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Gentechnologie

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Gentechnologie
Die 6 Versprechen der Gentechnik. Die einen erwarten von der Gentechnik die Erlösung von Krankheiten und Hunger, die anderen fürchten die totale Manipulierbarkeit des Menschen und Gesundheitsrisiken durch „Gen“-Lebensmittel. Wer hat recht? Die bdw-Analyse gibt Antworten.

Die Debatte um Chancen und Risiken der Gentechnik hechelt der aktuellen Entwicklung um Jahre hinterher. Während gerade erst viele Studien abgeschlossen werden, in denen mögliche unliebsame Folgen beim Umgang mit gentechnisch verändertem Leben aufgedeckt werden sollen, machen Pharmazie und Lebensmittelindustrie längst Milliardenumsätze mit Produkten der Gentechnik. Daran ändert auch das strenge Gentechnikgesetz in der Bundesrepublik nichts.

Problematisch wird es, wenn Pflanzen und Tiere durch Gene anderer Arten in ihren Eigenschaften verändert werden – wenn zum Beispiel eine Erdbeere auf einmal keine Erdbeere mehr ist, sondern eine „Flunderbeere“: Fisch-Gene machen solche Erdbeeren widerstandsfähiger gegen Frost. Doch wer eine Allergie gegen Fischeiweiß hat, dem könnte ein Gen-Erdbeerkuchen schlecht bekommen.

Vor acht Jahren waren es noch weniger als 100 Krankheiten, deren genetische Wurzeln untersucht werden konnten, heute sind es über 1000. Für immerhin 72 dieser Erbleiden stehen in Deutschland Routinemethoden zur ärztlichen Diagnostik zur Verfügung. Solche Tests, die nur von humangenetischen Beratungsstellen und spezialisierten Fachärzten vorgenommen werden dürfen, gibt es beispielsweise für Mukoviszidose, Huntington-Krankheit und einige erbliche Krebsleiden. Seit einigen Monaten ist in den USA ein Gentest zum Nachweis einer bestimmten Veranlagung für die Alzheimer-Krankheit auf dem Markt. Bis Ende des Jahres wird auch ein Test für ein brustkrebsförderndes Gen (BRCA1) erwartet. Bei der Mehrzahl der Krankheiten, bei denen bislang fehlerhafte Gene als Ursache identifiziert sind, besteht vorerst keine Hoffnung auf Heilung. Nichts von dem Gendefekt zu wissen, kann unter Umständen mehr Lebensqualität bedeuten.

Der 14. September 1990 gilt als der Geburtstag der Gentherapie. Damals versuchten amerikanische Ärzte erstmals, eine auf einem Gendefekt beruhende Krankheit durch die Übertragung eines gesunden Gens zu kurieren. Es handelte sich um ADA, den Adenosin-Desaminase-Mangel, eine tödliche Erkrankung des Immunsystems. In die „Medizin des nächsten Jahrtausends“ setzen Ärzte und ihre Patienten seither große Hoffnungen. Verspricht sie doch, durch den Austausch oder die Reparatur der verantwortlichen Gene, Krankheiten zu „heilen“ – statt nur Symptome zu lindern. Trotz des Booms klinischer Anwendungen einer Gentherapie sind die Beweise für die Wirksamkeit bislang dürftig. So kamen im Dezember 1995 die amerikanischen Gesundheitsinstitute bei Überprüfung aller vorliegenden Ergebnisse zu dem Schluß: „Bei keinem Verfahren der Gentherapie wurde die klinische Wirksamkeit bisher zweifelsfrei nachgewiesen.“ Auch der Erfolg der als Paradefall vorgestellten Gentherapie des ADA-Mangels ist nur schwer zu beurteilen: Allen bislang mit Genen behandelten Kindern wird das ausgefallene Enzym weiterhin künstlich zugeführt.

