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Expedition zu den letzten Flussdelfinen

Erde|Umwelt

Expedition zu den letzten Flussdelfinen
Die UN haben 2007 zum Jahr des Delfins ausgerufen. Anlass für bdw-Autor Rainer Kellers, mit indischen Delfinforschern den Ganges zu befahren. Ist der „Susu” noch zu retten?

Träge klatschen Wellen ans breite Ufer des Ganges. Algen backen in der Sonne. Der Müll zwischen den Steinen verliert allmählich seine Farbe. Es ist Sommer in Indien, und der mächtige Fluss hat sich weit in sein Bett zurückgezogen. Schwitzend und schnaufend steigt Ravindra Kumar Sinha zum Wassersaum hinab. Der 54-jährige Zoologie-Professor von der Patna University hasst die Hitze. Doch für seine Arbeit ist es gut, dass die Trockenzeit den Ganges ausgedünnt hat. Denn so ist es für Sinha leichter, jenes rätselhafte Tier aufzuspüren, um das sich sein Forscherleben dreht: Platanista gangetica, den Ganges-Delfin.

Susu, wie ihn die Inder wegen seines prustenden Atemgeräuschs nennen, gehört zu den Flussdelfinen. Eine Familie sind die zwar nicht, denn Ganges-, Jangtse-, Amazonas- und La-Plata-Delfin sind nicht miteinander verwandt. Aber sie sehen alle ähnlich aus – und leider teilen sie auch ein ähnliches Schicksal. Der Bestand aller vier Arten ist bedroht. Am schlimmsten hat es den Jangtse-Delfin getroffen. Er gilt seit Dezember 2006 als ausgestorben – und als die erste Walart überhaupt, die allein der Mensch auf dem Gewissen hat. Platanista gangetica, der Ganges-Delfin, könnte eine der nächsten sein.

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) führt den Susu auf ihrer roten Liste der gefährdeten Tiere. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre ist sein Bestand um mehr als die Hälfte geschrumpft. Nach jüngsten Zählungen des WWF, der Patna University und mehrerer Bundesstaaten leben im Ganges und seinen Nebenflüssen noch 1800 bis 2000 Exemplare. Im Brahmaputra in Bangladesch dürften es nach Schätzungen noch rund 500 Tiere sein, in den Flüssen Nepals vielleicht noch 20. Vom Indus-Delfin, einer Unterart des Platanista gangetica, existieren in Pakistan noch weniger als 1000 Exemplare. Die IUCN rechnet damit, dass die Gesamtpopulation des Susu in den nächsten zwei Jahrzehnten um mindestens 20 Prozent schrumpfen wird. Andere Schätzungen, etwa vom WWF, gehen von 3 bis 10 Prozent pro Jahr aus. Für Delfinforscher Sinha ist das eine Katastrophe.

Der Professor ist ein großer, stämmiger Mann mit strahlendem Lächeln. Aber sein vorgeschobener Unterkiefer verleiht dem 54-Jährigen den Ausdruck großer Entschlossenheit. Schwungvoll klettert er über den Rand des am Ufer lagernden Expeditionsbootes, auf dem sein Team schon wartet. Hier bei Patna, der Hauptstadt des Bundesstaates Bihar, ist der Ganges selbst im Sommer noch ein übergewichtiger brauner Koloss. Der Ganges-Delfin liebt solche Wassermassen. Und so hofft Sinha, in den kommenden Tagen einige Exemplare zu Gesicht zu bekommen. Gemeinsam mit seinem Team vom Zoologischen Institut der Patna University wird der Professor eine Woche lang nach Delfinen suchen, sie beobachten und zählen, Wasserproben nehmen und den Fluss vermessen. Es ist zeitraubende, mühsame Feldforschung, aber nötig, um die Wissenslücken über Platanista gangetica zu schließen – solange es den Delfin noch gibt.

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Die Boots-Expedition, bestehend aus fünf Wissenschaftlern und fünf Mann Besatzung, ist gerade gestartet, als einer von Sinhas Männern auf ein paar Luftblasen deutet. Ein Susu scheint dort abgetaucht zu sein. Ganges-Delfine, erzählt der Professor, sind fast pausenlos aktiv und können bis zu sechs Minuten unter Wasser bleiben. Zeit zum Ausruhen bleibt ihnen in ihrem wirbelnden Lebensraum kaum.

