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Dinosaurier: Gefiederte Siegertypen

Erde|Umwelt

Dinosaurier: Gefiederte Siegertypen
Dinosaurier waren keine plumpen Verlierer der Evolution, sondern Gewinner mit außerordentlichen Fähigkeiten.

Museumsbesucher reiben sich verwundert die Augen: Ihre geliebten Dinos sehen plötzlich ganz anders aus. Velociraptor, der im Filmklassiker „Jurassic Park“ als springlebendiges Schuppentier für Gänsehaut sorgte, gleicht im Schweizer Sauriermuseum Aathal einem verunglückten Strauß mit Stummelflügeln und Krokodilschnabel. Deinonychus, die mannshohe „ Schreckenskralle“, die noch vor wenigen Jahren als nackter Räuber durch die Biologiebücher geisterte, trägt im Stuttgarter Museum für Naturkunde ein Daunenkleid und eine Irokesen-Frisur aus Federborsten.

Immer mehr Nachbildungen, die bislang von einer schuppigen Reptilienhaut überzogen waren, bekommen bunte Federn und Vogelschwänze verpasst. Auch die fossilen Knochen geraten in Bewegung. Im Berliner Museum für Naturkunde werden zurzeit die versteinerten Reste eines Brachiosaurus, der seit Jahrzehnten fest verdrahtet den Sauriersaal beherrschte, neu zusammengesetzt. Das Riesenskelett reckt seinen meterlangen Hals künftig weit nach oben, hebt seinen Schwanz über den Boden und drückt die einstigen O-Beine durch.

Die Evolution findet in den Studierstuben statt. Zahlreiche Fossilienfunde und neue Untersuchungsmethoden haben das Bild der Dinosaurier gründlich verändert. Aus wechselwarmen Tölpeln, die ihr Gewicht nur im Wasser tragen konnten und nicht einmal zum Überleben taugten, sind „Erfolgsmodelle“ der Natur geworden, wie es im Begleittext zur Stuttgarter Ausstellung heißt. Experten sind inzwischen davon überzeugt, dass die meisten der Urtiere warmblütig, flink, gefiedert und in mancherlei Hinsicht – etwa bei der Atmung – den Säugetieren überlegen waren. Saurier drückten dem gesamten Erdmittelalter ihren Stempel auf, einem Zeitraum von fast 200 Millionen Jahren – während der Mensch, der sich gern als die Krone der Schöpfung sieht, es bislang erst auf wenige Jahrmillionen gebracht hat.

Beim Zurechtrücken der Vergangenheit blieben viele Schulweisheiten auf der Strecke: Dinosaurier gelten nicht länger als ausgestorben, sondern leben in Rotkehlchen, Amseln und allen anderen Vogelarten weiter. „Sie wurden nur vorübergehend stark dezimiert“, wie es Saurier-Experte Rainer Schoch vom Stuttgarter Naturkundemuseum ausdrückt. Umgekehrt waren viele Dinosaurier selbst schon Vögel, wenn man das Federkleid und den zweibeinigen Gang als Kennzeichen dieser Tierklasse akzeptiert. Und unsere heutigen Vögel gehören dann folgerichtig zu den Reptilien. „Die Systematiker haben damit keine Probleme“, sagt Schoch, „wohl aber die Lehrer.“ Generationen von Pädagogen haben ihren Schülern eingebläut, dass Krokodile Reptilien sind und Spechte Vögel. „ Diese Denkschubladen sind überholt“, meint Schoch lapidar.

