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Eine skurrile Gestalt im Rampenlicht

Insekt des Jahres 2022 gekürt

Eine skurrile Gestalt im Rampenlicht
Das Insekt des Jahres 2022: Die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Bild: Harald Bruckner)

Ein langer Hals und glasklare Flügel: Die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege wird im kommenden Jahr die Rolle der Botschafterin der Insektenwelt in Deutschland, Österreich und der Schweiz übernehmen: Sie wurde zum „Insekt des Jahres 2022“ gewählt. Neben ihrer bizarren Gestalt zeichnen die Titelträgerin und ihre Verwandtschaft weitere Besonderheiten aus, berichtet die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung: Die vergleichsweise wenigen heutigen Arten sind Überbleibsel einer weit größeren Vielfalt im Zeitalter der Dinosaurier. Offenbar bieten die Kamelhalsfliegen auch Potenzial für eine bürgerwissenschaftliche Erforschung.

Am Anfang stand im Jahr 1999 die Florfliege – seither präsentiert ein Kuratorium aus Insektenkundlern und Vertretern wissenschaftlicher Einrichtungen immer wieder ein neues „Insekt des Jahres“. Das Projekt hat sich als erfolgreich erwiesen: „Die bisherige Erfahrung zeigt, dass Informationen über diese ökologisch außerordentlich bedeutungsvolle, aber oft unterschätzte Tiergruppe zu einer breiteren Kenntnis und Akzeptanz in der Bevölkerung führt und unbegründete Vorurteile abbaut“, schreibt die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. Für das Jahr 2022 haben sich die Experten nun für die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege (Venustoraphidia nigricollis) entschieden, die dabei auch stellvertretend für ihre Verwandtschaft steht.

Oft außer Sichtweite?

Das Besondere am Insekt des Jahres 2022 war die vermeintliche Seltenheit: „Lange Zeit galt die Schwarzhalsige Kamelhalsfliege als eine der seltensten Vertreterinnen ihrer Gruppe – bis man erkannte, dass sich die adulten Tiere mit dem charakteristischen schwarzen Halsschild überwiegend in der Kronenschicht von Bäumen aufhalten“, sagt der Vorsitzende des Kuratoriums Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg. Wie er weiter erklärt, handelt es sich bei den Kamelhalsfliegen (Raphidioptera) um die artenärmste Ordnung der Klasse der Insekten: Weltweit gibt es nur etwa 250 Kamelhalsfliegen-Spezies. Sie alle zeichnet ein auffallend langer Hals, glasklare Flügel und eine Größe von sechs bis 15 Millimetern aus. „In Mitteleuropa sind bislang 16 Arten beschrieben, einschließlich unseres Insekts des Jahres 2022“, sagt Schmitt.

Sämtliche Kamelhalsfliegen sind tagaktiv und durchlaufen eine vollständige Verwandlung von der Larve bis zum adulten Insekt. Interessant ist auch: Sie können offenbar einen Beitrag zur Kontrolle von Schädlingen leisten. Denn die erwachsenen Insekten ernähren sich häufig von Blatt- und Schildläusen. Die teils in der Rinde lebenden Kamelhalsfliegen-Larven können bei ausreichendem Bestand auch als Gegenspieler von Schadinsekten, wie beispielsweise den Borkenkäfern, nützlich sein.

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Obwohl die Kamelhalsfliegen in Mitteleuropa theoretisch in Wäldern und auch Habitaten wie Parks oder Gärten, weit verbreitet sein könnten, gibt es aus vielen Gebieten allerdings bisher keine Nachweise. „Noch!“, betont Schmitt. Denn möglicherweise könnten nun weitere Vorkommen aufgedeckt werden: „Die meisten der mitteleuropäischen Arten kann man aufgrund von Fotografien bestimmen – eine spannende Aufgabe für Bürgerwissenschaft!“, so der Insektenkundler.

„Lebende Fossilien“

Wie die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung weiter berichtet, gibt es auch bereits „prominente“ Vorkommen von Kamelhalsfliegen: Umgeben von brausendem Verkehr haben sich demnach zwei Arten auf dem Maria-Theresien-Platz im Zentrum von Wien in den dort stehenden Kiefern angesiedelt. Weltweit einzigartig ist zudem das jährliche Massenauftreten einer eigentlich aus dem Mittelmeerraum stammenden Art rund um einen alten Bauernhof in Oberösterreich.

Interessant ist auch, was über die Entwicklungsgeschichte der Kamelhalsfliegen bekannt ist, hebt die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hervor. Aus fossilen Funden kann man demnach schließen, dass diese Insekten in der Erdgeschichte viel weiter verbreitet und artenreicher waren. „Der Einschlag des Meteoriten zum Ende der Kreidezeit, vor etwa 66 Millionen Jahren, machte dann nicht nur den Dinosauriern den Garaus – die daraus folgenden klimatischen Veränderungen ließen ausschließlich die kälteadaptierten Formen der Kamelhalsfliegen überleben“, erklärt Schmitt. „Deren Aussehen ähnelte aber dem der heutigen Arten bereits sehr. Man kann die Kamelhalsfliegen daher auch als ‚lebende Fossilien‘ bezeichnen“, sagt der Insektenkundler abschließend.

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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