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Dufte Rosen gesucht

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Dufte Rosen gesucht
Züchter haben Rosen und anderen Blumen ihren Duft weitgehend ausgetrieben. Biologen versuchen das jetzt zu korrigieren – und haben dabei die komplexe Genetik der Blumendüfte entdeckt.

„Dir mit Wohlgeruch zu kosen, deine Freuden zu erhöhn, knospend müssen tausend Rosen, erst in Gluten untergehn.“ Goethes Gedicht „An Suleika“ ist schön, aber nicht mehr zeitgemäß. Denn modernen Schnittrosen fehlt jeglicher Duft. Züchter haben sich lange nicht dafür interessiert. Aus den berauschend duftenden, aber kleinen und schnell welkenden Wildrosen züchteten sie leuchtende und winterharte Blumen, deren üppige Blüten zwar lange in der Vase prangen, aber eben nicht duften.

„Doch seit einigen Jahren ist das Interesse an duftenden Rosen groß“, sagt Burkhard Spellerberg, als Koordinator der Allgemeinen Deutschen Rosenneuheitenprüfung (ADR) „oberster Rosenzüchter“ Deutschlands. Auch deutsche Züchter arbeiten an duftenden Schnittrosen. Doch die Natur scheint einem Zurück im Wege zu stehen: „Wir beobachten, dass ein starker Duft meist zu Lasten der Haltbarkeit geht“, sagt Spellerberg.

Wieso sich Duft und langes Blühen in der Vase ausschließen, wissen David Weiss von der Hebräischen Universität in Jerusalem und seine US-amerikanischen Forscherkollegen Eran Pichersky und Natalia Dudareva nicht. Dudareva vermutet, dass den Blumen für beides zusammen die Energie fehlt. Pichersky und Weiss kennen zudem Duftsubstanzen etwa in Jasminblüten, die direkt die Alterung der Blumen beschleunigen. Es scheint eine natürliche Barriere zu geben – und die wollen die Forscher mithilfe der Gentechnik überwinden. Ihr Ziel sind duftende Blumen, die in Blüte und Haltbarkeit ihren geruchlosen Artgenossen in nichts nachstehen. Im Mittelpunkt steht die Rose: Sie ist mit einem Weltmarktvolumen von rund zehn Milliarden Dollar die beliebteste aller Blumen. In Deutschland ist jede fünfte importierte Blume eine Rose.

Eine stärker duftende Nelke haben die Forscher bereits entwickelt – ironischerweise bei einem Versuch, in dem das gar nicht beabsichtigt war. Pichersky und Dudareva wollten ursprünglich rötliche Nelken entfärben. Dazu legten sie gentechnisch eine Schaltstelle der Farbproduktion lahm. Wie erwartet bleichten die Nelken aus. Doch die Forscher staunten nicht schlecht, als sie ihre Nasen über die Gentech-Nelken hielten: Je farbloser eine Blume war, desto stärker duftete sie. Dudareva maß den Duftgewinn: Sechsmal mehr Duftmoleküle entließen die bleichen Nelken in die Luft als ihre bunten Artgenossen.

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Die enge Kopplung von Farb- und Duftproduktion sei weniger überraschend, als es auf den ersten Blick scheine, schreiben die beiden Forscher in ihrem Bericht. Blumen werben schließlich sowohl mit Duft als auch mit Farbe um bestäubende Insekten. Evolutionär betrachtet ist es deshalb einerlei, ob die Blume ihre Energie nun in Farbe oder Duft investiert. Es gibt zwar zum Beispiel bei Rosen auch Sorten, die beides miteinander verbinden können, aber die halten sich nicht lange genug, um als Schnittblumen in den Handel zu kommen.

Trotz solch unerwarteter Resultate wie bei den Gentech-Nelken sind die Forscher in allen direkten Versuchen, duftende Blumen zu kreieren, bisher gescheitert. Der Grund: Duft wird in der Pflanze mithilfe eines komplizierten biochemischen Netzes produziert, das aus „Sekundärmetaboliten“ besteht. Diese Substanzen sind für Farbe, Abwehr, Gift und viele weitere Funktionen zuständig, die jede Pflanze zusätzlich zu ihren Grundfunktionen wie Nahrungsproduktion und Fortpflanzung hat. Ihre Zahl geht nach den Erkenntnissen der Forscher in die Hunderttausende. Bis zu einem Viertel des Erbguts einer Pflanze ist für Enzyme verantwortlich, die Sekundärmetaboliten produzieren.

