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Genetische Überraschung beim Einhorn-Wal

Erde|Umwelt

Genetische Überraschung beim Einhorn-Wal
Dänische Forscher haben das Genom eines Narwals sequenziert und zeigen, dass die Spezies eine äußerst geringe genetische Vielfalt aufweist. (Bild) Binia De Cahsan

Das gewundene Horn auf der Stirn ist ihr bizarres Markenzeichen – auffällig ist aber auch das Erbgut der Narwale, berichten nun Forscher. Die Meeressäuger weisen eine überraschend geringe genetische Vielfalt auf, geht aus einer Genomsquenzierung hervor. Normalerweise ist dies für Arten am Rande des Aussterbens typisch und auch problematisch. Doch bei den Narwalen zeichnet sich interessanterweise ab: Sie gedeihen schon lange trotz der geringen genetischen Vielfalt prächtig und ihre Bestände sind auch heute noch vergleichsweise groß.

Das Einhorn ist nicht nur ein Fabelwesen. Zwar gibt es die Pferde-Version tatsächlich nicht, wohl aber eine Wal-Version: Die männlichen Narwale (Monodon monoceros) tragen auf ihrer Stirn ein bis zu drei Meter langes Horn, bei dem es sich genaugenommen um einen gewundenen Zahn handelt. Diese bizarre Struktur hat den Bewohnern der nordischen Gewässer den Spitznamen Einhörner der Meere eingebracht. Dazu passend gelten sie noch immer als geheimnisvoll – es gibt viele offene Fragen zur Biologie dieser Vertreter der Zahnwale. Um Einblicke in das Erbgut der Narwale zu erhalten, hat ein Team um Eline Lorenzen von der Universität von Kopenhagen das Genom eines Narwals sequenziert und nun zunächst die grundlegenden Eigenschaften analysiert.

Den Regeln entgegen

Wie die Wissenschaftler berichten, zeichnete sich ab, dass die Tiere im Gegensatz zu anderen Vertretern der Zahnwale und auch zu ihren nächsten Verwandten – den Belugawalen – eine ausgesprochen geringe genetische Vielfalt aufweisen. Aus bestimmten genetischen Spuren geht hervor, dass diese Einschränkung nicht etwa erst kürzlich zu einem „Problem“ dieser Tierart avancierte: Den Forschern zufolge scheinen die Narwale seit etwa einer Million Jahre mit der geringen genetischen Vielfalt gut zu existieren.

Dies erscheint überraschend, denn normalerweise gilt eine geringe genetische Vielfalt als höchst problematisch für eine Spezies. Denn wenn weniger DNA-Variationen für die natürliche Auslese vorhanden sind, wird es für eine Art schwierig, sich an Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen. “Um zu überleben und widerstandsfähig gegenüber Herausforderungen zu sein, scheint eine hohe genetische Diversität nötig, aber nun haben wir hier diese Spezies, die schon seit der letzten Million Jahre eine geringe genetische Vielfalt besitzt und immer noch da ist – und eigentlich recht zahlreich vorkommt”, sagt Lorenzen. Konkret: Man geht davon aus, dass etwa 170.000 Narwale durch die Nordmeere schwimmen. “Dies zeigt uns, dass ein Blick auf die Anzahl der Individuen nicht auf die genomische Vielfalt einer Spezies schließen lässt”.

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Hinweis auf die Geschichte der Einhörner der Meere

Eine Erklärung für den Befund scheint, dass es in der Geschichte der Narwale ein Engpass-Ereignis gegeben hat, bei dem die Populationsgröße zeitweilig stark gesunken ist und dann wieder expandierte. Dies führt allerdings meist zu einer Anhäufung ungünstiger Genvarianten innerhalb einer Spezies. Bei den Narwalen zeichnet sich dies aber nicht ab. Die Wissenschaftler vermuten deshalb eher, dass die Narwale einer traditionell kleinen Population entstammten, die sich dann plötzlich stark vermehren konnte. Dies könnte zu Beginn der Eiszeit vor etwa 115.000 Jahren passiert sein. Damals bildete sich ein idealer Lebensraum, in dem sich die Narwale rasch ausbreiten konnten. “Möglicherweise haben diese Tiere verschiedene Mechanismen entwickeln, um mit ihrem begrenzten Genom fertig zu werden”, sagt Co-Autor Michael Vincent Westbury. “Diese Studie legt nahe, dass wir die bisherigen Annahmen dazu hinterfragen sollten, inwieweit die genetische Vielfalt die Überlebensfähigkeit einer Art vorhersagt”, so Westbury.

Den Forschern zufolge scheinen sich die meisten Narwalbestände zwar derzeit gut zu entwickeln. Ob dies allerdings so bleiben wird, ist unklar, denn ihre arktische Heimat ist besonders stark vom Klimawandel betroffen. “Wir können nicht sagen, ob die Tiere die Anpassungsfähigkeit besitzen, um diesen schnellen Veränderungen standzuhalten”, sagt Lorenzen. “Klar scheint allerdings: Zumindest bis heute haben sie es trotz ihrer geringen genetischen Vielfalt geschafft.”

Quelle: Cell Press, iScience, doi: 10.1016/j.isci.2019.03.023

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