Zwei Entwicklungen sind es, die inzwischen auch bei politisch Verantwortlichen die Alarmglocken haben läuten lassen: Zum einen treten weltweit neue Infektionskrankheiten auf (Ebola, Hanta), zum anderen widerstehen lange Zeit gut behandelbare Krankheitserreger zunehmend den Medikamenten, und als Folge davon tauchen alte Seuchen wieder auf: 1995 erkrankten 200000 Menschen an Cholera, 5000 starben, es gab 9 Millionen Tuberkulose-Kranke (12000 in Deutschland) und 3 Millionen Todesopfer weltweit, 6,4 Millionen Menschen litten an Lepra, die Zahl der Diphtherie-Kranken in Osteuropa stieg von 1700 im Jahr 1990 binnen fünf Jahren auf 50000.
Etwa 30 neue Viren und Bakterien wurden in den letzten 20 Jahren entdeckt , darunter EHEC. Ins Arsenal von EHEC gehören Proteine, mit denen sich die Mikrobe wie eine Klette an die Zellen ihrer Opfer heftet, andere, die sie umweltbeständig machen, und schließlich solche, die weiße und rote Blutzellen zerstören.
Zu den Viren, die sich nie ausrotten lassen werden, gehören die Grippe-Erreger, die auch in Deutschland schon Tausende das Leben gekostet haben. Grippe-Viren kommen außer beim Menschen auch bei anderen Säugetieren vor – etwa bei Robben und Schweinen -, aber auch bei Vögeln. In denen erproben sie ständig neue Eigenschaften. Immer wieder gelangen neue Varianten von den Tieren in die Menschen, die dann neue Impfstoffe dagegen entwickeln müssen. Das Aids-Virus ist noch wandlungsfähiger, und es braucht dazu nicht einmal die Tiere als Bioreaktor: Es verändert sich unablässig, tauscht mit anderen Viren neue Erbinformationen aus und ist mit Impfstoffen bisher nicht dauerhaft in Schach zu halten.
Immerhin gibt es ein paar neue Ansätze. Mit 32 Millionen Mark jährlich fördert das Wissenschaftsministerium den Forschungsschwerpunkt “Infektionskrankheiten”. In derzeit 140 Projekten wird die Grundlagenforschung gestärkt. In einer konzertierten Aktion wollen das Bundesgesundheitsministerium, die Bundesländer und das Robert-Koch-Institut in Berlin Vorsorge und Überwachung von Infektionskrankheiten verbessern.
Den Anfang macht in Deutschland und Europa ein Register, das in Zukunft alle EHEC-Infektionen für ein Frühwarnsystem erfassen soll. Weltweit wird “WHONET” arbeiten, ein Informationsnetz der WHO, das schon bald einen globalen Überblick über alle neuen Antibiotikaresistenten Bakterien gibt. Damit kann Dr. Sisyphus den Felsen vielleicht einmal abfangen, ehe er bis ganz nach unten gerollt ist.