Dinosaurier hatten es nicht leicht. Denn selbst die Riesenechsen waren nicht vor Unfällen, Angriffen von Fressfeinden oder Konkurrenten und Naturkatastrophen gefeit, wie Fossilfunde belegen. Paläontologen haben bereits mehrfach Dinosaurierskelette entdeckt, die Spuren alter Brüche, Bissspuren oder krankhafte Knochenwucherungen aufweisen. „Gerade die Identifizierung und Interpretation von Krankheitszeichen in Fossilien liefern uns wertvolle Einblicke in die Lebensgeschichte ausgestorbener Organismen“, erklären Jennifer Anné von der University of Manchester und ihre Kollegen. Denn solche urzeitlichen Pathologien verraten unter anderem, wie lange es bestimmte Krankheiten schon im Tierreich gibt, aber auch, wie Dino und Co lebten, fraßen und kämpften. Allerdings sind solche Zeugnisse sehr selten. Hinzu kommt, dass Fossilfunde beispielsweise von Dinosauriern in bestimmte Gegenden der Erde ebenfalls äußerst rar sind. Umso überraschender ist daher eine in gleich doppelter Hinsicht seltene Entdeckung, die Anné und ihre Kollegen im US-amerikanischen New Jersey machten.
Unterarmknochen mit Wucherungen
Die Paläontologen führten Ausgrabungen in einem ehemaligen Steinbruch durch, in dem die sogenannte Navesink Formation durch den Gesteinsabbau freigelegt wurde. Diese Gesteinsschicht aus der späten Kreidezeit entstand vor rund 70 Millionen Jahren, als dieses Gebiet noch Teil eines Flachmeeres vor der Küste war. In den Ablagerungen des ehemaligen Meeresgrunds haben Forscher bereits Fossilien von Fischen, Haien, Krebsen, Muscheln, Schildkröten und auch einigen wenigen Dinosauriern entdeckt. Weil das Meer in diesem Gebiet aber relativ unruhig war, sind die meisten Knochen stark fragmentiert. Inmitten dieser Knochenfragmente stießen Anné und ihre Kollegen auf zwei Armknochen eines Entenschnabel-Dinosauriers, fachsprachlich als Hadrosaurier bezeichnet. Sie gehörten zu den erfolgreichsten Pflanzenfressern der späten Kreidezeit, in großen Gruppen zogen sie durch die Ebenen Nordamerikas und Asiens.
Doch die beiden Unterarmknochen des jetzt gefundenen Hadrosauriers zeugen von einem eher grausamen Schicksal dieses Dinosauriers. Denn an den Enden von Elle und Speiche fanden die Forscher auffallende Knochenwucherungen, die sowohl die Gelenkflächen als auch die Seiten der Knochen bedeckten. „In einigen Regionen ist eine blumenkohlartige Textur zu erkennen“, berichten die Paläontologen. Mikrotomografie enthüllte, dass auch das Knocheninnere von diesen Wucherungen angegriffen war: „Die interne Struktur der Speiche ist ein Durcheinander von ’schaumigem‘ Knochenstrukturen, die den normalen Umriss des Knochens völlig verdeckt“, so die Forscher. Aus dem Aussehen dieser Wucherungen schließen sie, dass der Hadrosaurier wahrscheinlich bereits geraume Zeit vor seinem Tod unter beträchtlichen Schmerzen und Einschränkungen in diesem Bein gelitten haben muss. Was aber hat diese Knochenerkrankung verursacht? Die Wissenschaftler schließen aufgrund der Morphologie und Lage der Wucherungen Gicht, Knochentuberkulose und die sogenannte Marmorknochenkrankheit aus. Stattdessen vermuten sie, dass der Hadrosaurier sich über eine Wunde am Ellenbogen mit Bakterien infizierte. Diese Infektion breitete sich bis in den Knochen aus und löste so die krankhaften Wucherungen aus.
„Der unglückliche Dinosaurier litt wahrscheinlich an einer septischen Osteoarthritis“, sagt Anné. „Sie führte zu einem verschmolzenen Ellenbogengelenk, das mit knochigen Verwachsungen bedeckt war.“ Ob auch andere Gliedmaßen und Knochen betroffen waren, lässt sich nicht sagen, da bisher nur diese beiden Knochen dieses Dinosauriers entdeckt worden sind. So unschön und schmerzhaft dies für den Dinosaurier war, für die Paläontologen ist dies eine äußerst glückliche Entdeckung. „Das ist ein extrem seltener und gleichzeitig bedeutender Fund, der uns einen Blick auf die härteren Seiten des Lebens an der Ostküste vor 70 Millionen Jahren eröffnet“, sagt Anné. Gleichzeitig ist dies der erste Nachweis einer septischen Arthritis bei einem Dinosaurier.