Immer mehr Menschen in den Industrienationen erleben, was es heißt zu altern. Der Vorgang, bei dem die Organe des Körpers allmählich ihre Funktion verlieren, ist bisher unumkehrbar. Manche – wie Augen und Ohren – werden nur leistungsschwächer. Bei anderen sind die Ausfälle schlimmer: Das Immunsystem vergißt sogar seine Aufgabe und greift den eigenen Körper an. Rheumatismus ist die häufigste Folge dieser Selbstzerfleischung.
Die Veränderungen machen sogar vor den kleinsten Bausteinen des Körpers nicht halt: den Eiweißen, den Fetten und den Nukleinsäuren, den Trägern der Erbinformation DNA: Eiweiße reagieren auf verhängnisvolle Art mit den Zuckermolekülen im Körper. Sie “karamelisieren” – wie bei der Bonbonherstellung – und werden unbrauchbar. Die verzuckerten Proteine bilden sinnlose Batzen, welche die Gelenke versteifen, die Augenlinsen trüben und die Arterien verstopfen. Zugleich stellt der Körper immer weniger neue Eiweiße her. Im hohen Alter sind schließlich fast die Hälfte aller Proteine geschädigt.
Einzelne Gene sind wahrscheinlich nur ein Teil der gesamten Alterungsmaschinerie. Einige Forscher schätzen, daß bis zu 7000 Gene daran beteiligt sind. Wer sie startet, und wie sie miteinander gekoppelt sind, ist bis heute unklar. Die Forscher haben immerhin zwei “biologische Uhren” entdeckt, die das Lebensalter mitbestimmen:
– Die Telomere, kleine Abschnitte am Ende jedes Chromosoms. Für jede Zellteilung wird ein Satz Telomere verbraucht. Wenn die Zelle alle Kopierabschnitte aufgebraucht hat, beginnt sie zu altern und stirbt. – Der Stoffwechsel selbst. Jedes Lebewesen scheint für eine bestimmte Stoffwechselleistung programmiert zu sein – ähnlich wie ein Auto eine gewisse Kilometerleistung erbringen soll. Ein Auto, das wenig fährt, verschleißt auch weniger.
Mit einem Stoffwechseltrick kann man sogar bei höheren Lebewesen ohne irgendwelche Mutationen eine längeres Leben herbeiführen. Der amerikanische Mediziner Prof. Richard Weindruch von der Universität Wisconsin setzt Mäuse und Ratten dazu auf eine Radikaldiät. Die Tiere erhalten nur noch zwei Drittel der normalen Kalorienzufuhr, aber alle notwendigen Spurenelemente und Vitamine. Die mageren Tiere leben gut ein Drittel länger als ihre wohlgenährten Artgenossen. Da in ihren Zellen weniger Nahrung verarbeitet wird, bilden sich auch weniger schädliche Stoffwechselprodukte, zum Beispiel freie Radikale. Zu den vielen irreparablen Schäden an Proteinen, DNA und Mitochondrien kommt es bei ihnen sehr viel später. Andererseits verspüren sie keine große Lust, sich fortzupflanzen.
Doch bei allen Tricks läßt sich das Leben nicht beliebig verlängern. “Um es deutlich zu sagen: Es ist nicht so, daß die Menschen viel älter werden als früher”, stellt Prof. Roland Prinziger fest, vom zoologischen Institut der Universität Frankfurt. “Es haben nur mehr Menschen die Chance, tatsächlich 80 oder 90 Jahre alt zu werden.”