Kanadische Biologen haben auf der indonesischen Insel Sulawesi Nagetiere entdeckt, die sich in kurioser Weise von allen ihren Verwandten unterscheiden: Sie können weder nagen noch kauen. Offenbar brauchen sie das auch nicht, denn die rattenartigen Tiere ernähren sich nur von Regenwürmern. Die Wissenschaftler gaben ihnen den Namen Paucidentomys vermidax. Sie repräsentieren nun eine eigene Gattung innerhalb der Nagetiere.
Mehr als 40 Prozent aller Säugetiere auf unserem Planeten sind Nagetiere, das entspricht mehr als 2.200 Arten. Sie zeichnen sich durch ihre Nagezähne und viele Backenzähne aus, mit denen sie ihre Nahrung kauen können. Umso größer war die Überraschung der Forscher um Jacob Esselstyn von der kanadischen McMaster University, im Regenwald Sulawesis eine neue Gattung von Ratten zu entdecken, die keine Backenzähne und nur vier rudimentäre Nagezähne besitzt. ?Durch den Verlust aller Zähne bis auf ein Paar ungewöhnlich geformte Schneidezähne, mit denen sie unmöglich nagen können, ist diese neue Gattung etwas einmaliges unter den Nagetieren?, erläutert Anang Achmadi, der bei der Entdeckung dabei war.
Der wissenschaftliche Name, den die Forscher dem skurrilen Tier gaben, bedeutet so viel wie ?Maus mit wenig Zähnen? (Paucidentomys) und ?Wurmfresser? (vermidax). Sie sind im Verhältnis zu anderen Arten aus der Gruppe der Rattenartigen mittelgroß, haben eine sehr lange Schnauze, kleine Augen, große Ohren, ein weiches Fell und einen sehr langen, dicken und haarigen Schwanz.
Die Wissenschaftler untersuchten den Magen eines Tieres und fanden dabei nur Regenwürmer. Deshalb gehen sie davon aus, dass sich Paucidentomys vermidax generell nur von Regenwürmern ernährt. ?Dieses Beispiel zeigt wie Arten, wenn sich ihnen neue ökologische Nischen bieten, Merkmale verlieren, die vorher sehr nützlich waren?, so Kevin Rowe, einer der Autoren der Studie. Durch die ausschließliche Ernährung von dem weichen Getier waren Backenzähne und acht Schneidezähne irgendwann einfach nicht mehr nützlich für diese Tiere und verschwanden im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte.
Rowe zufolge erinnert der Fund daran, dass es trotz des weltweiten Rückgangs der Arten immer noch neue zu entdecken gibt. ?Da draußen gibt es noch viele Lebensräume, in denen es Wesen gibt, die nur darauf warten, erforscht zu werden?, sagt Rowe.
Jacob Esselstyn (McMaster University, Canada) et al.: Biology Letters; doi: 10.1098/rsbl.2012.0574 © wissenschaft.de – Gesa Seidel