Die auffälligen Eiweißklumpen im Gehirn von Alzheimerpatienten sind nicht der Hauptauslöser der typischen Gedächtnisstörungen: Schon lange bevor sich diese so genannten Plaques bilden, beeinträchtigt ein kleiner Eiweißkomplex die Erinnerungsfähigkeit, haben amerikanische Forscher in einer Studie an Mäusen gezeigt. Hauptbestandteil dieses Komplexes ist dabei eine ungewöhnliche Variante des Abeta-Peptids, das auch die Hauptkomponente der Plaques ist. Die Entdeckung könnte einmal einen Ansatz für die Entwicklung einer vorbeugenden Therapie bieten, hoffen die Forscher.
Obwohl Alzheimer und die damit verbundenen Veränderungen des Gehirns schon seit vielen Jahren bekannt sind, ist immer noch nicht klar, was genau den Gedächtnisverlust auslöst. Lange Zeit hielten Wissenschaftler sowohl die im Mikroskop deutlich sichtbaren Eiweißplaques als auch faserige Proteinbündel innerhalb der Zellen für die verantwortlichen Faktoren. Mittlerweile gibt es jedoch starke Zweifel an dieser Theorie: Die Gruppe um Karen Ashe von der
Universität von Minnesota in Minneapolis entdeckte im Juli vergangenen Jahres
deutliche Hinweise darauf, dass die Proteinfasern kein Auslöser für die Gedächtnisstörungen sein können. Auch die Funktion der Plaques ist unklar. So nimmt bei genetisch veränderten Mäusen beispielsweise die Erinnerungsfähigkeit im Alter von sechs Monaten deutlich ab, ohne dass überhaupt die typischen Eiweißklumpen in ihren Gehirnen sichtbar wären.
Relativ unumstritten ist jedoch, dass der Hauptbestandteil der unlöslichen Klumpen, ein Proteinfragment namens Abeta, eine Schlüsselrolle bei dem Gedächtnisverlust spielt. Welche das ist, konnten Ashe und ihre Kollegen nun zeigen: Sie fanden eine etwas längere, lösliche Variante des Abeta-Peptids, die sich im Gehirn sechs Monate alter Mäuse anreichert und sich außerhalb der Gehirnzellen zu kleinen Gruppen zusammenlagert. Die Menge dieser Abeta-Komplexe korrelierte ziemlich genau mit dem Verlauf der Gedächtnisstörungen, schreiben die Forscher. In einem weiteren Test isolierten sie die Proteinkomplexe und spritzten sie jungen Ratten ins Gehirn ? mit einem eindeutigen Effekt: Die zuvor gesunden Tiere entwickelten innerhalb weniger Stunden deutliche Gedächtnisstörungen.
In weiteren Studien wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, ob bei Alzheimerpatienten ähnliche Komplexe nachweisbar sind und wenn ja, ob diese die gleiche Funktion haben. Sollte sich das bestätigen, könnte die Demenzkrankheit mithilfe der Abeta-Komplexe in Zukunft möglicherweise sehr viel früher erkannt werden. Die Forscher halten es sogar für möglich, den Ausbruch der Krankheit durch eine frühzeitige Auflösung der Komplexe verhindern zu können. Dazu müsse jedoch zuerst geklärt werden, wie die Proteine die Hirnfunktionen beeinträchtigen.
Karen Ashe (Universität von Minnesota, Minneapolis) et al.: Nature, Bd. 440, S. 352 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel