Einem Schweizer Forscherteam um Grégoire Courtine von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne ist es gelungen, Ratten, die wegen einer Rückenmarkverletzung an den Hinterbeinen gelähmt waren, wieder zum Laufen zu bringen. Dazu wurde den Tieren zunächst ein chemischer Cocktail aus sogenannten Monoamin-Agonisten gespritzt. Diese Stoffe binden sich an bestimmte Rezeptoren der Rückenmarkzellen und regen die Neuronen dort an. Nach der Injektion stimulierten die Wissenschaftler das Rückenmark mit Elektroden, die in die äußerste Schicht des Rückenmarkkanals, den Epiduralraum, implantiert worden waren. Durch dieses chemisch-elektrische Verfahren wurden die Nervenzellen, die durch die Verletzung vom Gehirn getrennt waren und keine Informationen mehr erhielten, quasi aufgeweckt. Die Co-Autorin der Studie, Rubia van den Brand, erklärt den Vorgang: „ Die lokale Epiduralstimulierung sendet fortwährend elektrische Signale durch Nervenfasern an die chemisch angeregten Neuronen, die die Beinbewegungen steuern. Dann mussten wir nur noch die Bewegung selbst auslösen.“
Dazu konstruierten die Forscher eine Art Roboter-Laufgeschirr für die Nager. Es stützte sie beim Laufen, griff aber nur ein, wenn die Ratten das Gleichgewicht verloren. So wurde den Tieren suggeriert, sie besäßen eine gesunde Wirbelsäule. Dies ermutigte sie, aus eigenem Willen – angelockt durch ein Stück Schokolade – über 20 Meter weit zu laufen. Schon nach zwei bis drei Wochen Training konnten die Ratten ihr Körpergewicht ohne Geschirr alleine tragen und willentlich die Hinterbeine bewegen. Genauere Untersuchungen zeigten, dass dieser Erfolg auf eine Vervierfachung der Nervenzellen im Rückenmark und im Gehirn zurückging. Es hatten sich neue Verbindungen im Rückenmark gebildet, die den Kontakt zum Hirn wieder herstellten und die Bewegungen der Hinterbeine ermöglichten.
Courtine ist optimistisch, dass die Methode auch bei Menschen funktioniert, die querschnittsgelähmt sind. Er hofft, in ein bis zwei Jahren mit entsprechenden Tests beginnen zu können.
Redaktion: Hans Groth, nachrichten@bild-der-wissenschaft.de