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Auch Käfer leiden unter Pestiziden

Schon winzige Pestizid-Mengen beeinträchtigen Fortpflanzung

Auch Käfer leiden unter Pestiziden
Blattkäfer
Blattkäfer haben weniger Nachwuchs, wenn sie mit Spuren von Pestiziden in Berührung kommen. (Foto: Universität Bielefeld)
Nicht nur Bienen und Hummeln werden durch Pestizide geschädigt, auch Käfer leiden mehr unter den Spritzmitteln als gedacht. Schon winzigste Dosen stören ihre Kommunikation und Partnerfindung. Zudem führen sie zu Entwicklungsstörungen bei den Nachkommen der Käfer, wie Experimente nun belegen.

Die Zahl der Insekten in Deutschland geht immer stärker zurück: Laut Bundesumweltministerium ist der Insekten-Bestand in Teilen Deutschlands seit 1982 um bis zu 80 Prozent gesunken. In Nordrhein-Westfalen gingen die Zahlen von Käfer, Schmetterling und Co innerhalb eines Vierteljahrhunderts um drei Viertel zurück. Schon länger vermuten Forscher dass dies auch an dem weitreichenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft liegt.

Kollateralschaden am Feldrand

„Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen“, sagt Caroline Müller von der Universität Bielefeld. „Bislang war jedoch weitgehend unklar, wie sich die Pestizide auf Insekten außerhalb der bewirtschafteten Äcker auswirken.“ Denn wenn die Chemikalien versprüht werden, gelangen sie auch auf benachbarte Flächen und benetzen angrenzende Sträucher und Bäume. „Mitunter trägt der Wind sie auch auf ökologisch bewirtschaftete Äcker, die eigentlich ohne Giftstoffe auskommen sollen“, sagt Müller.

Welche Folgen dies auf Blattkäfer haben kann, haben Müller und ihr Team nun in einer Studie untersucht. Dafür setzten sie Meerrettichblattkäfer (Phaedon cochleariae) extrem niedrigen Dosierungen eines häufig eingesetzten Pyrethroids aus. Die Konzentrationen lagen um das 20- bis 60-Fache unterhalb eines als tödlich geltenden Werts.

Partnerfindung gestört

Das Ergebnis: Die Blattkäfer legen etwa 35 Prozent weniger Eier, wenn sie mit dem Pyrethroid in Berührung kommen. Der Grund: Das Pestizid stört die Kommunikation zwischen den Insekten. Wie viele andere Arthropoden verlassen sich auch Meerrettichblattkäfer bei der Wahl ihrer Fortpflanzungspartner auf chemische Reize. Auf dem Panzer der Käfer befinden sich spezifische Kohlenwasserstoffgemische – eine Art Duftnote, die als Erkennungszeichen dient.

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„Wir konnten erstmals zeigen, dass sich diese chemische Signatur auf der Körperoberfläche durch den Kontakt mit dem Pestizid verändert“, sagt Thorben Müller. „Die Folge ist, dass Käfer für die Fortpflanzung geeignete Paarungspartner möglicherweise nicht erkennen. Allein dadurch kann schon die Zahl der Nachkommen sinken.“

Schäden beim Nachwuchs

Und noch etwas kommt hinzu: Der Pestizid-Kontakt der Eltern hat auch negative Auswirkungen auf die folgende Käfergeneration – selbst wenn diese nicht selbst mit dem Mittel in Berührung kommt. „Nachkommen von Käfern, die pestizidbelastete Blätter gefressen haben, entwickeln sich langsamer als Nachwuchs von Tieren, die unbehandelte Blätter als Futter hatten“, sagt Müller. Die Töchter der Käfer entwickeln zudem Missbildungen: Ihre Antennen sind unterschiedlich lang. „Diese Missbildung kann die Wahl des Partners und des Eiablageplatzes beeinträchtigen“, so der Forscher.

Nach Ansicht der Biologen lassen sich diese Ergebnisse auch auf andere Insekten übertragen. „Bienen und Wespen kommunizieren ähnlich wie die Käfer über chemische Botenstoffe“, erklärt Caroline Müller. „Kommen sie zufällig mit einem Pestizid in Kontakt, könnte das ihre Partnerwahl ebenfalls beeinflussen und zu einem Rückgang der Nachkommen führen.“

Die Forscher plädieren daher dafür, dass Pflanzenschutzmittel erst dann zugelassen werden, wenn feststeht, dass sie der Entwicklung und Fortpflanzung von Nicht-Zielorganismen langfristig nicht schaden.

Quelle: Universität Bielefeld, Fachartikel: Environmental Pollution, doi: 10.1016/j.envpol.2017.07.018

© natur.de – Nadja Podbregar
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