Krallenaffen sind besonders sozial, weil sie eine spezielle Form der Verwandtschaft kennen: Die in der Regel als zweieiige Zwillinge zur Welt kommenden Äffchen tragen meistens in einigen Teilen ihres Körpers das Erbgut ihres Zwillingsgeschwisters in sich. In einigen Fällen geben sie die fremde Erbinformation sogar an ihre Nachkommen weiter, konnten amerikanische Wissenschaftler nun mit DNA-Tests nachweisen. Wie die Forscher vermuten, erklären die engen Verwandtschaftsverbindungen die Fürsorglichkeit der Krallenaffenmännchen, die sich nicht nur um den eigenen Nachwuchs kümmern, sondern auch um den ihrer Freunde.
Es ist bekannt, dass Krallenaffen meistens auch Blutzellen besitzen, in denen die Erbinformation ihrer Zwillingsgeschwister gespeichert ist. Solche Lebewesen, die nicht im ganzen Körper das gleiche Erbgut tragen, werden
Chimären genannt und entstehen, wenn es bei der frühen Entwicklung im Mutterleib zu einem Austausch von Körperzellen zwischen Zwillingsgeschwistern kommt. Das Forscherteam um Corinna Ross untersuchte nun die in Brasilien beheimatete Krallenaffenart namens Kuhls Büschelaffe mit genetischen Methoden ? ähnlich dem Vaterschaftstest bei Menschen.
Dabei konnten die Wissenschaftler zeigen, dass sich der Chimärismus bei diesen Tieren nicht auf das Blut und die Leber beschränkt: Bei rund der Hälfte der untersuchten Tiere fanden die Forscher fremdes Erbgut in weiteren Körperorganen oder Keimzellen wie Spermien und Eiern. So geben die Büschelaffen mitunter statt ihrer eigenen die Erbinformation ihrer Geschwister an die Nachkommen weiter, wie die Forscher in fünf von fünfzehn untersuchten Familien nachweisen konnten. Die Männchen sind sich also im Unklaren über ihre Vaterschaft, doch sie erkennen sich mitunter in den Nachkommen ihrer Brüder. Laut den Wissenschaftlern könnte dies das äußerst soziale Verhalten der Krallenaffen erklären, welche die meiste Zeit des Tages mit der gegenseitigen Körperpflege verbringen, und besonders die Fürsorge der Männchen, die sich ausgiebig um den Nachwuchs der ganzen Sippe kümmern.
Während Blutchimärismus auch bei anderen Säugetieren und dem Menschen vorkommt, ist die Weitergabe von chimärer Erbinformation an die Nachkommen bei keiner anderen Affenart bekannt. Von früheren Untersuchungen wissen Forscher, dass etwa Rinder, Katzen und auch Menschen mit chimären Geschlechtszellen in der Regel nicht fruchtbar sind.
Corinna Ross (University of Nebraska, Lincoln) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI 10.1073/pnas.0607426104 ddp/wissenschaft.de ? Fabio Bergamin