Bluthochdruck gilt als die Zivilisationskrankheit schlechthin. Eine zu reichhaltige Ernährung und zu wenig Bewegung gelten als hauptsächliche Ursachen dafür, aber auch Lärmbelastung, Stress und das Rauchen tragen dazu bei. Ob und in welchem Maße zu viel Salz zum Bluthochdruck beiträgt, ist dagegen strittig. Es gibt Hinweise darauf, dass eine salzreiche Kost nicht bei jedem zu einer Erhöhung des Blutdrucks führt. Klar scheint dagegen, dass anhaltender Bluthochdruck eine der Hauptursachen für Herz-Kreislauferkrankungen ist. Der erhöhte Blutdruck belastet die Gefäße und schädigt auf Dauer Organe wie Herz, Gehirn und Nieren. Als Folge steigt das Risiko für Schlaganfälle und Herzinfarkt. Als Grenzwert von normalen zu erhöhtem Blutdruck gilt international ein Wert ab 140/90 Millimeter Quecksilber (mm Hg) aufwärts. Ab dieser Schwelle, so vertreten es zumindest die medizinischen Fachgesellschaften, soll das Risiko für Folgeerkrankungen ansteigen und daher eine Behandlung nötig machen. Allerdings: 2012 ergab eine Metastudie der Cochrane Foundation, dass eine generelle Gabe von Blutdrucksenkern bei Menschen mit einem systolischen Blutdruck zwischen 140 und 160 mm Hg keine Gesundheitsvorteile bringt.
Wie sich die Blutdruckwerte der Weltbevölkerung in den letzten 40 Jahren verändert haben, hat nun ein internationales Forscherteam ermittelt. Für ihre Studie werteten sie die Gesundheitsdaten von 19.1 Millionen Menschen in 200 Ländern aus. Die Daten stammen von insgesamt 1479 nationalen und regionalen populationsbasierten Erhebungen bei Über-18-Jährigen. Die Forscher der NCD Risc Factor Collaboration unter Leitung von Majid Ezzati vom Imperial College London ermittelten aus diesen Daten, wie viele Menschen im Jahr 2015 jeweils einen Blutdruck oberhalb des Grenzwertwerts von 140/90 mm Hg hatten und verglichen dies mit den Ergebnissen einer Erhebung aus dem Jahr 1975.
Die meisten Betroffenen leben in Asien
Das Ergebnis: Der Anteil der Menschen mit Bluthochdruck hat sich in den letzten 40 Jahren fast verdoppelt – von 594 Millionen im Jahr 1975 auf 1,13 Milliarden Menschen im Jahr 2015. Ein Teil dieses Anstiegs hängt mit dem heute höheren Anteil älterer Menschen zusammen, aber auch mit einer Zunahme der Weltbevölkerung insgesamt, wie die Forscher erklären. Das eigentlich Überraschende aber ist die Verteilung der Fälle: Bluthochdruck ist längst kein Phänomen der reichen Industrieländer mehr – im Gegenteil. In Europa, den USA und anderen wohlhabenden Staaten ist die Zahl der Betroffenen in den letzten 40 Jahren sogar deutlich gesunken, wie die Forscher berichten. Während 1975 in Ländern wie Deutschland, Norwegen oder Frankreich noch die höchsten durchschnittlichen Blutdruckwerte gemessen wurden, gehören sie heute zusammen mit Kanada, den USA, Südkorea und Singapur zu den Ländern mit den wenigsten Bluthochdruck-Betroffenen. Großbritannien ist sogar das Land mit den wenigsten Betroffenen in Europa. Eine eindeutige Erklärung für diese Abnahme der Fälle haben Forscher bisher nicht. Sie vermuten aber, dass dies zumindest zum Teil einer besseren gesundheitlichen Versorgung, der frühen Erkennung und medikamentösen Behandlung des Bluthochdrucks und der ganzjährigen Verfügbarkeit von frischem Obst und Gemüse zu verdanken sein könnte.
Dafür jedoch hat sich die Zahl der Betroffenen in Entwicklungs- und Schwellenländern dramatisch erhöht. 2015 lebte mehr als die Hälfte der Menschen mit erhöhtem Blutdruck in Asien. Allein in Indien sind 199 Millionen Menschen betroffen, in China sind es 226 Millionen, wie die Studie ergab. Aber auch in Osteuropa und dem südlichen Afrika leiden immer mehr Menschen unter Bluthochdruck. Kroatien, Lettland, Litauen, Ungarn und Slowenien sind weltweit die Länder mit dem höchsten Anteil betroffener Männer, am meisten Frauen sind im Niger, im Tschad, in Mali, Burkina Faso und Somalia betroffen. „Bluthochdruck ist nicht länger ein Problem der westlichen Welt und der wohlhabenden Länder“, sagt Ezzati. „Es ist jetzt ein Problem der ärmsten Länder und Bevölkerungen.“
Der Grund für die Häufung des Bluthochdrucks gerade in ärmeren Ländern sei noch nicht geklärt, sagen die Forscher. „Aber es gibt zunehmende Hinweise darauf, dass eine schlechte Ernährung in der Kindheit das Risiko für erhöhten Blutdruck im späteren Leben erhöht“, berichtet Ezzati. „Das könnte das wachsende Problem in den armen Ländern erklären.“ Auch der mangelnde Zugang zu medizinischer Versorgung, zu viel Salz und zu wenig Obst und Gemüse in der Ernährung spielen vermutlich eine Rolle. Hier seien effektive politische Gegenmaßnahmen gefragt, meint Ezzati.