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„Auferstandene“ Dattelpalmen sequenziert

Pflanzen aus antiken Samen

„Auferstandene“ Dattelpalmen sequenziert
Links die „auferstandene“ Dattelpalme „Methuselah“ und rechts die später „erweckte“ Palme „Adam“. (Bilder: Sarah Sallon)

Welche Merkmale besaßen die sogenannten judäischen Dattelpalmen, die den Menschen der südlichen Levante in der Antike ihre Früchte schenkten? Einblicke in diese Frage hat nun die Genomsequenzierung von sieben „auferstandenen“ Exemplaren ermöglicht. Sie sind aus über 2000 Jahre alten Samen gekeimt, die von verschiedenen antiken Fundorten und aus unterschiedlichen Zeiten stammen. Den genetischen Vergleichen zufolge waren die judäischen Dattelpalmen heutigen Versionen bereits ähnlich. Interessanterweise zeichnen sich allerdings zunehmende Einkreuzungen bestimmter Dattel-Linien im Laufe der Zeit ab, die mit kulturellen Einflüssen aus dem Westen verbunden gewesen sein könnten.

Seit Urzeiten gehört die Dattelpalme (Phoenix dactylifera) zu den wichtigsten Kulturpflanzen im südlichen Mittelmeerraum und Nahen Osten. Man nimmt an, dass ihre Kultivierung vor etwa 7000 Jahren im Bereich des persischen Golfs begann und sich anschließen nach Westen ausgebreitet hat. So entstanden in der Antike auch im heutigen Israel um die Stadt Jericho und entlang des Toten Meeres bedeutende Anbaugebiete. Die von dort stammenden sogenannten judäischen Datteln wurden als besonders groß und süß beschrieben. Doch das Wissen über den lokalen Anbau und die Palmen gingen verloren, denn im Rahmen der Umwälzungen in der Region verschwanden die Dattelplantagen bereits in der Spätantike.

Aus dem Dornröschenschlaf erweckt

So galten die antiken judäischen Dattelpalmen zunächst als ausgestorben – doch das änderte sich im Jahr 2005: Einem Forscherteam war es gelungen, einen über 2000 Jahre alten Dattelsamen zum Keimen zu bringen, der in der berühmten Felsenfestung Masada gefunden worden war. Wie sie erklären, war dies durch die erstaunliche Vitalität von Dattelsamen sowie die günstigen Konservierungsbedingungen möglich. Mittlerweile hat sich aus dem Pflänzchen eine männliche Palme entwickelt, die „Methuselah“ genannt wird. Das Team kann auch weitere Erfolge bei der „Erweckung“ antiker Dattelsamen vorweisen: Es ist ihnen gelungen, aus einer Sammlung von Dattelsamen, die in Masada, Qumran und Wadi Makukh gefunden wurden, sechs weitere Exemplare zum Keimen zu bringen. Die entstandenen Pflanzen erhielten die biblischen Namen Hannah, Adam, Judith, Boaz, Jonah und Uriel und wurden mittlerweile ins Freiland gepflanzt.

Durch Radiokarbondatierungen der Samen konnten die Forscher auch jeweils eingrenzen, wann ihre Mutterpflanzen gelebt haben. Sie stammen demnach aus unterschiedlichen Perioden im Zeitfenster vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. Im Rahmen der aktuellen Studie haben die Forscher um Michael Purugganan von der New York University nun die Genome aller sieben judäischen Dattelpalmen sequenziert. Sie bezeichnen ihren Ansatz dabei als „Resurrection genomics“: Sie haben die gewonnenen Daten untereinander sowie mit genetischen Informationen heutiger Dattelpalmen verglichen, um Besonderheiten aufzudecken.

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„Resurrection genomics“ mit Potenzial

Wie sie berichten, ging aus den genetischen Untersuchungen zunächst grundlegend hervor, dass durch den langen Schlummer der Samen überraschend wenig Mutationen entstanden sind. Bei den Vergleichen der Genome zeigte sich dann: Die ältesten Exemplare aus dem 4. bis 1. Jahrhundert v. Chr. ähnelten den heutigen westasiatischen Dattelsorten. Bei den Palmen aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. bis zum zweiten Jahrhundert n. Chr. zeichnet sich hingegen eine zunehmende genetische Verwandtschaft mit heutigen nordafrikanischen Dattelpalmen ab, schreiben die Forscher. Den Forschern zufolge bilden die sieben judäischen Dattelpalmen aufgrund ihrer genetischen Unterschiede keine wirkliche gemeinsame Identität. „In dieser Hinsicht stellt die Bezeichnung judäische Dattelpalme möglicherweise weniger eine bestimmte genetische Population dar, sondern eher eine Herkunftsbezeichnung“, schreiben Purugganan und seine Kollegen.

Wie sie erklären, ist der entscheidende Aspekt der genetischen Verschiebung vom östlichem zum nordafrikanisch/westlichen Charakter bei den judäischen Dattelpalmen von der genetischen Spur einer Kreuzung gekennzeichnet: Moderne nordafrikanische Palmen tragen die Merkmale einer Hybridisierung zwischen der Dattelpalme Phoenix dactylifera und der wilden kretischen Palme Phoenix theophrasti. Die Ergebnisse deuten nun darauf hin, dass Erbgut der kretischen Dattelpalme ab vor etwa 2200 Jahren Einzug in das Erbgut der judäischen Dattelpalmen hielt. Sie vermuten, dass die Zunahme von Genen aus P. theophrasti auf den zunehmenden kulturellen Einfluss des Westens und vor allem der Römer im östlichen Mittelmeerraum zurückzuführen ist.

„Wir haben das Glück, dass Dattelpalmensamen in der trockenen Umgebung der Region so lange überdauern können – in diesem Fall mehr als 2000 Jahre – und dann mit minimalen DNA-Schäden keimen“, sagt Purugganan. „Unser Ansatz hat sich als ein effektiver Weg gezeigt, um die Genetik und Entwicklung vergangener und möglicherweise ausgestorbener Pflanzenlinien wie der judäischen Dattelpalme zu untersuchen“, resümiert der Forscher. Er sieht in dem Verfahren Resurrection genomics auch weitreichenderes Potenzial: „Durch die Wiederbelebung von biologischem Material wie keimenden alten Samen aus archäologischen, paläontologischen Stätten oder historischen Sammlungen können wir nicht nur die Genome verlorener Populationen untersuchen, sondern in einigen Fällen vielleicht auch Gene wiederentdecken, die in modernen Sorten verlorengegangenen sind“, sagt Purugganan.

Quelle: New York University, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2025337118

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