Radioaktive Strahlung kann nicht nur direkt, sondern auch durch Sekundärpartikel das Erbgut schädigen. Das belegen Experimente eines Forschungsteams aus Innsbruck und Lyon. Tilmann Maerk und seine Kollegen berichten im Fachblatt Physical Review Letters (Ausgabe vom 9. Mai), dass selbst Elektronen, die sich sehr langsam bewegen, Bestandteile des Erbmoleküls Ribonukleinsäure zerstören können.
Kritisch wirkt sich dabei weniger die Bewegungsenergie des Stoßes aus, sondern vor allem die elektrische Ladung des Elektrons. Das fanden die Forscher heraus, indem sie gasförmige Uracil-Moleküle ? einem der Grundbausteine der Ribonukleinsäure ? mit niederenergetischen Elektronen beschossen. Sie stellten fest, dass selbst Elektronen mit einer Bewegungsenergie von wenigen tausendstel Elektronenvolt Uracil-Moleküle aufspalten konnten, weil sie das elektrische Feld in der Umgebung des Moleküls veränderten.
Bei dem Prozess wurden außerdem Wasserstoff-Atome frei, die sehr reaktionsfreudig sind und ihrerseits weitere Biomoleküle zerstören können. Bei Versuchen mit dem DNA-Bestandteil Thymin erzielten die Forscher ähnliche Ergebnisse.
Bislang war über die biologische Wirkung der langsamen Elektronen nichts bekannt. Wenn radioaktive Alpha-, Beta- und Gammastrahlung auf den Körper treffen, werden zahlreiche Elektronen als Sekundärpartikel freigesetzt, die bei Stößen mit Molekülen rasch ihre Energie verlieren.
Ute Kehse