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Bienen: Bakterieller Mitgliedsausweis

Darmmikroben

Bienen: Bakterieller Mitgliedsausweis
Wächter checken ankommende Bienen am Eingang eines Bienenkastens. (Bild: Nathan Beach)

Zutritt nur für Stockmitglieder! Wie unterscheiden Wächter-Bienen am Nesteingang zwischen Kameraden und potenziell diebischen Fremdlingen? Für die Bildung des Nestgeruchs sind die gemeinsamen Merkmale der Darmflora der Stockgenossen ausschlaggebend und nicht die genetischen Ähnlichkeiten, geht aus einer Studie hervor. Die Mikroben haben somit nicht nur Einfluss auf die Gesundheit der Honigbienen, sondern auch auf ihr Sozialverhalten, sagen die Forscher.

Am Eingang zum Stock wird scharf kontrolliert: Neben Raubinsekten müssen die Wächter eines Volkes auch den Bienen anderer Staaten den Zutritt verwehren. Denn die Insekten sind untereinander keineswegs so freundlich, wie man meinen könnte: „Im Herbst, wenn die Pflanzen keinen Nektar mehr produzieren, gibt es eine Zeitspanne, in der Diebstahl zwischen Bienenvölkern sehr verbreitet ist“, sagt Cassondra Vernier von der Washington University in St. Louis. Wird ein Nest nicht gut bewacht, kann es deshalb regelrecht ausgeplündert werden, betont die Wissenschaftlerin. Aus diesem Grund ist es für das Überleben von Völkern wichtig, dass die Mitglieder ihre Nestgenossen von fremden Bienen unterscheiden können.

Was macht den Mitgliedergeruch aus?

Es ist bereits bekannt, dass den Honigbienen dazu spezielle Muster von chemischen Signalen dienen. Deren Grundlage bilden flüchtige Verbindungen, die sogenannten cutikulären Kohlenwasserstoffe oder CKWs. Sie bilden gleichsam eine Art gemeinsamen Geruch, an dem sich die Mitglieder untereinander erkennen. Man könnte annehmen, dass diese Signatur auf der engen genetischen Verwandtschaft der Individuen eines Volkes beruht. Doch wie Vernier und ihre Kollegen berichten, gab es bereits Hinweise darauf, dass dies nicht der Fall ist. Denn wenn man Jungtiere bis zu einem bestimmten Alter und Entwicklungsstand in fremde Bienenvölker setzt, werden sie akzeptiert und anschließend als dem Volk zugehörig wahrgenommen. „Es muss demnach etwas sein, das sie im Laufe des Lebens erworben haben, was den Schlüsselfaktor bildet“, sagt Vernier. So rückte die Zusammensetzung der Darmbakterien der Insekten ins Visier der Forscher.

Wie andere Lebewesen besitzen auch die Bienen eine Darmflora, die eine wichtige Rolle bei ihrer Verdauung und ihrem Immunsystem spielt, wie Untersuchungen bereits gezeigt haben. Im Rahmen ihrer Studie haben Vernier und ihre Kollegen nun die Zusammensetzung des Mikrobioms von verschiedenen Bienenvölkern durch genetische Methoden untersucht. Durch gaschromatographische Analysen untersuchten sie außerdem die Profile der CKWs, die den „Mitgliedergeruch“ ausmachen. Die Wissenschaftler führten zudem Austausch-Experimente durch, bei denen Gruppen frisch geschlüpfter Bienen in nicht verwandte Bienenvölkern übertragen wurden.

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Die Darmflora prägt den Geruch

Sie konnten zunächst bestätigen, dass Völker nicht nur verschiedene CKW-Profile besitzen – auch die Zusammensetzungsmuster der Bakteriengemeinschaften im Darm der Bienen unterschieden sich in charakteristischer Weise. „Verschiedene Bienenvölker haben tatsächlich koloniespezifische Mikrobiome, was noch nie zuvor gezeigt wurde. Dies erklärt sich dadurch, dass Bienen ständig Nahrung miteinander teilen – dadurch tauschen sie ihr Mikrobiom nur innerhalb ihres Volkes aus“, sagt Vernier.

Anschließend fanden die Forscher Hinweise darauf, dass die CKW-Profile wiederum von den Merkmalen der Darmflora beeinflusst werden. Es zeigte sich, dass sich das Mikrobiom von Bienen eines Volkes manipulieren lässt, indem man die frisch geschlüpften Bienen mit speziellen Mikroben füttert. Diese Bienen entwickeln dann nicht nur unterschiedliche mikrobielle Gemeinschaften im Darm, sondern auch veränderte CKW-Profile, zeigten die Analysen. Und dieser Effekt machte sich auch bemerkbar: „Diese Bienen waren für ihre Geschwister nicht wiederzuerkennen. Die Manipulation des Mikrobioms reichte aus, um die Bienen eines Volkes zur Entwicklung unterschiedlicher Duftprofile zu veranlassen“, sagt Vernier.

Unterm Strich geht aus den Ergebnissen somit hervor: Das besondere CKW-Profil einer Biene ist nicht allein angeboren oder genetisch bedingt, sondern hängt von den Bakterien ab, die die Mikrobengemeinschaft in ihrem Darm bilden, resümieren die Wissenschaftler. Sie vermuten, dass die jeweiligen Bakteriengemeinschaften bestimmte Stoffwechselprodukte erzeugen, die dann wiederum für die Bildung eines charakteristischen CKW-Profils verantwortlich sind.

„Die Bedeutung dieser Arbeit liegt darin, dass sie Hinweise liefert, dass das Mikrobiom nicht nur die Gesundheit von Honigbienen beeinflusst, sondern auch an ihrer Sozialbiologie beteiligt ist“, sagt Vernier. „Es beeinflusst offenbar, wie das Bienenvolk als Ganzes funktioniert und wie es in der Lage ist, die Nestabwehr aufrechtzuerhalten, und nicht nur die Immunabwehr im Körper eines einzelnen Individuums“, so die Wissenschaftlerin.

Quelle: Washington University, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abd3431

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