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Auf keinem Gebiet hat sich die Gentechnik bisher als nützlicher erwiesen als bei der Herstellung neuer Medikamente. Schon heute sind 30 Präparate im Handel, bei deren Produktion die Gentechnik eine Rolle spielt, 3 von ihnen stehen sogar auf der Bestsellerliste der 10 umsatzstärksten Arzneimittel weltweit: Der Blutbildner Erythropoietin belegt mit 1,8 Milliarden US-Dollar Platz drei. Kaum weniger brachten Humaninsulin (1,6 Milliarden) und die Krebsmedikamente Interferon alpha-2a und 2b (1,5 Milliarden) ein. Allein in den Vereinigten Staaten befinden sich weitere 230 Gentechnik-Medikamente und Diagnostika in der Entwicklung. 120 werden schon klinisch erprobt. So verwundert es nicht, daß der Einsatz der Gentechnik zur Entwicklung neuer Medikamente von der Mehrheit der Menschen begrüßt wird.

Es gibt eine Reihe tropischer Nutzpflanzen, bei denen die genetische Grundlagenforschung daran arbeitet, sie gegen Schädlinge und Krankheiten resistent zu machen“, ist Prof. Jozef Schell, Direktor am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung überzeugt: Reis, Cassava, Dattelpalme. Die Betonung liegt auf den Grundlagen, nicht auf den Anwendungen Betrachtet man dagegen die Listen genetisch veränderter Pflanzensorten, die praktisch getestet oder sogar schon genutzt werden, so tauchen darin immer wieder Tomaten, Kartoffeln, Mais und Raps auf, die vor allem für die hochtechnisierte Landwirtschaft der Industrienationen interessant sind. Ein Grund, die Vorhaben der Pflanzengenetiker skeptisch zu betrachten, sind ihre bisherigen Ziele: Ganz oben steht meist nicht die propagierte Resistenz gegen Krankheiten oder Schädlinge, sondern die gegen Herbizide. Ungeklärt ist bisher auch noch, ob die Resistenz von den Nutzpflanzen gegen ein Herbizid nicht – ungewollt – auf andere Kräuter übertragen werden kann.

Rohstoffe aus gentechnisch optimierten Organismen sind bisher Mangelware. Zu groß ist die Konkurrenz durch billige Natur- oder Erdölprodukte, zu gering die Akzeptanz beim Verbraucher. Die in Wasch- und Reinigungsmitteln eingesetzten Tenside etwa stammen aus der in Südostasien angebauten Ölpalme. Diese Pflanzen bilden ohne Zutun der Genetiker die begehrten Fettsäuren mit einer Kettenlänge von 12 bis 14 Kohlenstoff-Atomen. Eine echte Umweltentlastung bringen rekombinante Bakterien, die Proteasen herstellen, Wachmittelzusätze gegen eiweißhaltige Verschmutzungen. Gentechnisch erzeugte Proteasen haben eine größere Waschleistung. Entsprechend geringer ist der Verbrauch. Die Firma Henkel, die jährlich bis zu 4000 Tonnen dieser Eiweißkiller ihren Waschmitteln zusetzt, spricht von einer Verringerung der Umweltbelastung von 60 Prozent.

Die Lebensmittel-Industrie sagt bis zum Jahr 2000 eine jährliche Zuwachsrate von 30 Prozent beim Umsatz mit bio- und gentechnischer Nahrung voraus. Die größten Profite werden von transgenen Nutzpflanzen erwartet, gefolgt von Hilfsmitteln (etwa Back- oder Gärzusätze) und Zusatzstoffen. Von mehr als 50 Nahrungspflanzen gibt es bereits gentechnisch veränderte Sorten. Einige von ihnen – etwa Tabak und Tomaten – sind auch in Europa auf dem Markt. Produkte aus gentechnisch veränderten Sojabohnen – Öle, Fette, Margarine und Soßen – sind in diesen Tagen in Deutschland in die Regale gestellt worden. In der Praxis wird dieser Vorsatz vereitelt, weil die kürzlich beschlossene Kennzeichungspflicht sich nicht auf gentechnisch hergestellte Aromen und Zusatzstoffe erstreckt. Vor allem allergiegeplagte Menschen fürchten, im „Gen-Mischmasch“ den Überblick über reizauslösende Inhaltsstoffe zu verlieren.

CLAUDIA EBERHARD-METZGER HARALD-MICHAELIS JÜRGEN NAKOTT MONIKA OFFENBERGER MICHAEL SIMM
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