Vor rund 27.000 Jahren wollte ein Riesenfaultier nur ein wenig Wasser trinken. Doch das Wasserloch – eine Cenote in der Gegend des heutigen Belize – erwies sich als Todesfalle: Die steilen, tiefen Wände hinderten Eremotherium laurillardi trotz seiner stattlichen Körpergröße von rund vier Metern am Herausklettern. So traurig dieses Ende für das Riesenfaultier war, so glücklich macht es nun jedoch Paläontologen. Denn anhand der Knochen und Zähne dieses Eiszeit-Riesen konnten sie nun mehr über dessen Lebensweise und das Klima zu seiner Zeit herausfinden.
Sie wurden bis zu sechs Meter lang, wogen fünf Tonnen und stapften manchmal sogar auf zwei Beinen durch die Landschaft: Riesenfaultiere der Gattung Eremotherium laurillardi gehörten zu den größten Säugetieren des urzeitlichen Nord- und Südamerika. Die großen Pflanzenfresser besiedelt gut 2,5 Millionen Jahre lang verschiedene Lebensräume des amerikanischen Kontinents, bis sie dann am Ende der letzten Eiszeit, vor rund 12.000 Jahren, verschwanden. Warum die Riesenfaultiere und mit ihnen viele anderer Vertreter der eiszeitlichen Megafauna ausstarben, ist jedoch bis heute strittig. Einige Forscher geben einem Klimawechsel die Schuld, andere vermute, dass die Jagd durch die immer zahlreicher werdenden Ureinwohner Amerikas die Tiere dezimierte und schließlich ausrottete.
Tod in der Cenote
Jetzt hat ein Zufallsfund in Belize Forschern neuen Einblicke in das Leben und die Umweltbedingungen der Riesenfaultiere gegeben. Im Jahr 2014 untersuchten Taucher eine Cenote im Waldgebiet von Cara Blanco in Zentralbelize. Der Kalksteinuntergrund dieses Karstgebiets ist von zahlreichen Höhlen und Senklöchern durchzogen. Cenoten entstehen, wenn die Decke einer wassergefüllten Höhe einbricht und so ein tiefes, durch steile Wände begrenztes Wasserloch entsteht. Die Maya nutzten diese Cenoten zur Trinkwasserversorgung, einige dieser Wasserlöcher wurden aber auch als Opferstätten für die Götter oder sogar als Friedhöfe genutzt. Deshalb hofften die Taucher, auch in der Pool 1 getauften Cenote Maya-Objekte zu finden. Stattdessen jedoch stießen sie auf einen wahren Schatz an Fossilien. Eine gut fünf Meter dicke Schicht war mit Knochen und Schädeln von Vertretern der eiszeitlichen Megafauna gespickt.
Unter diesen Fossilien waren auch Überreste eines Eremotherium-Riesenfaultiers. Seine Knochen und Zähne haben nun Jean Larmon von der University of Illinois in Urbana-Champaign näher untersucht. Erste Datierungen ergaben, dass dieses Tier vor rund 27.000 Jahren in der Cenote starb – höchstwahrscheinlich unter tragischen Umständen. “Das Riesenfaultier kletterte vermutlich zum Waser hinunter um zu trinken, wahrscheinlich während einer Trockenperiode”, berichten die Forscher. Doch weil das Wasserloch mehr als 62 Meter tief ist und schon damals steile Wände hatte, kam das Faultier nicht mehr heraus. “Es war im Senkloch gefangen und wurde dann im Laufe der Zeit von Tonsedimenten bedeckt, die sich auf dem Wandvorsprung ablagerten”, erklären Larmon und sein Team. “Angesichts der fossilübersäten Schicht, die die gesamte Cenote umringt, erlitt offenbar eine große Zahl von Megafauna-Vertretern das gleiche Schicksal.”
Gut an wechselnde Bedingungen angepasst
Doch so unschön dieser Tod am Wasserloch für das Riesenfaultier war, den Forschern eröffnete er die Chance, mehr darüber zu erfahren, was Eremotherium laurillardi in seinen letzten Monaten gefressen und in was für einer Umwelt er gelebt hat. Um das herauszufinden, analysierten die Forscher die Verhältnisse von Kohlenstoff- und Sauerstoffisotopen im Zahnmaterial des Faultiers. Der Anteil des Isotops Kohlenstoff-13 verrät, ob das Tier zu Lebzeiten eher an Trockenheit und Hitze angepasste Gräser und andere sogenannte C4/CAM-Pflanzen gefressen hat oder aber eher die an gemäßigtes, feuchteres Klima angepassten C3-Pflanzen. Das Verhältnis der Sauerstoffisotope O-18 zu O-16 erlaubt dagegen Rückschlüsse auf Temperaturen und Niederschläge zur Lebenszeit des Tieres. “Das erlaubte es uns, erstmals die jahreszeitlichen Veränderungen des Klimas und der Ernährung eines solchen Riesenfaultiers nachzuvollziehen”, sagt Larmons Kollege Stanley Ambrose.
Das Ergebnis: Die Isotopenanalysen enthüllte, dass das Riesenfaultier in einem Gebiet mit stark unterschiedlichen jahreszeitlichen Bedingungen lebte: Etwa sieben Monate lang regnete es kaum, es herrschte ein eher warmes und trockenes Klima. Unterbrochen wurde diese Trockenzeit von zwei kurzen Regenzeiten. Für Eremotherium laurillardi bedeutet dies, dass es seine Ernährung entsprechend anpassen und jeweils umstellen musste – und dies auch tat, wie die Isotopenwerte belegen. Während der Trockenzeit fraß das Tier vorwiegend die Gräser und hitzebeständigen Gewächse, die in der Savanne seines Lebensraums wuchsen. In der Regenzeit dagegen schlemmte es die reichhaltigeren und saftigeren C3-Pflanzen, die nach den ersten Regenfällen aus dem Boden schossen.
“Das zeigt uns, dass diese gewaltige Kreatur sich sehr gut auf das trockene, wechselnde Klima einstellen konnte – es passte seine Ernährung an das Futter an, das gerade verfügbar war”, sagt Larmon. “Diese vielseitige Ernährung könnte auch erklären, warum sie so lange Zeit überlebten und in einem so riesigen Gebiet vorkamen.” Damit wecken diese neuen Ergebnisse jedoch auch Zweifel daran, dass ein Klimawechsel allein am Aussterben der Riesenfaultiere schuld gewesen sein könnte. Möglicherweise trug doch die Jagd durch die Vorfahren der Indianer zu ihrem Ende bei.
Quelle: Jean Larmon (University of Illinois, Urbana-Champaign) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aau1200