Die Vorsitzende der Ethikkommission des Bundestags, Margot von Renesse (SPD), sprach von einem „gewaltigen Handlungsbedarf“. Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder des Datenschutzes müsse weitgehend ausgeschlossen werden, sagte sie dem Deutschlandfunk. Außerdem gelte es, die Verwendung von Erkenntnissen aus der Genomforschung im Arbeits- und Versicherungsrecht weitgehend zu klären.
Auch in der Frage des Umgangs mit embryonalen Stammzellen mahnte Renesse schnelle gesetzliche Regelungen an. Mit Blick auf England, Frankreich, Niederlande und Belgien, wo es bereits entsprechende Gesetze gibt oder bald geben soll, sagte sie: „Wenn wir uns nicht beeilen, dann werden unsere ethischen Grenzen schon allein durch den Druck dessen, was in unserer unmittelbaren Nachbarschaft passiert, einstürzen.“
Vor einer Diskriminierung von Menschen wegen ihrer genetischen Veranlagung warnte der behindertenpolitische Sprecher der PDS- Bundestagfraktion, Ilja Seifert. „Für mich stellt sich die Frage, ob nicht ein Verbot der Diskriminierung wegen genetischer Disposition in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte.“
DFG-Präsident Winnacker begrüßte die Entscheidung der Bundesregierung, für die Genomforschung 870 Millionen Mark in den nächsten drei Jahren bereitzustellen. Die Genomforschung biete viele medizinische Chancen: Die reinen Erbkrankheiten machen laut Winnacker nur 0,1 bis 0,2 Prozent aller Sterbefälle aus. Die „wirklichen Killer“ wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und neurologische Erkrankungen seien aber auch in Genen angelegt und zwar in mehreren gleichzeitig. „Das muss man erst einmal verstehen, um dann Therapien entwickeln zu können.“
Auch für den Biologen Hubert Markl, seit 1996 Präsident der Max- Planck-Gesellschaft (München), geht nach der vollständigen Entzifferung die Arbeit erst los. „Die Früchte werden erst im Lauf der nächsten Jahrzehnte geerntet werden“, sagte Markl dem „Tagesspiegel“ Berlin (Dienstagsausgabe). Die nächste Aufgabe bestehe darin „zu verstehen, was die vielen Gene tatsächlich bewirken, wie sie zusammenspielen, wie sie im gesunden oder auch im kranken Organismus an verschiedenen Stellen ihre Aufgabe erfüllen“.
Gene seien zwar für viele Eigenschaften des Menschen wie Lernvermögen und Sprachlernen eine wichtige Voraussetzung, sie seien aber nur in den allerseltensten Fällen zwingende Faktoren oder schicksalhaft. „Auch Gene müssen sich mit der Umwelt auseinander setzen, um ein Merkmal auszuprägen. Das macht’s zwar kompliziert, aber es führt zu einer ausgewogenen Betrachtung von Erbe und Umwelt.“
Nach Angaben von Jörg Wadzack, dem wissenschaftlichen Koordinator des Human-Genom-Projekts in Deutschland, wollen sich Forscher in Zukunft auf die Suche jener Gene und Proteine konzentrieren, die entscheidend zu Krankheiten beitragen. „Diese Proteine könnten dann, so ist die Hoffnung, Zielmoleküle für neue Medikamente werden“, sagte er der dpa in Berlin. Der Unterschied zur bisherigen Arzneimittelherstellung werde darin bestehen, dass die neuen Wirkstoffproteine viel gezielter als bisher in den Stoffwechsel eingreifen.
dpa