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Giraffen erkennen die bessere Chance

Kognitionsforschung

Giraffen erkennen die bessere Chance
Im Zoo von Barcelona haben Giraffen statistischen Verstand gezeigt. © Alvaro L Caicoya.

Überraschend clevere Langhälse: Um an ihr Lieblingsfutter zu kommen, treffen Giraffen kluge Entscheidungen auf der Grundlage von statistischen Wahrscheinlichkeiten. Dies belegen Experimente, bei denen die Tiere zwischen zwei Optionen mit unterschiedlichen Aussichten auf Erfolg wählen konnten. Möglicherweise sind auch andere Tierarten mit verhältnismäßig kleinen Gehirnen zu solch anspruchsvollen Intelligenzleistungen fähig, sagen die Wissenschaftler.

Was ist die bessere Wahl? Wir Menschen stehen bekanntlich häufig vor dieser Frage und sie ist besonders knifflig, wenn keine der möglichen Entscheidungen sicher zum Erfolg führt. In solchen Fällen müssen wir uns an Wahrscheinlichkeiten orientieren: Bestimmte Informationen können uns als Hinweise für die Wahl mit mehr Erfolgsaussicht dienen. Ein Aspekt können dabei statistische Informationen bilden – wenn etwa in einer Option vergleichsweise mehr Mengenpotenzial steckt. Es wurde allerdings auch schon gezeigt, dass zumindest einige „Schlauköpfe“ der Tierwelt ebenfalls zu dieser kognitiven Leistung fähig sind: Bei Primaten und Papageienvögeln wurde die Fähigkeit nachgewiesen, sich anhand von statistischen Wahrscheinlichkeiten sinnvoll zu entscheiden.

Können auch Giraffen klug entscheiden?

Es handelte sich bisher um Arten, die im Vergleich zu ihren Körperausmaßen große und damit besonders leistungsstarke Gehirne besitzen. Das Forscherteam um Alvaro Caicoya von der Universität Barcelona ist nun hingegen der Frage nachgegangen, ob sich auch Tiere mit eher bescheidenem Grips clever entscheiden können. Dabei fiel die Wahl auf zoologische Prominenz: die Giraffe (Giraffa camelopardalis). Bei den Probanden der experimentellen Studie handelte es sich um vier Exemplare, die im Zoo von Barcelona leben.

Die Forscher nutzten für ihre Versuche die Nahrungsvorlieben der Giraffen: Karotten schmecken ihnen besonders gut – sie bevorzugen dieses Gemüse gegenüber anderem Futter wie Zucchini. Von einer Art Balkon aus präsentierten die Wissenschaftler ihren hochgewachsenen Probanden jeweils zwei transparente Behälter, die mit anteilig unterschiedlichen Mengen an Karotten- und Zucchini-Stücken gefüllt waren: Visuell erkennbar enthielt einer der Behälter dabei verhältnismäßig mehr der Leckerbissen als der andere. Vor den Augen der jeweiligen Giraffe ließ der Versuchsleiter dann rechts und links seine Hand in die Mischungen der beiden Behälter gleiten und entnahm dabei zufällig ein Futterstück. Verdeckt in seinen beiden Fäusten bot er sie dem Tier anschließend zur Wahl an.

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Statistische Schlussfolgerungen zeichnen sich ab

Dabei zeigte sich: Die Giraffen beäugten genau, was abläuft und streckten dann in fast allen Fällen ihre langen Zungen nach derjenigen Hand aus, die in dem Behälter mit anteilig mehr Karotten gefischt hatte. Ob tatsächlich ein Karotten- oder Zucchini-Stück in der Faust verborgen war, spielte dabei keine Rolle. Offenbar orientierten sich die Tiere demnach nicht etwa nur an geruchlichen Hinweisen. Es zeigte sich hingegen deutlich, dass die Entscheidungen der Giraffen auf ihrer Fähigkeit beruhen, die statistisch höhere Wahrscheinlichkeit für die Leckerbissen zu erkennen, resümieren Caicoya und seine Kollegen.

Die Ergebnisse entsprechen damit den früheren Befunden bei Primaten und Papageienvögel. Offenbar ist demnach auch das relativ kleine Gehirn der Giraffen zu dieser beachtlichen Intelligenzleistung fähig, sagen die Wissenschaftler. Diese Form des Verstandes könnte ihnen zufolge durchaus auch im Leben dieser Pflanzenfresser vorteilhaft sein. Möglicherweise können sie sich durch das kluge Abwägen besonders günstigen Futterquellen in ihrem natürlichen Lebensraum zuwenden. „Aus evolutionärer Sicht könnten statistische Fähigkeiten Tieren entscheidende Vorteile bieten, um in einer Situation der Unklarheit Schlussfolgerungen zu ziehen“, schreiben Caicoya und seine Kollegen.

Ihnen zufolge bietet es sich deshalb nun auch an, die Verbreitung der Fähigkeit genauer auszuloten: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass statistische Fähigkeiten im Tierreich weiter verbreitet sind. Somit wäre es interessant, mehr Arten zu testen und einen vergleichenden Ansatz zu verwenden. Dabei könnte sich abzeichnen, inwieweit die statistischen Fähigkeiten zu den jeweiligen sozio-ökologischen Herausforderungen passen, die diese Spezies zu meistern haben“, so die Wissenschaftler.

Quelle: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-023-32615-3

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