Warum wir bisher im Kampf gegen den Klimawandel gescheitert sind? Vor allem, glaubt Jonathan Franzen, weil es eine Kopfsache ist. Ein langfristiges Projekt, das über den unmittelbaren Erfahrungshorizont der Menschen hinausgeht. Wir können zwar intellektuell begreifen, dass wir alle unseren Lebenswandel ändern müssen. Doch der Einzelne, der sein Verhalten tatsächlich ändert, kann keine positiven Folgen sehen, hören, spüren.
Franzens Rede anlässlich der Euronatur-Preisverleihung war denn auch ein Plädoyer, angesichts der globalen Umweltprobleme nicht die Welt vor der eigenen Haustür aus dem Blick zu verlieren – hier, vor Ort, seien konkrete, ermutigende Erfolge möglich. „Der bedeutungsvollste Naturschutz ist lokal“, sagte Franzen. Wenn die noch vorhandenen Naturräume nicht geschützt würden, sei selbst ein möglicher Erfolg im Kampf gegen die Klimaerwärmung am Ende wenig wert.
In den Feuchtgebieten entlang des Adriatic Flyway machen Zugvögel, wie der Rotschenkel, Rast. Allzu oft fallen sie dort der Vogeljagd zum Opfer. (Foto: Joanneum/ Peter Sackl)
Den Euronatur-Preis 2015, den der US-Schriftsteller am 14. Oktober auf der Bodenseeinsel Mainau entgegennahm, ist eine Auszeichnung für sein zwar nicht gerade lokales, aber doch regional klar umgrenztes Naturschutz-Engagement. Franzens Reportagen über die Zugvogeljagd im Mittelmeerraum haben die Bedrohung der europäischen Wildvögel weltweit ins Bewusstsein gerückt: Allein in den fünf Ländern entlang der Adria-Zugroute Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Albanien und Montenegro werden jedes Jahr über zwei Millionen Vögel geschossen.
Weitere Schwerpunkte der Jagd sind Südspanien, Süditalien, Malta und Ägypten. Vor seinen Veröffentlichungen sei die mediterrane Vorliebe für die Vogeljagd in den USA weitgehend unbekannt gewesen, erklärte Franzen. „In Nordamerika käme niemand auf die Idee, kleine Vögel zu jagen.“
Erfolg 2014: Jagdbann in Albanien
Eine ganz konkrete Folge zeitigte Franzens Reportage „Last Song for Migrating Birds“, die 2013 im Magazin National Geographic veröffentlicht wurde. Anfang 2014 erließ die albanische Regierung einen zweijährigen Jagdbann – ein spektaktulärer Erfolg, der den Zugvögeln zumindest eine Verschnaufpause verschafft. Der Anteil, den Franzens Text an dieser Entscheidung hatte, sei gar nicht zu überschätzen, sagte Euronatur-Geschäftsführer Gabriel Schwaderer in seiner Laudatio.
Wo sich der Löffler aufhält, sind die Feuchtgebiete intakt. Doch auf ihren Zugwegen sind auch sie großen Gefahren ausgesetzt. (Foto: Hermann Brehm)
Womöglich werden bald weitere gute Nachrichten aus Albanien folgen. Derzeit werde diskutiert, das Jagdmoratorium um zwei weitere Jahre zu verlängern, so Schwaderer: „Jonathan Franzen macht uns mit seinem Werk Mut.“
Der Preis der Euronatur-Stiftung wird seit 1992 verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern gehören der frühere Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow, der Filmregisseur und Produzent Roland Emmerich und Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister und von 1998 bis 2006 Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP).