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Schon Mitte des 19. Jahrhunderts vermuteten einige Paläontologen wie der Brite Thomas Huxley, dass Dinosaurier und Vögel eng verwandt seien. Als Kronzeuge führten sie den Urvogel Archaeopteryx ins Feld, von dem 1859 erstmals fossile Reste im Solnhofener Plattenkalk gefunden wurden. Das elstergroße Tier besaß Federn und Flügel wie heutige Vögel, doch ihm wuchsen Krallen an den Schwingen und Zähne im Schnabel, und der Schwanz wurde von einer Knochenschnur aus 23 Wirbeln gehalten. In seinem Skelett gleicht Archaeopteryx so verblüffend den Dinosauriern, dass es zu Verwechslungen kam: Einige seiner Fossilien, auf denen keine Federabdrücke zu erkennen waren, galten jahrelang als Reste von Compsognathus, einem flinken Räuber. Doch die Vorstellung, dass Vögel überlebende Dinosaurier sind, schien lange einfach zu verwegen. Noch vor 25 Jahren wurden Paläontologen verlacht, die prophezeiten, man werde eines Tages fossile Dinosaurier mit Federn finden.

Mitte der 1990er Jahre war die Sensation dann perfekt. Im Nordosten Chinas, in der Provinz Liaoning, kamen neben versteinerten Vögeln auch Dinosaurier mit Federkleid zum Vorschein. Ungewöhnliche Umstände hatten die filigranen Strukturen für die Ewigkeit konserviert. Vor rund 125 Millionen Jahren erstreckte sich hier eine bewaldete Seenlandschaft, auf die immer wieder feine Asche von nahen Vulkanen niederrieselte. Die große Chance für Paläontologen: Verendete Tiere, die am Grund der Gewässer eingeäschert wurden, blieben mit Haut und Federn erhalten. Die versteinerte Momentaufnahme des kreidezeitlichen Biotops hat den Stammbaum der Dinosaurier endgültig zurechtgerückt.

Heute gehen die Biologen davon aus, dass die Vorfahren der Dinosaurier hühnerkleine Zweibeiner mit Greifhänden waren – also vogelähnliches Getier. Aus ihnen ging alles hervor, was Dinofreunde heute so verzückt – sogar die kolossalen Sauropoden mit ihren langen Hälsen und Schwänzen, die freilich von ihrem Tonnengewicht auf vier Füße gezwungen wurden. Auch die Gruppe der zweibeinigen, fleischfressenden Coelurosaurier entwickelte sich aus ihnen, die wiederum Vorfahren der Tyrannosaurier – der Raptoren – und schließlich der Vögel waren. In welchem Ast des Stammbaums sich die Federn durchgesetzt haben, weiß man nicht. Die meisten Forscher sind inzwischen überzeugt, dass zumindest alle Coelurosaurier mitsamt Nachfahren Federn besaßen. Von Tyrannosaurus rex hat man Reste mit Federabdrücken gefunden.

Allerdings zweifeln noch immer einzelne Wissenschaftler am neuen Bild der Dinosaurier. Diese „BAND“-Anhänger (Birds Are Not Dinosaurs) konnten erst kürzlich mit einem neuen Argument punkten. Hobbyarchäologen hatten in Bayern Reste eines 151 Millionen Jahre alten Juravenators ausgegraben, der zu den Coelurosauriern gehört. Auf dem ungewöhnlich gut erhaltenen Stück sind zwar Haut- und Gewebeteile zu erkennen – aber keine Federn, wie eigentlich zu erwarten wäre. Bislang fehlt dafür eine schlüssige Erklärung.

Vieles liegt noch im Dunkeln, was sich im Erdmittelalter abspielte. So kann niemand mit Sicherheit sagen, warum die Natur überhaupt Federn hervorgebracht hat. Nur eines steht fest: Sie waren zunächst nicht zum Fliegen da. Die aerodynamisch geformten Leichtgewichte sind so raffiniert konstruiert, dass sie sich über viele Zwischenstufen und einen langen Zeitraum entwickelt haben müssen. Aber erst das Endprodukt taugte zum Abheben. Die Vorstufen müssen eine andere Funktion erfüllt haben, sonst hätte die Evolution sie rasch ausgemustert. Vermutlich diente das Federkleid zunächst der Wärmeisolierung – genau wie das Fell der Säuger.

