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Eine Krankheit, ein Gen und die Wikinger

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Eine Krankheit, ein Gen und die Wikinger
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Credit: Thinkstock
Welche Erbanlage ist für was verantwortlich? Die Sequenz des menschlichen Genoms ist mittlerweile zwar bekannt, doch die Funktion der einzelnen Gene ist noch weitgehend rätselhaft. Eine aktuelle Studie belegt nun, wie komplex die Funktion eines einzelnen Gens sein kann: Forscher haben eine genetisch bedingte Erkrankung entdeckt, die sowohl die rhythmischen Kontraktionen des Herzen als auch die des Darmes betrifft. Sie konnten sogar die Geschichte der verantwortlichen Gen-Mutation aufklären: Sie stammt offenbar von den Wikingern.

Die neu entdeckte Erkrankung geht nun mit der Bezeichnung „Chronic Atrial and Intestinal Dysrhythmia Syndrome“ in die Medizinbücher ein. Wer davon betroffen ist, leidet sowohl an Herzproblemen als auch an schlimmen Darmbeschwerden, berichten die Forscher um Philippe Chetaille vom Universitätskrankenhaus von Québec. „Die Symptome sind schwerwiegend und die Behandlungsmaßnahmen sind heftig“, sagt Chetaille. Die Patienten leiden an einer langsamen Herzfrequenz, was die Einpflanzung eines Herzschrittmachers für die Hälfte der Patienten häufig bereits in der Kindheit erfordert.

Die zusätzlichen Darmbeschwerden entstehen durch das Fehlen der rhythmischen Kontraktionen, mit denen der Inhalt vorwärts bewegt wird. Viele Patienten müssen deshalb häufige Operationen über sich ergehen lassen. Chetaille und seine Kollegen konnten nun zeigen, dass die Kombination beider Probleme kein Zufall ist – die Symptome gehen auf die gleiche genetische Störung zurück.

Ein Gen für den Rhythmus von Herz und Darm

Durch Analysen der DNA von frankokanadischen Patienten und eines Patienten aus Schweden, die unter den Herz- und Darmbeschwerden litten, konnten die Forscher eine Mutation im Gen SGOL1 nachweisen, die allen Betroffenen gemeinsam ist. „Um jeglichen Zweifel an der ursächlichen Rolle dieser Mutation auszuräumen, haben wir uns versichert, dass dieses Gen bei Patienten, die nur unter einem der beiden Probleme leiden, intakt ist“, sagt Coautor Gregor Andelfinger vom Sainte-Justine Krankenhaus in Montréal. Zusätzlich untermauern das Resultat Untersuchungsergebnisse bei Zebrafischen, berichten die Forscher: Fische mit einer Mutation im gleichen Gen zeigen die gleichen Herz-Symptome wie die betroffenen Menschen.

Die Forscher glauben, dass die Mutation von SGOL1 den Schutz von bestimmten Nerven- und Muskelzellen im Darm und im Herz mindert, was zu vorzeitiger Alterung dieser Zellen führt. Ihre Ergebnisse weisen auf eine unvermutete Rolle des Gens SGOL1 in der Fähigkeit des Herzens hin, den Rhythmus ein Leben lang aufrechtzuerhalten. Die interessante Doppel-Rolle, die dieses Gen und seine Mutation spielt, wird nun im Zentrum zukünftiger Untersuchungen der Forscher stehen. Sie haben auch bereits einen diagnostischen Test für die Erkrankung entwickelt. „Dieser Test wird das Syndrom mit Sicherheit identifizieren“, sagt Gregor Andelfinger.

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Genetische Spuren führen nach Skandinavien

Die Forscher sind auch dem Ursprung der Mutation in der Erbanlage auf die Spur gekommen: Sie verfolgten den Stammbaum von acht Patienten frankokanadischer Herkunft mit Hilfe einer historischer Datenbank zurück. Den Ergebnissen zufolge besitzen sie alle gemeinsame Vorfahren: Die Recherchen reichen bis zu einem Paar, das 1620 in Frankreich geheiratet hat. Darüber hinaus zeigten molekulargenetische Untersuchungen, dass die frankokanadischen und die schwedischen Mutationen gleicher Herkunft sind. Den Forschern zufolge lässt dies vermuten, dass die Mutation ursprünglich aus Skandinavien stammt. Nach ihren Berechnungen ist sie dort im 12. Jahrhundert entstanden. Die Wikinger verbreiteten sie anschließend auf ihren Eroberungszügen – so gelangte sie auch in die Normandie. Im 17. Jahrhundert kam sie dann schließlich mit Siedlern nach Nouvelle France – in die heutige Provinz Quebec.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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