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Blockierte Pubertät

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Blockierte Pubertät
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Was bestimmt, wann ein Mädchen in die Pubertät kommt? (Bild: Thinkstock)
Wenn Kinder in die Pubertät kommen, beginnt der Ausnahmezustand: Plötzlich sprießen Haare, wo vorher keine waren, entwickeln sich Brüste und die Hormone spielen verrückt. Was aber bestimmt, wann ein Junge oder Mädchen in diese Phase der Veränderungen kommt? Bisher hielt man Gene für die entscheidenden Zeitgeber der Pubertät. Ein internationales Forscherteam hat nun jedoch Hinweise dafür entdeckt, dass die eigentliche Schaltzentrale nicht im, sondern am Erbgut sitzt: in Form von kleinen, genblockierenden Anhängen.

Bei einigen kommt sie schon mit zehn oder elf Jahren, bei anderen Jahre später: Der Beginn der Pubertät ist von Mensch zu Mensch verschieden. Was in diesem wichtigen Entwicklungsschritt genau im Körper geschieht, haben Forscher in den letzten Jahren bis in Zellen und Gene zurückverfolgt. So weiß man, dass während der Pubertät gleich mehrere grundlegende Hormonfabriken aktiviert werden, die zuvor abgeschaltet oder zumindest auf Minimalleistung eingestellt waren. Bei Mädchen beginnt der Hypothalamus im Gehirn nun, den Botenstoff GnRH abzugeben und regt so die Hirnanhangsdrüse an, die entscheidenden Steuerhormone des weiblichen Zyklus zu produzieren. Sie sorgen ab diesem Zeitpunkt dafür, dass jeden Monat eine Eizelle in den Eierstöcken heranreift und der gesamte Körper auf eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet ist. So weit, so bekannt.

Individuelles Timing gibt Rätsel auf

Weitaus weniger klar ist aber bisher, was genau bestimmt, wann die Pubertät bei einem Menschen startet. „Wir wissen zwar, dass der Beginn der Pubertät durch viele Gene reguliert wird, aber die Elemente, die diesen Prozess wiederum koordinieren, waren bisher noch nicht bekannt“, erklären Alejandro Lomniczi vom National Primate Research Center in Oregon und seine Kollegen. Denn Gene allein könnten nicht erklären, warum sich das Timing der Pubertät auch durch Umwelteinflüsse wie die Ernährung verändern kann.

Die Forscher vermuteten daher, dass nicht nur das Erbgut selbst, sondern auch seine epigenetischen Anhängsel eine Rolle als Taktgeber spielen könnten. Diese chemischen Anlagerungen an die DNA blockieren dort, wo sie sitzen, das Ablesen von Genen und steuern damit entscheidend die Genaktivität in unseren Zellen. Von ihnen ist zudem bekannt, dass sie durch Umwelteinflüsse verändert werden können. Warum also sollten diese epigenetischen Anlagerungen nicht auch die Aktivität der für die Pubertät nötigen Gene regulieren?

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DNA-Anlagerungen als Pubertäts-Helfer

Um diese Hypothese zu testen, verabreichten die Forscher weiblichen Ratten kurz vor Einsetzen der Pubertät eine Substanz, die sämtliche neuen DNA-Anlagerungen verhinderte. Dann beobachteten sie, ob und wann bei den Ratten die Geschlechtsreife einsetzte. „Die mit diesem Stoff behandelten Tiere kamen nicht in die Pubertät, sie hatten keinen Eisprung und keine zyklischen Hormonschwankungen“, berichten Lomniczi und seine Kollegen. Weitere Untersuchungen enthüllten, dass Eierstöcke und andere Organe durchaus einsatzbereit waren, es fehlte jedoch das auslösende Signal aus dem Hypothalamus.

Um herauszufinden, was dort genau verändert war, verglichen die Forscher nun gezielt die DNA-Anlagerungen in den Hypothalamuszellen von präpubertären und geschlechtsreifen Ratten. Das Ergebnis: Bei den erwachsenen Ratten war ein bestimmter Genkomplex in den Hypothalamuszellen durch Anlagerungen blockiert, bei den jungen Ratten nicht. „Dieser sogenannte PcG-Komplex gilt als Master-Regulator für zahlreiche genetische Programme“, erklären die Forscher. Jetzt zeige sich, dass er in der Kindheit auch das Programm hemme, das die Pubertät auslöse. Denn nur, wenn dieser hemmende Genkomplex bei den Ratten kurz vor Erreichen der Geschlechtsreife durch DNA-Anlagerungen blockiert wurde, konnten die zahlreichen Gene, die die Pubertät auslösen, aktiv werden.

„Dieses Ergebnis belegt, dass die Pubertät nicht nur durch genetische Faktoren gesteuert wird, sondern auch durch epigenetische Veränderungen“, sagen die Forscher. Das sei vermutlich nicht nur bei den Ratten, sondern auch beim Menschen der Fall. Dies aber könnte bedeuten, dass auch Störungen des normalen Reifeprozesses, wie bei einigen Krankheitsbildern der Fall, eine epigenetische Komponente aufweisen.

Alejandro Lomniczi (National Primate Research Center, Oregon) et al.: Nature Neuroscience, doi: 10.1038/nn.3319 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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