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Das Vermächtnis von Klonschaf Dolly

Erde|Umwelt Kommentare

Das Vermächtnis von Klonschaf Dolly
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Gleich aussehende Schafe (Foto: Gina Guarnieri/iStock)
1996 und 2006. Zwei Daten, die noch lange nachwirken. 1996 kam erstmals ein geklontes Tier auf die Welt, das Klonschaf Dolly. Und 2006 beförderte der japanische Molekularbiologe Shinya Yamanaka erwachsene und differenzierte Zellen zurück in ihren embryonalen Urzustand – was ihm den Nobelpreis einbrachte. Man sprach von induzierten pluripotenten Stammzellen – abgekürzt iPS. Seit 2014 werden sie eingesetzt, um etwa Menschen zu helfen, die einmal unter einer altersbedingten Blindheit leiden werden. Das Klonschaf ist inzwischen tot, die Debatte über das, was die Biowissenschaften da zustande bringen (können, dürfen, sollen), läuft weiter.

Dolly – einen hübschen Namen hatte das 1996 im Roslin Institut der University of Edinburgh erschaffene Klonschaf bekommen. Trotzdem hat keiner den schönen Song „Helly Dolly“ angestimmt, mit dem Louis Armstrong einst ein Mädchen begrüßte und seine Fans beglückte. Von einer Willkommenskultur konnte keine Rede sein. Viele Skeptiker der neuen Lebenswissenschaften oder gar ausgemachte Gegner der Wissenschaft an sich fingen an, mit erhobenem Zeigefingern die Gefahren zu schildern, die drohen, wenn Menschen so tief und gezielt in die Schöpfung eingreifen. So wie Ian Wilmut und seine Kollegen in Schottland.

Erst klont man Schafe und dann den Menschen – warnten Skeptiker in vielen Kommentaren und Ablehnungen. Sie fühlten sich noch gestärkt, als Dolly 2003 starb und nicht sehr alt geworden war. Offenbar weil das berühmte Schaf ziemlich große arthritische Probleme bekam und womöglich wenig Freude an seinem Dasein fand. Also – gesund leben konnte das Klontier nicht, was die Frage mit sich brachte, wozu man es überhaupt brauchte.

Klonen? Impossible!

Ian Wilmut hat es kürzlich erneut in einem Interview gesagt, das in der britischen Zeitschrift New Scientist erschienen ist (Ausgabe vom 30. April 2016, S. 40). Er interessierte sich für „gene targeting“, damit ist das Einfügen von Genevariationen in ein Lebewesen gemeint, die es dem Organismus erlauben, gezielt ausgewählte Proteine wie Antikörper herzustellen, die therapeutischen Zwecken dienen. Im Laufe der Arbeiten brachten die schottischen Genetiker zwar Schafe zustande, die die anvisierten Proteine in ihrer Milch aufwiesen, aber unter den Kollegen kursierte damals das Diktum, dass das Klonieren von Säugetieren durch den Transfer des Zellkerns einer Körperzelle in eine Keimzelle, die sich dann entwickeln sollte, ausgeschlossen sei – „impossible“, wie Wilmut sich erinnert.

Doch Wissenschaftler, die ein Ziel vor Augen haben, erweisen sich als hartnäckig, stur und sie hoffen auf unerwartete Hilfe. Sie traf für Wilmuts Team in Form eines Unternehmens namens PPL Therapeutics ein, das Kulturen von Zelllinien angelegte. An Weihnachten 1995 erörterten die Schotten den Zelltyp, mit dem man das Experiment unternehmen wollte. Im Laufe des Jahres 1996 wurden 277 Eizellen mit neuem Kernmaterial bestückt, von denen sich 29 Embryonen in Leihmüttern entwickelten.

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Eine davon brachte Dolly zur Welt, und während Wilmut und sein Team noch rätselten, ob sie die Biologie, die hinter all dem steckt, überhaupt verstanden hatten – Wilmut meint, dies bis heute nicht geschafft zu haben –, brach der Medienrummel los. Viele Kommentatoren sahen schon überall geklonte Menschen herumlaufen und bemerkten dabei nicht, dass das Hindernis auf diesem schöpferischen Weg nicht in technischen Details des Kerntransfers oder in anderen molekularbiologisch-genetischen Raffinessen steckte, die Wissenschaftler vor zu große Probleme stellen würden.

Das eigentliche Problem

Was die Welt daran hindern sollte und wird, Menschen zu klonieren, kann man sich einfach ausmalen, wenn man fragt, wen man dazu auswählen soll. In Umfragen tauchen häufig die Namen Marilyn Monroe und Albert Einstein auf, und niemand denkt daran, dass die Schauspielerin Selbstmord begangen hat, was nicht nachahmenswert zu sein scheint. Und der Physiker wünschte sich am Ende seines Lebens, als Hausierer zu leben.

Wer an Menschenklone denkt, sollte auch bedenken, dass moralisches Verhalten unter der Spezies Homo sapiens dann einsetzt, wenn jemand das Individuelle eines Gegenübers wahrnehmen kann. Soldaten werden deshalb in Uniformen gesteckt, damit ihre Moral-Schwelle sinkt. Wenn man sich nun vorstellt, durch eine Innenstadt zu laufen und einem Haufen geklonter Einsteins, Mozarts (auch ein unglückliches Genie) und anderer Traumfiguren zu begegnen, dann muss man sich zugleich vorstellen, dass der moralische Kompass eines Menschen dabei ausgeschaltet wird. Uniformität bringt Angst und macht aggressiv, und es würde nicht lange dauern, bis man Klone umbringt, sogar die eigenen. Deshalb sollte niemand versuchen, sie überhaupt zu machen. Der frühe Tod hat ja bereits Dolly ereilt.

© wissenschaft.de – Ernst Peter Fischer
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