Große Tiere, die in Relation zu ihrem Körpervolumen eine kleine Oberfläche besitzen, waren auf einen solchen Schutz allerdings nicht angewiesen. Zoologen der University of Queensland in Australien haben mit Hilfe von Messungen an lebenden Krokodilen hochgerechnet, dass ein 10-Tonnen-Dinosaurier in einer kalten Nacht allenfalls um 0,1 Grad ausgekühlt wäre. Selbst ein australischer Winter hätte ihn nur um rund 5 Grad heruntergekühlt – und damit bloß ein wenig träger gemacht. Doch kleinwüchsige Dinos und Jungtiere könnten vom flauschigen Mantel profitiert haben. Denn auch die Riesen unter den Kolossen schlüpften als Zwerge aus dem Ei. Die größten Dino-Eier waren kaum größer als ein Handball.

Wie sich die Federn entwickelt haben, lässt sich inzwischen recht gut rekonstruieren. Die Urform war eine Reptilienschuppe, die sich zunächst in eine Art Stachel und dann in Flaum verwandelte. Schon 1980 haben Biologen gezeigt, dass bereits minimale Veränderungen in der Eiweißstruktur ausreichen, um aus einer flächigen Hornschuppe eine fadenförmige Struktur zu zaubern. Eine kleine Mutation, ein unscheinbarer Fehler beim Kopieren des genetischen Codes genügt. Die weiche Feder schlummerte also gewissermaßen schon immer im harten Schuppenpanzer. Einmal erfunden, hat sie sich stetig weiterentwickelt. Die Federäste reihten sich in regelmäßiger Formation beidseits des Kiels an und verhakten sich später ineinander, sodass der Wind nicht mehr hindurchfahren konnte. Der Clou kam zuletzt: die Asymmetrie. Die Ästchen wuchsen auf der einen Seite länger als auf der anderen. Erst dieser Trick gab den Federn Auftrieb und machte sie zur flugtauglichen Tragfläche.

Paläontologen konnten alle Vorstufen der Feder in Fossilien nachweisen. So trug der truthahngroße Caudipteryx aus China urige Daunen am Körper sowie lange Schwungfedern an Schwanz und Armen, die aber noch symmetrisch waren. Fliegen konnte er damit natürlich nicht. Der Urvogel Archaeopteryx, obwohl fast 30 Millionen Jahre älter, besaß dagegen bereits voll entwickelte Flugfedern. Trotzdem war er ein miserabler Flieger. Ingenieure haben berechnet, dass seine Flügelfläche und Muskelmasse nicht ausreichten, um sein Körpergewicht aus dem Stand in die Lüfte zu wuchten. Selbst mit Anlauf tat er sich schwer, Höhe zu gewinnen. Seine Schwingen trugen erst bei einer Geschwindigkeit von mehr als 20 Stundenkilometern, doch das Tier spurtete wahrscheinlich nicht einmal halb so schnell.

Vielleicht geben seine Flügelkrallen einen Fingerzeig darauf, wie die Vögel das Fliegen gelernt haben. Experten spekulieren, dass die Ahnen der Vögel auf Bäumen lebten und die Krallen zum Klettern und Greifen nutzten. Microraptor, ein kleiner gefiederter Dinosaurier aus China, der sogar an den Beinen lange Federn trug, war wohl ein solcher Baumbewohner. Bei drohender Gefahr stürzte er sich vielleicht in die Tiefe und ruderte dabei mit den Armen. Auch möglich, dass er, wenn er am Boden überrascht wurde, mit schlagenden Schwingen über Stock und Stein davonraste – wie es Rebhühner noch heute tun und dabei sogar Wände hinauf kommen. Aus dem konfusen Flattern könnte sich im Lauf der Jahrmillionen der aktive Flug entwickelt haben.

Wie stark sich das Bild der Dinosaurier gewandelt hat, zeigt die Geschichte vom Oviraptor. Früher hielt man den mannshohen Raubsaurier für einen dreisten Eierdieb, weil seine Reste oft zusammen mit Eiern gefunden wurden, und gab ihm den entsprechenden lateinischen Namen. 1994 tauchte dann in der Wüste Gobi das versteinerte Skelett eines weiblichen Tiers auf, das schützend seine Arme über ein Gelege von 22 Eiern breitete. Ein Sandsturm oder eine Sandlawine hatte die Henne verschüttet. Der Fund rehabilitierte Oviraptor: Er war kein Eierdieb, sondern ein vogelähnliches Reptil, das Brutpflege betrieb.

