Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Auf Sand gebaut

Erde|Umwelt

Auf Sand gebaut

MIT PROBEBOHRUNGEN im Münsterland trat vor fast zehn Jahren ein ehrgeiziges Projekt in seine entscheidende Phase. Der US-amerikanische Ölkonzern Conoco, die Ruhrgas AG und die Ruhrkohle AG hatten eigens dafür ein Konsortium gebildet: Aus tiefen Kohleflözen sollte Erdgas gewonnen werden – mit Hilfe des so genannten Frac-Verfahrens, bei dem Wasser-Sand-Gemische kraftvoll in die Lagerstätten gepresst werden.

Wie bild der wissenschaft 1996 in seiner Mai-Ausgabe („Blaue Flamme aus schwarzem Gold“) berichtete, witterten die Unternehmen ein gewaltiges Geschäft: Damaligen Schätzungen zufolge schlummern allein in deutschen Flözen rund 3000 Milliarden Kubikmeter Gas mit einem Methananteil von 90 bis 95 Prozent – rund 30-mal mehr, als hierzulande jährlich verbraucht wird.

Projektleiter auf Seiten der Ruhrkohle AG war Dr. Axel Preuße, heute Professor und Leiter des Instituts für Markscheidewesen, Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau an der RWTH Aachen. Was er rückblickend berichtet, ist freilich keine Erfolgsstory, sondern Ernüchterung pur: „Die Ergebnisse unserer Probebohrungen Rieth 1 und Natarp 1 waren niederschmetternd. Es wurde weniger als ein Zehntel der Gasmenge freigesetzt, ab der sich eine Förderung gelohnt hätte.“

Die Kohle in 1500 bis 1800 Meter Tiefe hatte das Gas viel fester in ihren Poren eingeschlossen als erwartet. Sie ließ es sich selbst mit der Frac-Technologie – in den USA bei Flözen bis 1000 Meter Tiefe bewährt – nicht in ausreichendem Umfang entreißen. Das Konsortium unter Führung der Conoco brach 1997 das Projekt ab. Möglicherweise zu früh, wie Preuße heute findet: „Wir konnten die Technologie nicht optimal an die deutschen Verhältnisse anpassen.“

Das Ende im Münsterland war allerdings noch nicht das endgültige Aus für den Versuch, Flözgas zu fördern. 1999 begannen im Saarland Experten eines anderen Konsortiums unter Führung der Deutschen Steinkohle AG, die Probebohrung Weiher 1 niederzubringen. Denn die Vorversuche waren 1995 weit ermutigender verlaufen als die im Münsterland: Ingesamt ein halbes Jahr lang hatte man damals aus einer Bohrung täglich bis zu 4500 Kubikmeter Gas gefördert.

Anzeige

Allerdings gab es auch an der Saar einen Makel: Simulationsrechnungen deuteten darauf hin, dass das Gas durch natürliche Klüfte aus einem sehr großen Einzugsgebiet angeströmt war. „Deshalb bekamen wir Zweifel, ob sich die Gasproduktion auch bei den anderen saarländischen Lagerstätten rechnen würde“, sagt Dr. Michael Schloenbach. Er gehörte bis 1997 zum Bohrteam des Konsortiums und war danach als Geschäftsführer der Drilling Engineering GmbH an der Planung und Überwachung der Bohrung Weiher 1 beteiligt. Mit Weiher 1 wählte das Konsortium bewusst einen unzerklüfteten und damit typischeren Lagerstättenteil aus als 1995. Alsbald schlug die Stunde der Wahrheit: Das tägliche Flözgas-Fördervolumen sank schnell von anfänglich 1900 auf 250 Kubikmeter ab. Wegen zu geringer Gasmenge wurde Ende 2000 nach nur zehn Wochen die Förderung eingestellt. Auch Michael Schloenbach meint allerdings, damit sei das letzte Kapitel zum Thema Flözgas noch nicht geschrieben.

Fachkollege Preuße orakelt: „Die Wirtschaftlichkeit der Förderung kann sich mit den Energiepreisen sowie den energiepolitischen Rahmenbedingungen verändern.“ Er verweist auf die Nutzung von Grubengas – Methangehalt 25 bis 80 Prozent – aus aktiven und stillgelegten Bergwerken in Nordrhein-Westfalen: Auf das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ im Jahr 2000 folgte die Gründung der Unternehmen Minegas und Mingas-Power, die aus abgesaugtem Grubengas heute den Strombedarf von mehr als 200 000 Haushalten decken. Frank Frick■

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

tech|nik|feind|lich  〈Adj.〉 der Technik gegenüber feindlich eingestellt

Däm|me|rung  〈f. 20〉 1 Übergang zw. Nacht u. Tag, Halbdunkel (Morgen~, Abend~) 2 〈Astron.〉 Zeit zw. Sonnenuntergang u. Sternenaufgang bzw. vom Verblassen der Sterne bis Sonnenaufgang … mehr

Kern|re|ak|ti|on  〈f. 20; Phys.〉 physikalischer Vorgang in Atomkernen, vor allem Umwandlung von Kernen beim Zusammenstoß mit energiereichen Teilchen, wie Protonen, Neutronen, Deuteronen, Elektronen u. elektromagnetische Strahlungsquanten

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige