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Gibt es noch Hoffnung für den Stör?

Fischsterben an der Oder

Gibt es noch Hoffnung für den Stör?
junger Stör
Dieser Jungstör wurde im Oktober 2021 in der Oder ausgesetzt – vermutlich ist auch er jetzt tot. © Angelina Tittmann/ IGB

Der Baltische Stör ist eine der am stärksten bedrohten Tierarten weltweit – umso wichtiger ist das an der Oder laufende Wiederansiedlungsprogramm für diese Fische. Doch das seit Ende Juli 2022 grassierende Fischsterben hat auch sie getroffen: Nicht nur gut tausend Störe im Fluss, sondern auch rund 20.000 Jungtiere in zwei Aufzuchtstationen an der Oder wurden getötet. Ob es noch Hoffnung für den Störbestand in der Oder gibt, hängt nun von der Erholung des Flusses ab.

Seit Ende Juli werden an den Ufern der Oder tonnenweise tote Fische angeschwemmt. Die Umweltkatastrophe an dem von Tschechien über Polen und Deutschland bis in die Ostsee fließenden Strom scheint nach ersten Erkenntnissen aus den ungewöhnlich hohen Salzgehalten der Oder zu resultieren. Diese haben offenbar das Wachstum der giftigen Mikroalge Prymnesium parvum begünstigt. Diese setzt ein starkes Toxin frei, dass vor allem für Fische, Muscheln und Amphibien lebensgefährlich ist. Doch woher der hohe Salzgehalt des Flusses kommt, der vermutlich für das Fischsterben verantwortlich ist, ist bisher noch unklar.

Störe: Eine uralte, akut bedrohte Spezies

Auch für den schon seit längerem vom Aussterben bedrohten Stör ist die Vergiftung der Oder eine artbedrohende Katastrophe, denn die Störe stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN und sind aktuell die am stärksten vom Aussterben bedrohte Tiergruppe weltweit. Um diese uralten, seltenen Fische zu retten, gibt es ein Programm zur Wiederansiedlung des Baltischen Störs in der Oder. Doch wie steht es nun um den Stör, nachdem dieser wichtige Lebensraum von einer menschengemachten Umweltkatastrophe heimgesucht wurde? Konnten überhaupt einige der Fische überleben?

Mit dem Schicksal der Störe in der Oder kennt sich am besten Jörn Geßner aus, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Er koordiniert das Wiederansiedlungsprogramm für den Baltischen Stör seit 1996 und hat seit 2007 mit vielen Partnern bereits etwa 3,5 Millionen Jungtiere in die Oder entlassen. Das klingt zwar nach einer beachtlichen Menge, doch bis die Tiere selbst für Nachwuchs sorgen können, vergeht viel Zeit, denn Störe können bis zu 100 Jahre, manchmal auch älter werden. Sie verbringen die ersten drei Jahre ihres Lebens im Fluss, bis sie dann in die Ostsee ziehen, dort heranwachsen und schließlich im Alter von 14 bis 16 Jahren zum Laichen in ihren Heimatfluss zurückkehren.

Mehr als 20.000 Jungstöre und tausend größere Exemplare getötet

Nach Schätzungen von Geßner und seinen Kollegen sind der Katastrophe wahrscheinlich die meisten der über 1000 Jungstöre zum Opfer gefallen, die im Frühjahr dieses Jahres in den Fluss ausgewildert wurden. Das Fischsterben hat nach aktuellem Kenntnisstand aber auch Störe getroffen, die schon bis zu drei Jahre alt und bis zu 90 Zentimeter groß waren. Sie wurden im Unteren Odertal entdeckt – auf dem Weg zur Ostsee, die sie nie erreichten. „Wie viele Störe noch in der Oder schwimmen oder gestorben sind, ist derzeit nicht seriös abzuschätzen“, sagt Geßner. Immerhin haben die älteren, schon vor mehr als drei Jahren ausgesetzten Störe die Katastrophe wahrscheinlich überlebt. Denn sie waren schon in die Ostsee ausgewandert und blieben daher vermutlich vom Algengift verschont.

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Das Fischsterben traf jedoch nicht nur die Störe, die bereits im Fluss schwammen. Auch zwei Aufzuchtanlagen mit insgesamt etwa 20.000 Jungstören wurden von der Katastrophe getroffen. Kaum ein Stör hat dort überlebt. „Die verendeten Tiere waren erst einen Monat alt und sollten eigentlich noch im Herbst in die Oder gesetzt werden, um zu helfen, dort künftig sich selbst erhaltende Bestände aufzubauen“, erklärt Geßner. Damit sich die Tiere an ihren späteren Lebensraum und seine normale Wasserbeschaffenheit gewöhnen und eines Tages den Weg in ihre natürlichen Laichgründe finden, werden beide Anlagen mit Flusswasser gespeist. Und so wurden sie am 10. und 11. August 2022 von der Giftwelle erreicht. „Wäre frühzeitig von den polnischen Behörden gewarnt worden, hätten diese Fische vermutlich gerettet werden können“, kritisiert Geßner.

Ungewisse Zukunft

Zurzeit ist noch unklar, wie viele Störe insgesamt überlebt haben. „Wir hoffen jetzt, dass nur ein kleiner Teil der Tiere aus dem Gesamtprogramm betroffen ist,“ sagt Geßner. Vor allem kleinere Fische halten sich mitunter auch in den Seitenarmen des Zwischenoderlandes auf, wo sie eventuell überlebt haben. Insbesondere im Stettiner Haff, das vom Fischsterben bisher noch weitgehend verschont geblieben ist, dürften sich Jungtiere zur Nahrungssuche tummeln. Ob und wann jedoch das Wiederansiedlungsprogramm an der Oder fortgesetzt werden kann, können auch Geßner und seine Kollegen noch nicht einschätzen. Denn selbst wenn das Wachstum der toxischen Algen zurückgeht, bleiben Reste des Giftstoffs im Fluss zurück, die erst abgebaut werden müssen, bevor die Oder weiter besiedelt werden kann. Hinzu kommt, dass auch die Schnecken- und Muschelpopulationen von der Umweltkatastrophe stark betroffen sind und somit das Nahrungsangebot für die jungen Störe deutlich eingeschränkt ist.

Ob und wie schnell die Störe wieder in der Oder angesiedelt werden können, hängt also auch stark davon ab, wie schnell sich das aquatische Ökosystem erholt. Deshalb raten Wissenschaftler dringend dazu, alles zu unterlassen, was die Oder und seine Artengemeinschaft zusätzlich belastet. Dazu gehört vor allem auch das umstrittene Oder-Ausbauprojekt, das die Bundesrepublik und die Republik Polen im Jahr 2015 beschlossen haben und welches eine Einengung des Flusses und die Befestigung der Ufer vorsieht – ein Prozess, der zum Verlust wertvoller Lebensräume führen würde und die ohnehin prekäre Lage des Störs noch verschlimmern könnte.

Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

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