Die riesigen Sauropoden, Inbegriff der Sauriermenagerie, haben sich dagegen wohl kaum um ihr Gelege gekümmert – dafür waren ihre Körper viel zu massig im Vergleich zu den winzigen Eiern. Doch auch sie hatten Merkmale, die man den Vögeln zuschreibt. Das hat ein interdisziplinäres Projekt über die „Biologie des Gigantismus“ ergeben, an dem sich Paläontologen, Zoologen und Biomechaniker von acht Universitäten beteiligten. „Man nimmt heute an, dass alle Saurischier (Echsenbeckendinosaurier) eine Art Vogellunge hatten“, sagt Paläontologe Martin Sander von der Universität Bonn, der das Projekt koordiniert. Versteinerte Knochen gaben den entscheidenden Hinweis: Die Wirbelkörper der kolossalen Pflanzenfresser waren hohl, sie bestanden nur aus dünnen Knochenwänden.

Vermutlich waren die Kammern luftgefüllt und dienten der Atmung. Wie die heutigen Vögel könnten diese Tiere nach dem Dudelsackprinzip geatmet haben: Sie nahmen auch beim Ausatmen Sauerstoff auf, indem sie auf das Knochendepot zugriffen. So konnten sie den Luftsauerstoff viel effektiver nutzen als heute der Mensch und gerieten nicht so schnell ins Schnaufen. Die Luftsackatmung brachte noch mehr Vorteile. Der Hals der Kolosse wog dank der luftigen Leichtbauweise längst nicht so viel, wie Paläontologen bislang vermuteten, und ließ sich elegant manövrieren. Nicht zuletzt konnten die Tiere über die Hohlräume überschüssige Wärme abführen. Denn die Riesen, die bis zu 100 Tonnen wogen, mussten sich weniger vor Auskühlung als vor Überhitzung schützen. Die Hohlräume funktionierten vermutlich wie eine Klimaanlage.

Sander hat viele versteinerte Knochen angebohrt und die Kerne unter dem Mikroskop untersucht. Er stieß auf einen Gewebetyp, wie man ihn heute nur von Säugetieren und Vögeln kennt. Die Knochen wachsen dabei nicht Schicht um Schicht, sondern bilden zunächst ein Fachwerk, das sich anschließend mit Knochenmasse füllt. Dieser Bauplan ist typisch für rasches Wachstum und hohen Stoffwechsel, wie es eigentlich nur mit Warmblütigkeit möglich ist. Die Sauropoden und viele andere Dinosaurier waren also keineswegs tumbe Tölpel, die bei Kälte kaum ein Bein vors andere brachten. Ihr Federkleid schützte sie davor. Wenn man davon ausgeht, dass die Federn zunächst der Wärmeisolierung dienten, hätten davon vor allem warmblütige Tiere profitiert, die ihre Körpertemperatur mit hohem Energieaufwand auf einem bestimmten Level halten mussten. Ein flauschiger Wintermantel konnte ihnen die Futtersuche erheblich verkürzen.

Für eine geregelte Körpertemperatur spricht auch das stürmische Wachstum der Riesen, das Jahresringe in den Knochen belegen. Der gefährliche Tyrannosaurus blieb demnach bis zu seinem zwölften Lebensjahr ein Zwerg von kaum zwei Meter Höhe und explodierte dann förmlich. Innerhalb von vier Jahren wuchs er zum haushohen Monster heran und nahm dabei täglich mehr als zwei Kilo zu. Auch die riesigen Sauropoden legten beim Wachstum ein erstaunliches Tempo vor. Kaum aus dem Ei geschlüpft, schossen sie rasant in die Höhe und bremsten erst nach etwa einem Drittel ihres Lebens ab.

