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Ein Licht am Ende der Sucht

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Ein Licht am Ende der Sucht
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Kampf gegen das Verlangen nach der Droge: Eine gezielte Stimulation des Gehirns könnte helfen. Bild: Thinkstock
Kokainsucht mit einem Laser einfach ausschalten – das klingt nach Science Fiction, ist jetzt aber einem US-Forscherteam gelungen. Zwar bisher nur bei Ratten, aber immerhin. Das Prinzip dahinter: Die Droge macht bestimmte Nervenzellen im vorderen Bereich des Gehirns äußerst träge, was wiederum zu einem unkontrollierbaren Verlangen nach dem Suchtmittel führt. Stimuliert man diese ausgebremsten Neuronen nun gezielt, zum Beispiel mit Hilfe einer gentechnischen Manipulation und eines Lasers, nimmt das Verlangen messbar ab. Laut den Wissenschaftlern stehen die Chancen gut, dass sich beim Menschen ein ähnlicher Effekt erzielen lässt – allerdings nicht mit einem Laser, sondern mit einem Magnetfeld.

Was eine Drogensucht so fatal macht, ist das unkontrollierbare, unwiderstehliche Verlangen nach dem Suchtstoff. Es behält häufig selbst dann die Oberhand, wenn sich bereits negative Folgen im Alltag oder für die Gesundheit des Betroffenen zeigen. Dahinter steckt nach Ansicht von Wissenschaftlern eine verringerte Aktivität in einem Hirnbereich namens präfrontaler Cortex, ein Areal direkt hinter der Stirn, das beispielsweise für die Steuerung von Impulsen, Entscheidungen und die Anpassung von Verhaltensweisen an bestimmte Situationen zuständig ist. Allerdings konnte bisher nicht direkt nachgewiesen werden, ob die Nervenzellen des präfrontalen Cortex nach längerem Drogenkonsum tatsächlich weniger aktiv sind als bei gesunden Menschen.

Zum Teil gelang Billy Chen vom National Institute on Drug Abuse in Bethesda und seinen Kollegen dieser Nachweis nun, wenn auch nur bei Ratten. Sie entdeckten, dass sich einige Tiere – etwa ein Drittel der gesamten Testgruppe – nach Kokainkonsum ähnlich verhalten wie Menschen: Sie können selbst dann nicht von der Droge lassen, wenn ihnen beim Konsumieren immer wieder schmerzhafte Elektroschocks an den Füßen beigebracht werden. Für die anderen Ratten ist dieser Preis offenbar zu hoch – sie lassen sich durch die Stromstöße vom Drogenkonsum abhalten.

Das Forscherteam konzentrierte sich bei den weiteren Analysen auf die Nager, die den Preis zu zahlen bereit waren. Als sie deren Gehirn untersuchten, stellten sie schnell fest, dass eine bestimmte Gruppe von Nervenzellen tief im vorderen Bereich des Gehirns nur noch äußerst träge reagierte – die Neuronen brauchten eine fast doppelt so starke Stimulation, um überhaupt eine Reaktion zu zeigen. Folglich war auch die Gesamtaktivität im betreffenden Areal, das übrigens dem menschlichen präfrontalen Cortex entspricht, deutlich geringer als normal. Bei den weniger stark abhängigen Ratten gab es diesen Effekt dagegen gar nicht, oder er war nur sehr schwach ausgeprägt, zeigte ein Vergleich.

Könnte also eine gezielte Stimulation des ausgebremsten Hirnteils helfen, das Verlangen nach der Droge zu überwinden? Um das zu prüfen, schleusten die Wissenschaftler mit Hilfe eines unschädlich gemachten Virus ein zusätzliches Gen in die betroffenen Nervenzellen der Ratten ein. Dieses Gen enthielt den Bauplan für ein Protein, das auf Licht reagiert und in angeschalteter Form in der Lage ist, die Nervenzelle zu aktivieren. Und tatsächlich: Als die Forscher die eingeschleusten Gene mit Laserpulsen aktivierten, waren die Ratten nicht mehr bereit, die Elektroschocks als Preis für ihre Kokaindosis zu tolerieren. Auch entschieden sie sich sehr viel seltener dafür, sich selbst per Hebeldruck eine Dosis zu verabreichen. Das Prinzip funktionierte auch umgekehrt: Schleusten die Forscher ein anderes Gen in die Gehirnzellen, das die Aktivität der Nervenzellen bei Licht komplett hemmte, verstärkte sich das Verlangen nach der Droge bei den Ratten drastisch.

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Natürlich könne man die Beobachtung nicht direkt auf den Menschen übertragen, räumt das Team ein. Allerdings gebe es viele Parallelen, die darauf hoffen ließen, dass der Ansatz auch in der Klinik funktionieren könnte. Eine gentechnische Veränderung von Hirnzellen käme dafür selbstredend nicht infrage. Es gibt jedoch eine vielversprechende Alternative, die bereits heute in der Klinik eingesetzt wird: die sogenannte transkranielle Magnetstimulation,. Bei dieser werden gezielt bestimmte Hirnregionen durch ein von außen angelegtes Magnetfeld stimuliert oder auch gebremst. Sollte sich der Ansatz bewähren, habe er gute Chancen, als nahezu nebenwirkungsfreie Ergänzung zu herkömmlichen Therapien in die Klinik einzuziehen. Erste Tests sollen bereits in Kürze starten, berichten die Forscher.

Billy Chen (National Institute on Drug Abuse, Bethesda) et al.: Nature, doi: 10.1038/nature12024 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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