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Blumenduft macht Bienen friedlich

Erde|Umwelt

Blumenduft macht Bienen friedlich
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Aggressive Honigbienen auf einem Dummy (Foto: David Vogel, CRCA)
Wenn Honigbienen sich bedroht fühlen oder ihr Alarmpheromon riechen, können selbst die sonst eher friedlichen Insekten aggressiv werden. Doch jetzt haben Forscher ein unerwartetes Besänftigungs-Elixier entdeckt: Bestimmte Blütendüfte hemmen die Aggression der Honigbienen und lösen statt der Stechlust den Futtertrieb aus. Diese Erkenntnis könnte sich künftig ganz praktisch nutzen lassen – für neuartige „Anti-Bienenstich“-Parfums.

Honigbienen kommunizieren untereinander nicht nur mit ihrem bekannten Schwänzeltanz, sondern auch über chemische Signale. Besonders ausgeprägt ist dies in Situationen, in denen der Bienenstock durch Eindringlinge gefährdet ist: „Die Wächterbienen kommunizieren diese Bedrohung, indem sie das Stich-Alarmpheromon freisetzen“, erklären Morgane Nouvian von der University of Queensland in Brisbane und ihre Kollegen. Dies ruft bei den Soldatenbienen aggressives Verhalten hervor und sorgt so für eine Abwehr des potenziellen Feindes: „Sie fliegen aus, bedrohen den Eindringling und stechen ihn dann auch“, so Nouvian. So weit, so bekannt. Bisher nicht geklärt war jedoch, ob diese Duftsignale und die von ihnen hervorgerufenen Reaktionen durch andere Düfte beeinflusst werden können. In ihrer Studie haben die Forscher dies nun ausprobiert.

Blütenduft hemmt Aggression

Im Experiment fingen die Forscher zunächst gezielt einige Wächter- und Soldatenbienen aus einem Bienenstock ein und setzen sie jeweils zu zweit in eine Versuchsarena. In dieser imitierte ein rotierender, dunkler Dummy mit einer an ihm hängenden Feder eine akute Bedrohung. Währenddessen setzte eine Düse entweder nur das Alarmpheromon frei oder aber gleichzeitig einen von neun verschiedenen Duftstoffen, die häufig in Blüten vorkommen. Die Wissenschaftler beobachteten nun, ob und wie schnell die Bienen den dunklen Dummy angriffen und die Feder stachen. Das überraschende Ergebnis: Zwei der getesteten Duftstoffe, Linalool und 2-Phenylethanol, erwiesen sich als effektive Aggressionskiller. Waren diese in der Arena präsent, verhielten sich die Bienensoldaten trotz des Alarmpheromons und des drohenden dunklen Dummys friedlich. Sie griffen deutlich seltener an als in Kontrollversuchen mit nur dem Alarmpheromon, wie die Forscher berichten. Die gleiche Reaktion riefen diese beiden Duftstoffe auch hervor, wenn sie am Flugloch eines Bienenstocks versprüht wurden.

„Offenbar haben spezifische Blumendüfte die Fähigkeit, die Reaktion auf das Alarmpheromon zu unterdrücken“, konstatieren Nouvian und ihre Kollegen. Wie sie erklären, kann dies nicht daran liegen, dass der Blumenduft das Pheromon einfach geruchlich übertönt und kaschiert. Denn um das auszuschließen, hatten die Wissenschaftler im Experiment hundertmal mehr Alarmpheromon freigesetzt als den entsprechenden Blumenduft. Stattdessen lösen die beiden Blumendüfte offenbar widerstreitende Signale im Gehirn aus, wie weitere Versuche enthüllten. Rochen die Bienen nur die Blumendüfte, ohne das Alarmpheromon, lösten einige Duftstoffe instinktiv bei ihnen das Ausrollen des Rüssels aus – das ist in etwa das Äquivalent zum „Wasser im Mund zusammenlaufen“ bei uns Menschen. Am attraktivsten wirkten dabei Linalool und 2-Phenylethanol.

Ansatzpunkt für neuartigen Bienenstich-Schutz

Der Geruch der Blüten aktiviert bei den Bienen den Futtersuch-Modus und macht ihnen sozusagen Appetit – und das blockiert offenbar ihre Aggression. „Indem sie das Futtersuch- und Sammelverhalten auslösen, hindern diese Düfte die Bienen daran, in das Verteidigungsverhalten zu wechseln – selbst wenn sie das Alarmpheromon wahrnehmen“, erklären Nouvian und ihre Kollegen. „Je stärker die appetitanregende Wirkung des Duftes ist, desto geringer ist die Aggression, die das Alarmpheromon auslösen kann.“ Diese Wechselwirkung spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass es im Bienengehirn einen Mechanismus gibt, der verschiedene Düfte und ihre Botschaften gegeneinander abwägt. Und in bestimmten Fällen scheint dabei Futter wichtiger zu sein als die Verteidigung.

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Diese neuen Erkenntnisse geben aber nicht nur einen Einblick in die Wahrnehmung und Verhaltenssteuerung der Honigbienen. Sie könnte auch einen ganz praktischen Nutzen haben. „Denn das aggressive Verhalten von Honigbiene spielt eine wichtige Rolle für die öffentliche Gesundheit: Immerhin 0,3 bis 7,5 Prozent der Bevölkerung reagieren allergisch auf Bienenstiche“, sagen die Forscher. Weiß man nun aber, welche Duftstoffe Honigbienen friedlich stimmen, dann könnte man dies beispielsweise für schützende Mittel nutzen. Auch Imker könnten von einem solchen Duftstoff profitieren.

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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