakterien sind allgegenwärtig und man findet sie buchstäblich in jeder Umgebung, in der es Licht gibt – und sogar in einigen dunklen Nischen unter der Erdoberfläche“, sagen Bizic und ihr Team. Zudem wachsen die Blaualgen über einen weiten Bereich von Temperaturen, Salzgehalten oder Nährstoffen und besiedeln auch Lebensräume, die von künstlichem Licht geprägt sind. „Angesichts dessen macht sie ihre Fähigkeit, Methan auf alternativen Stoffwechselwegen zu erzeugen, wichtig für das heutige und zukünftige Methanbudget der Erde“, konstatieren die Forscher. „Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass Massenvermehrungen der Cyanobakterien durch Überdüngung und steigende globale Temperaturen zunehmen.“

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Wie Bizic und ihre Kollegen erklären, könnte dies sogar eine positive Rückkopplung auslösen: Wenn mehr Algenblüten auftreten, geben die Cyanobakterien mehr Methan an die Atmosphäre ab. Dieses Treibhausgas trägt zum Klimawandel bei, der dann wiederum die Algenblüten fördert.

Quelle: Mina Bizic (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Stechlin) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aax5343

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