Durch dieses biochemische Netz scheiterte der Versuch niederländischer Forscher, duftende Blumen zu kreieren. Sie hatten das Gen für ein Enzym, das den Duftstoff Linalool produziert, in Petunien eingeschleust. Den bildeten die Petunien danach zwar, doch sie entließen ihn nicht in die Luft. Stattdessen fing ein anderes Enzym aus dem biochemischen Netz das Linalool ab und hängte schwere Zuckerketten daran. Das verzuckerte Linalool lagerte die Gentech-Blume in verschiedene Gewebe ein. Mit der Folge, dass die veränderte Petunie nicht anders duftete als ihre Artgenossen.

Als das Team um Weiss das gleiche Gen in Nelken einfügte, entließen deren Blüten das Linalool tatsächlich in die Luft, wie ein hoch empfindlicher Gas-Chromatograph anzeigte. Aber: Testpersonen rochen nichts. Die Nelken lieferten zu wenig Linalool für die menschliche Nase. Wie die Forscher herausbekamen, fehlt es dem Linalool-Enzym in Nelken an Ausgangsstoffen. Das Netz, das einem weit verzweigten Flusssystem ähnelt, lässt in Nelken nur ein kleines Rinnsal an passenden Substanzen zum Linalool- Enzym fließen.

Dieses Rinnsal versucht Dudareva zurzeit anschwellen zu lassen, indem sie die „Schleusen“ öffnet. In ihren Versuchsbeeten wachsen Gentech-Chrysanthemen, in denen sie gentechnisch die Menge des Enzyms erhöht hat, das für die Produktion eines Linalool-Ausgangsstoffs zuständig ist. Dieses Enzym hatte die Forscherin schon früher als kritische Schleuse entlarvt, als langsamstes Glied in der Produktionskette. Sie vermutet: Wird der Durchfluss hier erhöht, entsteht mehr Linalool. Noch blühen die Chrysanthemen nicht – und ie Forscherin wartet gespanntdarauf, bis sie ihre Nase über die ersten Blüten halten kann.

Auch die Rosenforscher brauchen noch viel Geduld, bevor sie Gentech-Rosen mit großer Blüte und langem Leben hervorzaubern können, die wie Wildrosen duften. Unter der Federführung von David Weiss wird dafür zur-zeit eine Rosenblüten-Gen-Datenbank angelegt.

Als Erstes verglichen die Forscher die Gen-Muster zweier Rosensorten. Die eine, „Golden Gate“, ist geruchlos, während „ Fragrant Cloud“ verführerisch duftet. Die Idee, die es zu überprüfen galt: Gene, die in Blütenblättern von Fragrant Cloud, nicht aber in jenen von Golden Gate aktiv sind, könnten Duft-Gene sein. Die Forscher fanden Hunderte solcher Gene. Darunter suchten sie nach denjenigen, die besonders in reifen Blütenblättern aktiv sind. Denn Blüten duften besonders stark, wenn sie reif zur Bestäubung sind. Die Forscher entdeckten 40 mögliche Duft-Gene, die sie zurzeit untersuchen.

Die Arbeit ist ein Meilenstein in der noch jungen Erkundung der Duftbiochemie. Das erste Duft-Gen entdeckte Pichersky erst vor zehn Jahren. In der Zwischenzeit sind nur eine Handvoll eindeutiger Duft-Gene dazugekommen. Aber es muss noch sehr viel mehr geben, denn allein Rosen produzieren über 400 Duftsubstanzen. Für einen charakteristischen Rosenduft dürften jedoch 5 bis 10 davon reichen, schätzt Weiss: „Aber um das gentechnisch hinzukriegen, brauchen wir mindestens noch zehn Jahre.“

Weiter sind Gentechniker im Farbdesign. Schon 1996 brachte die australische Firma Florigene die ersten Gentech-Blumen, blaue Nelken, auf den Markt. Das Blau-Gen stammt aus Petunien. Nelken dagegen sind von Natur aus nie blau – genauso wie Rosen. Das versuchen die Florigene-Forscher zurzeit zu ändern. Lila Rosen haben sie bereits kreiert. Um blaue Blüten zu bekommen, müssten die erst sauer werden. Das würde den Lila-Farbstoff in einen blauen umwandeln, wie die Biochemiker herausfanden. Doch daran arbeiten die Forscher noch.

