Fest, flüssig, gasförmig: So klar ordnen sich die verschiedenen Aggregatzustände der meisten Materialien laut Schulbuch. Doch japanische Forscher entdeckten unter hohen Drücken in geschmolzenem Phosphor zwei unterschiedliche Flüssigphasen. Beide unterscheiden sich wesentlich in ihrem molekularem Aufbau und in der Dichte. Diesen neuen Phasenübergang zwischen flüssig und fluid ? bisher als Synonyme verwendet ? beschreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science (Vol. 306, S. 848).
“Als die unter geringen Drücken stehende Flüssigkeit weiter komprimiert wurde, tauchten dunkle und runde Objekte auf”, berichten Yoshinori Katayama und seine Kollegen vom
Synchrotron-Forschungszentrum im japanischen Hyogo. Und diese neuen Objekte waren zur Überraschung der Forscher ebenfalls flüssig. Über die Streuung von Röntgenstrahlung konnten sie den bisher unbekannten Wechsel zwischen den beiden flüssigen Phosphorphasen eindeutig messen. Damit wird dem bisher gültigen Grundsatz, dass Flüssigkeiten nicht komprimierbar sind, im Prinzip widersprochen.
Genauer betrachtet vollzieht sich in der Phosphor-Schmelze bei 1000 Grad Celsius und unter einem enormen Druck von einem Gigapascal ein Strukturwechsel der Moleküle in den Flüssigkeiten. Unterhalb dieses Druckes liegen wild durcheinander tetraedische Moleküle mit jeweils vier Phosphoratomen in der Schmelze vor. Oberhalb vernetzen sich diese Tetraeder zu längeren Ketten. Aber dadurch wird das Material nicht fest, sondern es liegt die bisher unbekannte zweite flüssige Phase mit einer verringerten Dichte vor.
Nachdem bereits in festen Körpern verschiedene Zustände von ein und demselben Material bekannt sind, müssen nun auch die Flüssigkeiten bestimmter Elemente differenziert werden. Phosphor gilt bisher als einzigartiger Pilotfall für einen flüssig-fluiden-Phasenübergang erster Ordnung, der scharf, sprunghaft und umkehrbar auftritt, sobald eine Druckgrenze überwunden wird. Weniger klare Übergange zwischen verschiedenen Flüssigphasen wurden aber auch schon bei metastabilem, stark unterkühlten Wasser und bei Yttriumaluminiumoxid festgestellt.
Jan Oliver Löfken