Langer Hals und Schwanz, kleiner Kopf und vier mächtige, säulenartige Beine, die den schweren, tonnenförmigen Rumpf tragen: Ihre oft gigantischen Ausmaße von bis zu 30 Metern und Dutzenden Tonnen Gewicht erreichten die Titanosaurier durch rein pflanzliche Kost. Aus Fossilfunden unter anderem in Argentinien weiß man, dass diese Dinosaurier Eier legten – man hat ganze Nester solcher Eier, teilweise sogar mit Embryos darin, entdeckt. Daraus geht hervor, dass die Baby-Dinos beim Schlupf maximal einen Meter lang und rund zehn Kilogramm schwer gewesen sein müssen. Doch Fossilfunde von bereits geschlüpften Jungtiere sind extrem rar, weshalb bisher weitgehend unbekannt war, wie sich der Titanosaurier-Nachwuchs nach dem Schlupf entwickelte und vor allem, wie er zur späteren Riesengröße heranwuchs. Denn das war keine kleine Leistung: „Diese Dinosaurier besaßen den größten relativen Größenunterschied zwischen Jungtier und Adulten aller bekannten Landtiere“, erklären Kristina Curry Rogers vom Macelester College in Saint Paul und ihre Kollegen. „Aber uns fehlen entscheidende Daten zur kritischen Periode nach ihrer Geburt, so dass unser Verständnis dieses Anfangs ihrer Entwicklung lückenhaft ist.“
Zufallsfund unter Krokodilknochen
Doch im Jahr 2012 machte Rogers in der Sammlung der State University of New York eine überraschende Entdeckung: In einer Schublade mit Krokodilsfossilien stieß sie auf Knochen, die ihr seltsam bekannt vorkamen. Die 2003 in Madagaskar gefundenen Skelettteile ähnelten verblüffend denen des Titanosauriers Rapetosaurus krausei. „Sie sahen genauso aus wie die Knochen, die ich 15 Jahre lang studiert habe“, sagt Rogers. Das Seltsame daran: Diese Knochen waren winzig klein. Zusammengesetzt ergaben sie ein Wesen von gerade mal der Größe eines Hundes. „Die Längen der Hinterbeine deuten auf eine Hüfthöhe von 35 Zentimetern hin und ein Körpergewicht von rund 40 Kilogramm“, berichten Rogers und ihre Kollegen. Nähere Untersuchungen der Knochenstruktur ergaben, dass es sich bei diesem Fossil um ein zwischen 39 und 77 Tage altes Jungtier des Rapetosaurus handeln muss. Der kleine Dinosaurier war offenbar wenige Wochen nach seinem Schlupf verhungert, wie Untersuchungen der Knochen ergaben. In dieser kurzen Zeit jedoch hatte er es geschafft, sein Gewicht von rund 3,5 Kilogramm beim Schlupf mehr als zu verzehnfachen – ein relativ rasanter Zuwachs.
Und noch etwas stellten Rogers und ihre Kollegen fest: Trotz seiner vergleichsweise geringen Größe war der kleine Dinosaurier schon eine fast exakte Kopie seiner Eltern. Anders als beispielsweise bei Hundewelpen oder auch Menschenbabys entsprachen die Proportionen seiner Knochen bereits denen eines erwachsenen Tieres, wie die Paläontologen berichten. Es war eine perfekte Mini-Kopie der Großen. Bei ihren Analysen der Knochenstruktur fanden die Forscher zudem Strukturen, wie sie typischerweise bei biomechanischer Belastung gebildet werden. Das deutet darauf hin, dass dieses Jungtier seine Beine und Füße schon sehr früh belastet haben muss. Nach Angaben der Paläontologen sprechen diese Merkmale dafür, dass die Jungen der Rapetosaurier Nestflüchter waren. Ähnlich wie noch heute viele Vogelarten schlüpften auch diese Dinosaurier schon sehr weit entwickelt aus dem Ei und benötigten daher kaum Brutpflege oder andere Fürsorge ihrer Eltern. Stattdessen liefen sie schon sehr früh selbstständig umher. Während ihres Heranwachsens veränderte sich dann fast nur noch die Größe dieser Mini-Dinos. Nach Ansicht der Forscher könnten diese Ergebnisse dafür sprechen, dass auch andere Titanosaurier als Jungtiere frühreife Nestflüchter waren. Ob dies jedoch für alle Sauropoden galt, bleibt ungewiss.
Quelle:
- Kristina Curry Rogers (Macelester College, Saint Paul) et al., Science, doi: 10.1126/science.aaf1509