Der Ganges ist derart trübe, dass man die Delfine unmöglich unter Wasser beobachten kann. Den Tieren selbst macht das Dunkel nichts aus. Ihre winzigen Augen sind fast blind. Dafür aber ist ihre Echolot-Ortung mit Ultraschall-Klicks so präzise, dass Platanista noch millimeterdünne Schnüre erkennen kann. Sein Sonar ist hervorragend geeignet, kleine Fische, Insektenlarven und Schnecken aufzuspüren.

Da seine Beute meist am Flussgrund lebt, hat sich der Susu angewöhnt, auf der Seite zu schwimmen und mit seiner Flosse den Bodenschlamm aufzuwühlen. Für seine Beute dürfte der graue Delfin dabei ein furchterregender Anblick sein. Die lange Schnauze ist gespickt mit über 50 nadelspitzen Zähnen. Die Weibchen werden 2,5 Meter lang und fast 100 Kilogramm schwer. Die Männchen sind gut einen halben Meter kleiner. Meistens jagen die Tiere allein.

Gemeinsam trifft man sie nur im Sommer an, wenn der Fluss Niedrigwasser führt. In dieser Zeit paaren sie sich auch. Trächtig werden die Weibchen aber nur alle zwei bis drei Jahre, die Geburtenrate ist entsprechend niedrig.

Welche Stellung der Susu in der Ordnung der Wale einnimmt, ist noch nicht geklärt. Seit einiger Zeit gehen die Wissenschaftler davon aus, dass sich zumindest drei der vier Flussdelfin-Arten unabhängig voneinander entwickelt haben. Sie gleichen sich, weil sie sich im Laufe von Jahrmillionen an ähnliche Lebensräume anpassen mussten. Fossile Funde, die das belegen, gibt es zwar kaum, doch genetische Untersuchungen unterstützen die These. Vermutlich sind die Flussdelfine Relikte einer weit verzweigten Gruppe von Meeressäugern, die vor mehr als 20 Millionen Jahren die Ozeane bevölkerten. Als in dieser Zeit die Meeresspiegel anstiegen, wanderten einige von ihnen tief in die überfluteten Ebenen der Kontinente ein. Im späten Miozän, ungefähr vor fünf Millionen Jahren, zogen sich die Ozeane wieder zurück, die Delfine jedoch blieben in den Flüssen. Dort überdauerten sie, während ihre Verwandten in den Meeren von modernen Delfinartigen wie dem gemeinen Delfin, dem Orca und dem Beluga verdrängt wurden oder aufgrund veränderter Umweltbedingungen ausstarben.

Mit einer Ausnahme: der La-Plata-Delfin, der vor der Südostküste Südamerikas im Meer lebt und trotzdem wie ein Flussdelfin aussieht – langer Schnabel mit spitzen Zähnen, breite Brustflossen, kleine Augen. Einige Forscher vermuten, dass sich die Art einst vom Amazonas-Delfin abgespalten hat und zurück ins Meer gewandert ist. Wenn das stimmt, wären die beiden Arten eng miteinander verwandt. Nach den genetischen Analysen könnte auch der chinesische Jangtse-Delfin dieser Familie nahe stehen. Der Ganges-Delfin jedoch gehört mit ziemlicher Sicherheit nicht zur Sippe.

Stattdessen sehen ihn die meisten Forscher als einzigen Überlebenden einer urzeitlichen Familie an, die sich im Stammbaum der Wale früher abgezweigt hat als die anderen drei Flussdelfin-Arten. Auch Sinha ist davon überzeugt. Denn er hat bei Untersuchungen an toten Exemplaren entdeckt, dass die Tiere einen Blinddarm besitzen – das ist einzigartig unter Walen. Ebenso ungewöhnlich: Platanista vereint in sich genetische Merkmale von Bartenwalen und von Zahnwalen, zwei Unterordnungen, die sich vor mehr als 35 Millionen Jahren getrennt haben. „Susu ist ein lebendes Fossil”, glaubt Sinha. „Durch ihn könnten wir tiefe Einblicke in die Evolution der Wale erlangen.”

Ein Grund mehr, sein Aussterben zu verhindern. Am Ufer zur Rechten erhebt sich die Millionenstadt Patna. Aus dicken Rohren strömen Abwässer direkt in den Ganges. Sinha deutet auf ein Fischerboot, das am Kahn der Forscher vorbeisegelt. Die Fischer holen gerade ihre Netze ein. „Da haben wir schon zwei Gründe für den Niedergang der Delfine”, sagt Sinha.

