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Die Kratz-Infektion

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Die Kratz-Infektion
Jucken wirkt ähnlich ansteckend wie Gähnen: Wenn man jemand anderen beim Kratzen beobachtet, löst das Gehirn Juckreize aus oder verstärkt bereits vorhandene, so dass man sich häufiger kratzt. Das hat ein Forscherteam um Gil Yosipovitch vom Wake Forest Baptist Medical Center in Winston-Salem beobachtet. Der Effekt ist bei Menschen mit einer juckenden Hauterkrankung deutlich stärker ausgeprägt als bei Gesunden, entdeckten die Forscher außerdem. Yosipovitch und sein Team hoffen, aus den Ergebnissen in Zukunft Methoden ableiten zu können, mit denen das Bedürfnis, sich zu kratzen, reduziert werden kann.

Wer einen Mitmenschen beim Gähnen beobachtet, muss automatisch mitgähnen – ein Phänomen, das bereits häufig Gegenstand von Studien war. Ein ähnlicher Ansteckungseffekt tritt auch auf, wenn jemand anfängt, sich zu kratzen. Dieses Verhalten lasse sich zwar ähnlich wie das ansteckende Gähnen ebenfalls im Alltag beobachten, berichten Yosipovitch und seine Kollegen. Es sei bisher aber noch nicht im Detail untersucht worden, was sie nun nachholen wollten.

An ihrer Studie nahmen 14 Gesunde und 11 Patienten mit Neurodermitis teil. Bei dieser Hauterkrankung kommt es zu geröteten, schuppenden Ekzemen an verschiedenen Stellen des Körpers, die mit starkem Juckreiz verbunden sind. Dieser führt häufig zu einem Teufelskreis, da die Patienten das starke Bedürfnis haben, sich zu kratzen, was aber den Juckreiz weiter verstärkt. Den Teilnehmern der Studie wurde nun entweder Histamin, das an der Entstehung von Allergien beteiligt ist und ebenfalls Juckreiz auslösen kann, oder eine einfache salzhaltige Lösung auf den Unterarm gegeben. Anschließend sahen sie mehrere kurze Videoclips, in denen sich jemand kratzte oder einfach ruhig dasaß. Dabei wurden sie selbst auf Video aufgenommen. Befragung

Die Analyse der Videoaufzeichnungen ergab, dass sich die Probanden besonders häufig kratzten, wenn sie eine andere Person beim Kratzen beobachteten – und zwar auch dann, wenn ihnen lediglich Salzwasser auf den Arm geträufelt worden war. Sie kratzten sich zudem nicht nur am Arm, sondern an ganz unterschiedlichen Stellen des Körpers, unabhängig davon, wo sich die Person im Video gerade kratzte. Zudem empfanden die Testteilnehmer laut Befragungen den Juckreiz, der durch das Histamin ausgelöst wurde, beim Anblick von sich kratzenden Menschen als intensiver. Alle Reaktionen waren bei den Patienten mit Neurodermitis stärker ausgeprägt als bei der Kontrollgruppe. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass wir uns ziemlich leicht suggerieren lassen, es würde jucken“, sagt Alexandru Papoiu, einer der Co-Autoren der Studie. Allein der Anblick einer typischen Reaktion auf einen Juckreiz löse demnach offenbar eine starke Reaktion im zentralen Nervensystem aus.

Im nächsten Schritt wollen die Forscher nun untersuchen, was im Gehirn beim Anblick von Kratzbewegungen genau passiert, indem sie die Gehirnaktivität der Probanden mit der Magnetresonanztomographie (MRT) aufzeichnen. Yosipovitch und sein Team hoffen, dadurch die Kratzreaktion besser zu verstehen und so auch Techniken entwickeln zu können, mit denen sich diese vermindern lässt. So könnten zum Beispiel Entspannungstechniken, Meditation oder bestimmte Medikamente dazu beitragen, die Aktivität in den Hirnregionen zu verringern, die für das Jucken und das Kratzen verantwortlich sind.

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Gil Yosipovitch (Wake Forest Baptist Medical Center, Winston-Salem) et al: The British Journal of Dermatology, doi: 10.1111/j.1365-2133.2011.10318.x dapd/wissenschaft.de – Christine Amrhein
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