Die Zunge wird schwer, Koordination und Reaktionsvermögen lassen nach ? die meisten Menschen kennen diesen typischen Effekt übermäßigen Alkoholkonsums. Wie genau diese Wirkung entsteht, ist allerdings noch weitestgehend unerforscht. Australische Wissenschaftler sind dem Rätsel nun ein Stückchen näher gekommen: Neben dem direkten Effekt auf Nervenzellen ist möglicherweise das Immunsystem für die körperlichen Reaktionen auf das Genussmittel verantwortlich. Diesen Zusammenhang legen Untersuchungen an Mäusen nahe. Wahrscheinlich seien die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar, sagen die Forscher um Mark Hutchinson von der University of Adelaide.
Im Fokus der Forscher stand ein zelluläres Signalsystem, das auf der Funktion eines bestimmten Rezeptors beruht, dem TRL4. Von diesem Kommunikations-Baustein ist bereits eine Rolle im Rahmen des Immunsystems bekannt. Ob er auch im Zusammenhang mit der Wirkung von Alkohol steht, wollten die Forscher mit ihren Versuchen nun herausfinden. Dazu verglichen sie drei Gruppen von Versuchstieren miteinander: Mäuse mit durch Medikamente blockierten Rezeptoren, genetisch veränderte Mäuse, die den betreffenden Rezeptor gar nicht mehr besitzen sowie völlig unveränderte Mäuse. Allen Versuchstieren verpassten die Wissenschaftler eine Dosis Alkohol und dokumentierten anschließend die körperlichen Auswirkungen.
Ergebnis: Die Tiere, bei denen der Rezeptor blockiert oder nicht vorhanden war, reagierten sehr viel schwächer auf Alkohol. Daraus schließen Mark Hutchinson und seine Kollegen, dass dem Rezeptor eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der typischen Trunkenheits-Symptome zukommt. Die zuvor bekannte Funktion im Rahmen des Immunsystems legt darüber hinaus nahe, dass es Querverbindungen zwischen Immuneffekten und der Alkohol-Wirkung auf das menschliche Empfinden und Verhalten geben könnte, so die Forscher.
?Es ist ganz erstaunlich, dass wir trotz der langen Tradition des Alkoholkonsums und mehreren Jahrzehnten Forschung zum Einfluss von Alkohol auf Nervenzellen immer noch nicht herausgefunden haben, welche Mechanismen genau hinter der Trunkenheit stecken?, betont Mark Hutchinson. Das aktuelle Ergebnis liefere nun einen neuen Ansatzpunkt für die Untersuchung des Effekts von Alkohol auf Gehirnregionen, die für Wahrnehmung, Belohnung und Angst zuständig sind. Die daraus resultierenden Erkenntnisse könnten beispielsweise in Medikamente und Therapien bei Alkoholsüchtigen münden, glauben die Wissenschaftler.
Yue Wu (University of Adelaide, Australien) et al.: British Journal of Pharmacology, doi: 10.1111/j.1476-5381.2011.01572.x Subhash Panday (University of Illinois, Chicago): British Journal of Pharmacology, doi: 10.1111/j.1476-5381.2011.01695.x wissenschaft.de ? Marion Martin