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Fürsorgliche Säbelzahnkatzen

Paläontologie

Fürsorgliche Säbelzahnkatzen
Künstlerische Darstellung von Smilodon-Säbelzahnkatzen an einem Riss. (Bild: 1988 MARK HALLETT MURAL, “TRAPPED IN TIME." COURTESY OF LA BREA TAR PITS.)

Knöcherne Hinweise auf eine soziale Lebensweise: Forscher haben an Überresten einer erwachsenen Smilodon-Säbelzahnkatze die Zeichen einer angeborenen Hüftdysplasie festgestellt. Wie sie erklären, konnte sich das Tier aufgrund dieser Missbildung nur hoppelnd fortbewegen und war somit nicht zur Jagd fähig. Dass es bis ins Erwachsenenalter hinein überlebte, belegt somit: Säbelzahnkatzen lebten in sozialen Gemeinschaften, in denen bedürftige Gruppenmitglieder mit Nahrung versorgt wurden, sagen die Wissenschaftler.

Die buchstäblich herausragenden Reißzähne sind ihr Markenzeichen: Die Säbelzahnkatzen sind Stars der eiszeitlichen Megafauna und wurden unter anderem durch den Animationsfilm Ice Age bekannt. Bei dem dargestellten „Diego“ handelt es sich um einen Smilodon fatalis. Über diese amerikanische Art aus der Gruppe der Säbelzahnkatzen ist durch Funde aus den Asphaltgruben von Rancho La Brea in Los Angeles am meisten bekannt. Darin wurden die Überreste zahlreicher Individuen entdeckt, die aus der Zeit von vor etwa 50.000 Jahren bis zum Aussterben von Smilodon vor etwa 11.000 Jahren stammen.

Verhaltenshinweise aus der Pathologie

Neben Informationen über den Körperbau der bis zu etwa 300 Kilogramm schweren Raubkatzen lieferten die Fossilien von Rancho La Brea Forschern auch bereits Hinweise auf das Verhalten von Smilodon. Besonders aufschlussreich war dabei die Sammlung von Knochen, die Anzeichen von Verletzungen und Krankheiten aufweisen. Aus Spuren von häufigen Verletzungen im unteren Rückenbereich geht hervor, dass die stämmigen Raubtiere offenbar große eiszeitliche Beutetieren wie Bisons erlegten, indem sie sich auf sie warfen. Man nimmt bereits an, dass sie im Sozialverband lebten und jagten, ähnlich wie die heutigen Löwen. Darauf deuten Spuren überstandener Verletzungen hin, die vermutlich nur heilen konnten, weil geschwächte Tiere durch die Gruppe versorgt wurden. Der aktuelle Befund bildet in diesem Zusammenhang nun einen besonders überzeugenden Hinweis für das Leben im Sozialverband.

Im Visier der Forscher um Mairin Balisi vom La Brea Tar Pits and Museum in Los Angeles standen die Überreste eines Hüftgelenks und des dazugehörigen Oberschenkelknochens, das schon lange zur Pathologie-Sammlung der Einrichtung gehört. Mehr als ein Jahrhundert lang dachten Paläontologen, dass die deutlich sichtbaren Schäden an den Knochen durch ein Trauma oder eine Infektion verursacht worden waren, die schließlich zum Tod des Tieres geführt haben. Doch Balisi und seine Kollegen hatten Zweifel an dieser Erklärung und untersuchten den Fall deshalb nun erneut mit modernen Verfahren der Pathologie: Sie unterzogen die Überreste einer Computertomographie. Die daraus resultierenden Bilder wurden dann zur Erstellung von 3D-Modellen verwendet, die auch das Knocheninnere umfassen.

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Angeborene Behinderung

Nach der detaillierten Analyse der Strukturen kam das Team zu der Diagnose: Die Schäden an dem Gelenk sind nicht auf eine bei der Jagd erlittene Verletzung zurückzuführen – das Tier litt stattdessen unter einer angeborene Hüftdysplasie. Es handelt sich dabei um eine Fehlbildung der Hüftgelenke, die auch von Hunden und Katzen bekannt ist. Wie die Forscher erklären, ist der Befund bei einem ausgewachsenen Smilodon bemerkenswert, denn das Tier muss den Befunden zufolge von klein auf stark laufbehindert gewesen sein. Dadurch konnte dieses Exemplar nicht jagen, denn Smilodon benötigte starke Hinterbeine, um schnell zu rennen und sich auf Beutetiere wie Bisons oder Kamele werfen zu können.

Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus den Befunden nun ein besonders überzeugender Hinweis auf das komplexe Sozialverhalten bei Säbelzahnkatzen, sagen die Wissenschaftler: Offenbar sorgten die Raubtiere innerhalb der Gruppen füreinander. „In diesem Fall litt das Tier also an einer stark beeinträchtigenden Entwicklungsstörung und konnte dennoch bis ins Erwachsenenalter hinein überleben. Somit liegt nahe, dass dieses Individuum von anderen unterstützt wurde“, resümiert Balisi. Seine Gruppenmitglieder versorgten den Bedürftigen demnach mit Nahrung oder er wurde zumindest beim Schmaus am Riss geduldet.

Dass Smilodon möglicherweise ähnlich wie Löwen in sozialen Gruppen lebte, lag aufgrund der nur entfernten Verwandtschaftsbeziehungen keineswegs nahe, betonen die Forscher abschließend. „Denn er stand den heutigen Großkatzen etwa nur so nahe wie unsere Hauskatzen“, sagt Balisi. Abgesehen von den Löwen sind Tiger, Jaguar und Co außerdem Einzelgänger. „Soziales Verhalten lässt sich aus Fossilien normalerweise nur schwer ableiten. Doch im Fall von Smilodon haben wir nun das Glück, dass mittlerweile gleich mehrere Hinweise belegen, dass diese Raubkatzen sozial waren“, so Balisi.

Quelle: Natural History Museum of Los Angeles County, Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-021-99853-1

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