Die Evolution war in puncto Ruhen extrem erfinderisch. Jede Art hat eine eigene Variante ausgetüftelt. Die einen schlafen nachts, die anderen tags. Das Pferd erledigt sein Schlafbedürfnis ohne viel Aufhebens im Stehen. Der Storch stellt sich graziös auf ein Bein und schläft, ohne zu schwanken, ein. Fische lassen ihre Augen offen. Fledermäuse hängen ihre Köpfchen nach unten. Und während diese oft den ganzen Tag (bis zu 20 Stunden) verschlafen, traut die Giraffe, nachdem sie liegend ihren Hals nach hinten sortiert hat, dem nächtlichen Frieden nur Minuten bis maximal zwei Stunden. Sie weiß, die Natur, meist in Gestalt eines Löwen, ist ungerecht und grausam.
Von Walen, Delfinen oder Robben ist seit langem bekannt, dass sie nur mit einer Hirnhälfte schlafen können, während die andere navigiert. Ein Auge geschlossen, ein Auge offen, dümpeln sie in den Ruhephasen vor sich hin. Beherrschen Vögel diesen Halbseitenschlaf womöglich auch? Schlafen sie, während sie fliegen? Der Ornithologe Niels Rattenborg ist ihnen im Max-Planck-Institut im bayerischen Seewiesen auf der Spur und beobachtet Zugvögel in einem 20 Meter langen Windkanal. Je nach Art werden Windgeschwindigkeit und Temperatur eingestellt, Landschaftsbilder simulieren unten die richtige Gegend, und oben funkeln künstliche Sterne. Während dieses “Vogelzuges” werden die Hirnströme gemessen. Was wohl dabei herauskommt?
Wären wir Menschen noch mehr Tier, also ein bisschen mehr Wal oder Delfin, würden wir weniger Unfälle bauen (lesen Sie unseren Artikel über den Sekundenschlaf Seite 82). Stellen wir uns vor: Immer, wenn sich Müdigkeit ankündigt, gingen wir vom Gas, führen einäugig etwas langsamer, während eine Hirnhälfte ruht. Doch weil die “Krone der Schöpfung” sich vom Tierreich schon zu weit entfernt hat, sei Ihnen, liebe Leser, angeraten, schon beim ersten Anzeichen von Müdigkeit, rechts ran zu fahren. Kommen Sie gut ans Ziel, es ist Ferienzeit, Ihre
Ilona Jerger, Chefredakteurin