Solche explosiven Wachstumsschübe, davon ist der Bonner Paläontologe Sander überzeugt, schafft nur ein warmblütiges Tier mit hoher Stoffwechselrate. Heutige Reptilien, die ihre Körpertemperatur der Umgebung anpassen, haben eine ganz andere Strategie: Sie wachsen zeitlebens – langsam und stetig. Das größte Krokodil ist immer auch das älteste.

Sander vermutet, dass Warmblütigkeit und Riesenwuchs zusammenhängen. Erst eine geregelte Körpertemperatur, so seine These, habe den Gigantismus möglich gemacht, wie er zurzeit der Oberen Trias, vor rund 210 Millionen Jahren, plötzlich auftauchte. Plateosaurus, der sechs bis acht Meter lange „ Schwäbische Lindwurm“, der im Stuttgarter Museum zu sehen ist, könnte eine Übergangsform zwischen wechsel- und warmblütigen Tieren gewesen sein. Denn in seinen fossilen Knochen fand Sander ein merkwürdiges Gewebe, das weder die typischen Strukturen von Vögeln noch von Reptilien aufweist.

Während Sander versteinerte Knochen unter die Lupe nimmt und darin sogar einzelne Zellen aufspürt, greifen manche seiner Kollegen zu recht fantasievollen Methoden, um die Lebensweise der Urviecher zu ergründen. Ein Forscherteam der University of Utah in Salt Lake City schnallte Versuchspersonen Gewichte auf den Rücken und ließ sie durch einen Slalom-Parcour rennen. Die Last sollte den Schwanz zweibeiniger Dinosaurier ersetzen. Ergebnis: Die Probanden kriegten kaum noch die Kurve – ihr Trägheitsmoment hatte sich verzehnfacht. Die Forscher vermuten deshalb, dass die urzeitlichen Zweibeiner nicht in waagerechter Haltung, den Kopf vorgestreckt, dahinpreschten, wie man bisher vermutete, sondern in aufrechter Haltung, um das Trägheitsmoment klein zu halten. Dennoch waren sie vermutlich nicht besondern wendig. Ein gejagtes Beutetier hätte wohl einen Tyrannosaurus abschütteln können, wenn es Haken schlug.

Oliver Wings von der Universität Tübingen hat sich mit Tieren als Versuchsobjekten begnügt: Er untersuchte die Magensteine von Straußen, um der Verdauung der Dinosaurier auf die Spur zu kommen. Dabei fand er heraus, dass die Steine, die den Mageninhalt wie Mühlsteine zermahlten, rund ein Prozent des Körpergewichts ausmachten. Große Sauropoden hätten somit zentnerschweren Ballast mit sich herumschleppen müssen. Da man davon bislang nichts gefunden hat, vermuten die Wissenschaftler, dass Sauropoden keine solchen Hilfsmittel nutzten – entgegen den bisherigen Vorstellungen. Aber wie haben die Kolosse dann ihre schwer verdauliche Kost zerkleinert? Wings vermutet, dass sie die Nahrung lange im Darm zurückhielten, sodass die Bakterien genug Zeit zum Zersetzen hatten.

Jürgen Hummel von der Universität Bonn und Marcus Clauss von der Universität Zürich haben verschiedene Pflanzen in gewaltige Fermentationstanks gekippt, um die Verdauung der Sauropoden zu simulieren, falls die ihre Pflanzenkost – wie heutige Kühe – mit Hilfe symbiotischer Mikroben zerkleinerten. Fazit der Silo-Studie: Schachtelhalm, der besonders viele Nährstoffe enthält, hätte die Dinosaurier rasch satt machen können. Aber auch die Araukarie, ein im Mesozoikum verbreiteter Nadelbaum, erwies sich als überraschend nahrhaft. Allerdings gab der Baum seine Nährstoffe erst nach mindestens zwei Tagen im Fermenter frei. Nur sehr große Tiere mit entsprechend langsamer Verdauung konnten das stachelige Grün effizient verwerten – ein großer Vorteil des Riesenwuchses.

