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Früheste Tiere: Rippenquallen waren die ersten

Erde|Umwelt

Früheste Tiere: Rippenquallen waren die ersten
Rippenqualle
Rippenquallen, hier die Art Hormiphora californensis), sind die Schwestergruppe aller anderen mehrzelligen Tiere. © Darrin Schultz / 2021 MBARI

Wie verlief die früheste Evolution der Tiere? Welche Gruppe bildete die erste Abzweigung im Stammbaum der Tiere? Eine Studie zeigt nun anhand von Chromosomenanalysen, dass sich Rippenquallen vor rund 700 Millionen Jahren als erste abspalteten – noch vor den Schwämmen, die bisher als urtümlichste Vertreter des Tierreichs galten. Rippenquallen sind demnach von allen heutigen Tieren auf genetischer Ebene noch am engsten mit den Einzellern verwandt, aus denen sich die ersten Tiere entwickelten.

Vor mehreren hundert Millionen Jahren entwickelten sich in den Ozeanen aus einzelligen Mikroorganismen die ersten mehrzelligen Tiere. Doch welche der heute noch zu findenden Tiergruppen ist die urtümlichste? Bisher ging die Wissenschaft gemeinhin davon aus, dass es sich um die Schwämme handelt. Sie haben weder Organe noch Nervensystem und wirken wie eine Zusammenlagerung aus Einzellern. Als weiterer Kandidat galten Rippenquallen (Ctenophora), die optisch Quallen ähneln, allerdings nur entfernt mit ihnen verwandt sind. Genanalysen zeigten zwar, dass sowohl Schwämme als auch Rippenquallen sehr urtümlich sind, konnten aber nicht klären, welche der beiden Gruppen den ersten Zweig des tierischen Stammbaums bildete.

Schwämme, Rippenquallen und Einzeller untersucht

Ein Team um Darrin Schultz von der Universität Wien in Österreich hat das Rätsel nun gelöst. Statt zu analysieren, wie sich die Gene im Laufe der Zeit entwickelt haben, fokussierten sich Schultz und seine Kollegen darauf, in welcher Reihenfolge die Gene auf den Chromosomen angeordnet sind. Dieses Merkmal verändert sich im Laufe der Evolution nur sehr wenig. In einer vorangegangenen Studie hatte das Forschungsteam gezeigt, dass die Chromosomen von Schwämmen, Quallen und vielen anderen wirbellosen Tieren sehr ähnliche chromosomale Genmuster tragen, obwohl sie sich mehr als eine halbe Milliarde Jahre lang unabhängig voneinander entwickelt haben.

Für die aktuelle Studie verglich das Team die Chromosomenstruktur von zwei Arten von Schwämmen, zwei Rippenquallen-Spezies und drei einzelligen Lebewesen, die nicht zum Stamm der Tiere gehören. Das Ergebnis: In entscheidenden Punkten ähnelte die Anordnung der Gene bei Rippenquallen eher der von Einzellern. „Das war der Knackpunkt“, sagt Co-Autor Daniel Rokhsar von der University of California in Berkeley. „Wir fanden eine Handvoll Umlagerungen, die Schwämme und alle anderen Tiere außer Rippenquallen gemeinsam haben. Im Gegensatz dazu ähnelten die Rippenquallen den Nicht-Tieren. Die plausibelste Erklärung ist, dass sich die Rippenquallen abgezweigt haben, bevor die Umstrukturierungen stattfanden.“

Fenster in die Vergangenheit

„Die Fingerabdrücke dieses uralten evolutionären Ereignisses sind noch Hunderte von Millionen Jahren später in den Genomen von Tieren zu finden“, sagt Schultz. Damit öffnen die Chromosomanalysen ein Fenster in eine bislang weitgehend unbekannte Epoche der frühesten Entwicklung der Tiere. „Der jüngste gemeinsame Vorfahre aller Tiere lebte wahrscheinlich vor 600 oder 700 Millionen Jahren“, erklärt Rokhsar. „Es ist schwer zu sagen, wie sie aussahen, da es sich um Tiere mit weichen Körpern handelte, die keine direkten fossilen Spuren hinterlassen haben. Aber wir können Vergleiche zwischen lebenden Tieren anstellen, um etwas über unsere gemeinsamen Vorfahren zu erfahren. Mit unserer Analyse blicken wir tief in die Vergangenheit zurück, wo wir keine Hoffnung haben, Fossilien zu finden – aber durch den Vergleich von Genomen lernen wir etwas über diese sehr frühen Vorfahren.“

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Die Studie liefert somit einen wichtigen Grundstein, um zu verstehen, in welcher Beziehung die Tierstämme zueinander stehen – von primitiven Organismen wie Rippenquallen und Schwämmen über Würmer und Gliederfüßer bis hin zu Wirbeltieren wie dem Menschen. Zudem kann sie dabei helfen zu ergründen, wie sich wichtige Merkmale wie das Nervensystem, die Muskeln und der Verdauungstrakt entwickelt haben. „Diese Forschung gibt uns einen Kontext für das Verständnis dessen, was Tiere zu Tieren macht“, sagt Schultz. „Sie wird uns helfen, die grundlegenden Funktionen zu verstehen, die wir alle gemeinsam haben, zum Beispiel die Wahrnehmung der Umgebung, die Ernährung und die Fortbewegung.“

Quelle: Darrin Schultz (Universität Wien, Österreich) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05936-6

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