Zum einen wird die Wasserqualität im Ganges immer schlechter – trotz eines milliardenschweren staatlichen Aktionsplans. Auf weiten Strecken gleicht Indiens wichtigster Strom einer Kloake. Der Delfin als letztes Glied der Nahrungskette kann nur dann überleben, wenn – wie in Patna – genügend Wasser aus Nebenflüssen die Gifte verdünnt.

Die zweite für den Delfin tödliche Bedrohung ist die Fischerei. Die modernen, extrem dünnen Stellnetze kann der Susu selbst mit seinem feinen Sonar nicht orten. Häufig nimmt er nur die – gefangenen – Fische wahr, schwimmt mitten hinein in die Netze, verstrickt sich und ertrinkt. Manche Fischer sehen ihn auch als Konkurrenten an und machen gezielt Jagd auf ihn. Andere stellen ihm wegen seines Körperöls nach, das einen hervorragenden Fischköder abgibt und auch in der traditionellen Medizin verwendet wird.

Sinha tut für die Delfine, was er kann: Er verbindet seine Forschungen mit Schulungs- und Aufklärungskampagnen. Den Fischern erklärt er immer wieder, dass der Delfin kein Konkurrent ist. Der Professor hat sogar einen Köder aus Fischresten entwickelt, mit dem sich höhere Fangquoten erzielen lassen als mit Delfinöl. Doch erst als der Oberste Gerichtshof in Patna empfindliche Strafen aussetzte, kam die Delfinjagd im Bundesstaat Bihar zum Erliegen. Seither sinkt dort die Zahl der Tiere vergleichsweise moderat – um 3 bis 5 Prozent pro Jahr. In anderen Landesteilen verläuft der Niedergang der Art völlig ungebremst.

Dazu tragen auch Staudämme bei. Insbesondere am Oberlauf des Ganges sind sie für den Susu ein riesiges Problem. Flussabschnitte hinter Dämmen fallen trocken, und es gibt zu wenig Beute für die Delfine. Die isolierten Delfin-Populationen haben kaum eine Überlebenschance.

Wie das Ende aussehen könnte, zeigt ein Blick nach China. Unter den Wellen des Jangtse tummeln sich keine Delfine mehr. Lipotes vexillifer, der Jangtse-Delfin – chinesisch: Baiji –, ist Geschichte. Jahrelang hieß es, 10, womöglich 20 Baijis hätten irgendwo im großen Fluss überlebt. Auch heute hoffen das noch einige Forscher. Eine Suchexpedition im vergangenen Jahr fand jedoch keine Spur mehr von dem archaischen grau-weißen Delfin.

„Wir waren zu spät, der Baiji ist verloren”, sagt August Pfluger, der die Expedition organisierte. Pfluger ist Schweizer und Gründer der „baiji.org Foundation”, die sich der Rettung des Delfins verschrieben hat. Dass diese Mission nun gescheitert ist, wird kaum jemanden wundern, der schon einmal am Jangtse war. „Das ist kein Biotop mehr, sondern eine völlig verdreckte Schiffsautobahn”, sagt Pfluger.

Die nahezu blinden, auf Echopeilung angewiesenen Baijis konnten sich nicht mehr orientieren, gerieten in Schiffsschrauben, ertranken in Fischernetzen, fanden kaum noch Nahrung, litten am Gift im Wasser und hatten kein einziges Rückzugsgebiet mehr. Vielleicht ist der letzte von ihnen schon vor Jahren gestorben.

Beim La-Plata-Delfin gibt es noch Hoffnung. Doch auch aus Südamerika mehren sich die Alarmsignale. Wie viele Exemplare des Pontoporia blainvillei, von Einheimischen „Franciscana” genannt, noch existieren, weiß niemand. Jüngste Zählungen aus dem Flugzeug ergaben nach einer Hochrechnung, dass etwa 40 000 La-Plata-Delfine im Meer vor Südbrasilien und Uruguay leben. Vor den Küsten Argentiniens und der Mitte Brasiliens könnten es zusammen noch einmal so viele sein. Besorgniserregend ist aber, wie schnell die Populationen schrumpfen. Denn die örtlichen Fischereiflotten haben die Küstengewässer ziemlich leer gefischt und mussten auf hohe See ausweichen. Damit sind zwar die meisten Netze aus dem Lebensraum des Franciscana verschwunden – leider aber auch wichtige Beutefische.

Der La-Plata-Delfin gehört zu den kleinsten Walarten und ist entsprechend schwer zu beobachten. Die Weibchen werden höchstens 1,74 Meter groß, die Männchen sind 20 Zentimeter kleiner. Wie die anderen Flussdelfine hat auch Franciscana eine lange, dünne Schnauze. Allerdings kann der grau-braune Säuger offenbar ganz gut sehen. Der deutsche Franciscana-Experte Lorenzo von Fersen ist nach Sehtests an einem gefangenen Exemplar überzeugt: „Die sind nicht so blind, wie es immer heißt.” Bei der Jagd nutzt der La-Plata-Delfin aber vor allem sein Echolot, das am besten funktioniert, wenn das Tier auf dem Rücken schwimmt.

Doch es gibt auch eine Flussdelfin-Art, deren Bestand nicht unmittelbar gefährdet ist: den Amazonas-Delfin. In den riesigen Becken von Amazonas und Orinoko leben vermutlich einige Hunderttausend seiner Art. Der deutsche Biologe Thomas Henningsen kam bei Zählungen des Inia geoffrensis, genannt Boto, in Brasilien auf einen Schnitt von einem Delfin pro Flusskilometer. Ob man dieses Ergebnis auf das gesamte Verbreitungsgebiet hochrechnen kann, ist fraglich. Sicher ist jedoch: Der Bestand ist recht stabil.

Wie hat der Boto das geschafft? Zunächst hat er einen geografischen Vorteil: Das Verbreitungsgebiet seiner drei Unterarten ist größer, verzweigter und dünner besiedelt als das der anderen Flussdelfine. Außerdem hat der Boto das Glück, dass die Menschen ihn regelrecht fürchten. In der indianischen Mythologie gilt der Delfin als böser Geist. Vermutlich hat das bizarre Aussehen des Tieres zu diesem Aberglauben beigetragen: Der Boto kann hinterhältig grinsen. So sieht es jedenfalls aus, wenn er mit geschlossenem Maul auftaucht.

Außergewöhnlich sind auch die rosa Färbung der älteren Tiere, die für einen Flussdelfin stattliche Größe von bis zu zweieinhalb Metern, die Tasthaare und der sehr bewegliche kleine Kopf. Die Halswirbel des Delfins sind nicht miteinander verwachsen. Deshalb kann er sich um die eigene Achse drehen und selbst in den Wäldern noch vorwärts kommen, wenn die in der Regenzeit überflutet sind. Kein Wunder, dass die Einheimischen Respekt vor dem Boto haben. Trotzdem stuft die IUCN den Amazonas-Delfin als gefährdet ein. Und das zu Recht, meint Tony Martin vom British Antarctic Survey. Es gebe deutliche Zeichen, dass der Inia in Bedrängnis gerate.

Immer mehr Menschen belasten seine Umwelt. Der Wald wird gerodet, die Flüsse überfischt. Giftstoffe geraten ins Wasser, Abwässer nehmen zu. Henningsen hat festgestellt, dass gut zehn Prozent der von ihm beobachteten Botos schwere Verletzungen aufwiesen – von Netzhaken, Schiffspropellern oder gar Macheten. „ Der Delfin hat ein gigantisches Problem”, sagt der Forscher. Und damit schließt sich der Kreis nach Indien.

Ravindra Kumar Sinha hat den Motor abstellen lassen, das Boot treibt. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtet der Professor die Wasseroberfläche. „Er ist hier”, flüstert er. Neben dem Boot taucht eine graue Rückenflosse auf – und ist gleich wieder verschwunden. Doch plötzlich schraubt sich der Delfin aus dem Fluss. Mit der Schnauze voran steigt er hoch, macht einen Buckel und platscht zurück ins Wasser. „Ein fantastischer Anblick!”, jubelt Sinha. Doch seine Augen verengen sich gleich wieder.

Dort, wo der Delfin abgetaucht ist, bildet sich ein zweiter, kleinerer Wirbel. Es ist ein Delfin-Jungtier, ein Kälbchen. Dicht unter der Oberfläche schwimmt es am Boot vorbei, reckt immer wieder die Schnauze aus den Fluten und scheint den Forschern im Boot zuzunicken. Sinha lächelt, als wäre er selbst der stolze Vater. Und einen Moment lang gibt er sich der Illusion hin, der Susu könne eine Zukunft haben. ■

Rainer Kellers, Journalist aus Köln, hat für die Heinz-Kühn-Stiftung drei Monate lang den Ganges bereist, von der Quelle bis zur Mündung.

Rainer Kellers

COMMUNITY Internet

Infoseite zum Jahr des Delfins:

www.yod2007.org/de

Mitmachseite der Gesellschaft zur Rettung der Delphine e.V.:

www.jahrdesdelfins.net

Infoseiten über Delfine:

www.cetacea.de

www.cetaceen.de

Lesen

Über die Suche nach den seltensten Tieren der Welt, darunter dem Baiji:

Douglas Adams, Mark Carwardine

Die Letzten ihrer Art

Heyne, München 1992, € 8,95

Roman um eine Delfinforscherin:

Amitav Ghosh

Hunger der Gezeiten

Btb, München 2006, € 10,–

Literarische Reise entlang des Ganges. Auch Delfine und Professor Sinha kommen vor:

Ilija Trojanow

An den inneren Ufern Indiens

Piper, München 2006, € 8,–

Ohne Titel

Ein Flussdelfin lebt im Fluss, möchte man meinen. Doch so einfach ist die Definition leider nicht. Denn neben den vier „ echten” Flussdelfinen – von denen einer (der La-Plata-Delfin) im Meer lebt – gibt es einige Arten, die zwar auch im Süßwasser zu Hause sind, aber nicht zu den Flussdelfinen gehören.

„Echte” Flussdelfine sind vermutlich schon vor über 20 Millionen Jahren in die Flüsse gewandert. Die „unechten” Flussdelfine hingegen gehören zu den Schweinswalen oder modernen Delfinen und sind entwicklungsgeschichtlich jünger als Ganges-, Jangtse-, La-Plata- und Amazonasdelfin.

Doch oft überschneiden sich ihre Lebensräume. Zum Beispiel in China: Der Jangtse-Schweinswal, eine Unterart des indischen Schweinswals, lebt im gleichnamigen Fluss. Der Jangtse-Delfin ist bereits vor einigen Jahren ausgestorben, jetzt ist auch der Schweinswal bedroht. Nach Zählungen der Organisation baiji.org schwimmen im Jangtse kaum noch 500 Exemplare davon.

Auch der Ganges-Delfin teilt seinen Lebensraum teilweise mit einem „unechten” Flussdelfin, dem Irawadi-Delfin. Dieser sieht dem Beluga ähnlich und lebt in den Mündungsbereichen von Ganges, Mekong und einigen anderen südasiatischen Flüssen. Sein Bestand ist vermutlich gefährdet, noch fehlen aber sichere Daten.

Ähnlich steht es um den Sotalia oder Tucuxi in Südamerika. Eine von zwei Unterarten lebt ausschließlich in den Wasserläufen von Amazonas und Orinoko. Der Tucuxi ist damit ein direkter Nachbar des Amazonas-Delfins (Boto), und wie er könnte auch der Tucuxi in den nächsten Jahren in Bedrängnis geraten.

Einige andere Wal-Arten leben in der Nähe von Flussmündungen. Manche davon wandern stromaufwärts, beispielsweise der indische Flussdelfin und der Kamerun-Flussdelfin. Echte Flussdelfine sind sie trotz des Namens jedoch nicht.

Ohne Titel

· Der Jangtse-Delfin gilt seit 2006 als ausgestorben, auch die anderen drei echten Flussdelfin-Arten sind bedroht.

· Abwässer, Fischerei und Staudämme sind die Faktoren, die dem Ganges-Delfin am meisten schaden.

· Als Zwischenglied zwischen Zahn- und Bartenwalen ist er ein lebendes Fossil.

Ohne Titel

Nicht nur am Ganges gibt es engagierte Naturschützer, die sich um Delfine sorgen. Der Schweizer August Pfluger (oben rechts), Präsident der Stiftung baiji.org, kümmert sich nach dem Aussterben des Jangtse-Delfins (oben links) nun um den Jangtse-Schweinswal. Um den Amazonas-Delfin (Mitte) sorgt sich der British Antarctic Survey mit seinem Boto-Projekt. Zum Schutz des La-Plata-Delfins (unten) hat der deutsche Zoologe Lorenzo von Fersen die Organisation Yaqupacha (www.yaqupacha.de) gegründet. Dort untersuchen Forscher auch verendete Tiere, um die genaue Todesursache festzustellen (unten rechts).

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