Florigene ist die weltweit einzige Firma, die Gentech-Blumen vertreibt. Nach Angaben von Forschungsleiter John Mason verkaufen sich die blauen Nelken in Nordamerika und Japan gut. Auch in Europa sind die Gentech-Blumen für den Verkauf zugelassen, allerdings kann man sie erst in Großbritannien und Schweden bekommen. Die deutschen Blumenhändler sind skeptisch. „Die Natur hat genug zu bieten. Wir brauchen keine blauen Nelken“, meint Henning Moeller, Geschäftsführer vom Verband des deutschen Blumen-, Groß- und Importhandels (BGI). Der BGI hat sich gegen den Kauf der Gentech-Nelken ausgesprochen. Auch an den großen Blumenbörsen in den Niederlanden werden keine blauen Nelken gehandelt.

Dabei sind die meisten heutigen Blumensorten alles andere als natürlich. Jahrzehntelang haben die Züchter daran gearbeitet, die edlen Blumen mit künstlichen Farbkombinationen und langer Haltbarkeit auszustatten. Keine einzige Wildrose ist tiefrot. Das für Rosen typische Bordeaux-Rot fußt auf einer Gen-Mutation, die Züchter in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckten und umgehend in viele Rosensorten einkreuzten.

Trotz der abwehrenden Haltung in Europa gegenüber Gentech-Blütenfarben ist Weiss überzeugt, dass duftende Gentech-Rosen bei Blumenfreunden gefragt wären. Und die Arbeit der Forscher könnte sich noch andersweitig lohnen: Rosenduft und -geschmack sind in Lebensmitteln und Kosmetika gefragt.

Deren natürliche Produktion ist sehr aufwendig: Aus 4000 Kilogramm Rosenblüten lässt sich nur ein Kilogramm Rosenessenz gewinnen. Deshalb arbeiten in Weiss‘ Labors die Forscher auch an den Genen der Bäckerhefe, einem unter Biotechnikern beliebten Arbeitstier. Mit Duft-Genen bestückt, könnte dieser Einzeller günstig Rosenduft produzieren. Und wer verlangt bei einem bestechend günstigen Preis schon nach dem echten Symbol der Liebe? ■

MARCEL FALK ist Diplom- Biologe und war Volontär bei bdw. Er arbeitet als Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Veterinärwesen.

Marcel Falk

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Läden mit „Blumen aus menschen- und umweltschonender Produktion“ finden Sie unter www.flower-label-program.org.

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Noch sind sie Schattengewächse, die „fair“ und ökologisch produzierten Blumen. Gerade mal drei Prozent der in Deutschland verkauften Schnittblumen tragen das Gütesiegel des Flower-Label-Programms (FLP). Dadurch hat sich immerhin für 15 000 Menschen auf rund 60 Blumenplantagen Afrikas und Südamerikas das Leben verbessert: weniger giftige Pestizide, Existenz sichernde Löhne, Mutterschaftsschutz und einiges mehr. Über 800 Blumengeschäfte in Deutschland bieten FLP-Blumen an.

Doch rund 200 000 Blumenarbeiter und -arbeiterinnen in Entwicklungsländern, die meisten davon Frauen, leiden immer noch unter miserablen Arbeitsbedingungen. Dabei ist Kolumbien nach den Niederlanden der zweitgrößte Blumenproduzent weltweit, und Kenia ist, ebenfalls nach den Niederlanden, der zweitgrößte Blumenexporteur nach Deutschland.

Im Winter kommt jede zweite Schnittblume in Deutschland aus Ländern des Äquatorgürtels. Doch nur jeden Hundertsten Euro gibt der deutsche Käufer den Blumenarbeiterinnen im Süden. 99 Euro zahlt er den Plantagenbesitzern und Blumenhändlern.

Die deutschen Konsumenten könnten die Bedingungen auf den Blumenplantagen ändern. Denn mit rund vier Milliarden Euro ist Deutschland einer der größten Märkte für Schnittblumen. „Wir bieten Zugang zum deutschen Markt. Das macht FLP für Plantagenbesitzer interessant“, sagt Silke Peters, Geschäftsführerin von FLP. 1998 hat die Menschenrechtsorganisation FIAN zusammen mit Hilfswerken und dem deutschen Blumenhandel das Label gegründet. Vielen Deutschen ist es aber bis heute unbekannt.

„Menschen kaufen Blumen für Feste oder um jemandem ihre Liebe auszudrücken. Da sprechen Blumenhändler in ihren Läden nicht gerne von den traurigen Produktionsbedingungen, indem sie Werbung für FLP machen“, sagt Peters. Zurzeit sind 90 Prozent der FLP-Blumen Rosen. Bald sollen weitere Blumen das Label-Sortiment und damit die Verkäufe erweitern.

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