Als der Paläontologe Torsten Scheyer von der Universität Bonn die Knochenpanzer einiger Dinosaurier unter dem Polarisationsmikroskop studierte, stieß er auf ein Material, das verblüffend heutigen Verbundwerkstoffen ähnelt, wie es in Windmühlenflügeln oder schusssicheren Westen eingesetzt wird. Einige Ankylosaurier – seltsame Kreaturen mit Keulenschwanz und Vollpanzerung – besaßen ein Geflecht von Kollagenfasern und Knochenkalk, das den Schutzplatten eine enorme Festigkeit verlieh. Andere Arten hatten obendrein viele Poren in den Knochen – und verfügten so über einen sehr leichten und doch äußerst robusten Werkstoff.

Beeindruckend sind die physiologischen Leistungen der Riesen-Dinosaurier. Ein 40-Tonnen-Brachiosaurus, das hat das Verbund-Projekt ergeben, verputzte täglich rund 900 000 Kilojoule, 130-mal so viel wie ein Mensch. Sein Herz, eine 200-Kilo-Pumpe, beförderte 1900 Liter Blut durch den Körper mit einem sechsmal so hohen Blutdruck wie ihn ein Mensch hat, um auch den Kopf in zwölf Meter Höhe ausreichend versorgen zu können. Den langen Schwanz trug er über dem Boden, den Kopf hoch und die Beine durchgedrückt.

All diese neuen Erkenntnisse beruhen auf Funden. Doch es müssen nicht immer Sensationen wie in China sein, die die Forschung voranbringen. Manchmal schlummern die vielsagenden Knochen auch längst in Museen. Die US-Paläontologin Mary Schweitzer fand 2004 Weichteilgewebe im Oberschenkel eines Tyrannosaurus rex, der vor 68 Millionen Jahren gestorben war. Unter dem Elektronenmikroskop identifizierte sie Kollagen, einen leimartigen Knochenbestandteil. Solche Überraschungen wecken Hoffnungen: Vielleicht, so der Stuttgarter Saurierexperte Schoch, findet man eines Tages sogar echte Dino-DNA. Doch die Auferstehung der Dinosaurier wird ein Wunschtraum bleiben, weil die natürliche Strahlung das Genom sicher längst zerbröselt hätte. ■

bdw-Autor Klaus Jacob war bei seiner Recherche sehr erstaunt, dass wichtige Erkenntnisse der Dinosaurier-Forschung bis heute von manchen Biologen nicht anerkannt sind.

Ohne Titel

· Entgegen der gängigen Lehrmeinung waren viele Raubdinosaurier nicht nackt, sondern trugen Federn.

· Die Dinosaurier sind keineswegs ausgestorben.

Ohne Titel

Wer anfängt, sich mit Ur-Tieren zu beschäftigen, ist nach einiger Zeit ganz verwirrt: Völlig unterschiedliche Tiere tragen den Namensbestandteil „saurus“. Darunter sind Dinosaurier, aber auch Lurche wie der Mastodonsaurus und Ur-Wale wie der Basilosaurus. Steckt dahinter ein biologisches Prinzip?

Nein, die Namensgebung ist sinnlos. In den Anfangsjahren der Fossilienforschung gaben Forscher den Funden oft einen Saurusnamen, ohne dass sie die Tiere zoologisch einordnen konnten. Bis heute haben sich die Paläontologen und Zoologen nicht entschließen können, die Ur-Tiere biologisch sinnvoll umzubenennen. Zur Namensverwirrung trägt außerdem bei, dass viele Sachbuchautoren die Begriffe Saurier und Dinosaurier synonym benutzen. Auch das ist falsch: Nicht jeder Saurier ist ein Dinosaurier. Die Dinosaurier waren eine Untergruppe der Saurier, die alle einer Ur-Art entstammten und sich im Jura zur vielfältigsten und beherrschenden Tiergruppe entwickelten. Aber es gab und gibt noch andere Saurier, denn der Name bedeutet nichts anderes als „Echse“. Und dazu gehören die mit den Dinosauriern nahe verwandten Krokodile sowie die Flugsaurier, die Ichthyosaurier, die Paddelechsen, die Eidechsen, die Schlangen, die Schildkröten – und natürlich auch die direkten Nachkommen der Dinosaurier: die Vögel. thw

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