Wenn Mäusedamen auf Damen stehen
In ihrer aktuellen Studie verfolgten Rao und seine Kollegen diese Spur nun weiter. Diesmal blockierten sie bei weiblichen Mäusen die Produktion des Serotonins oder aber die Andockstellen für den Botenstoff. Die solcherart manipulierten Mäusedamen setzten sie dann in Käfige mit entweder einem männlichen oder einem weiblichen Artgenossen und beobachteten, was geschah. Das gleiche führten sie mit einigen nichtmanipulierten Mäuseweibchen durch. Die Kontrollmäuse verhielten sich wie erwartet: Angezogen durch den Duft der Männchen, beschnupperten sie mit Vorliebe deren Kopf und Genitalregion, ließen die Weibchen dagegen eher links liegen. Anders dagegen die manipulierten Mäusedamen: Sie bevorzugten die Weibchen und beschnupperten diese deutlich länger und ausgiebiger als die bereitwillig parat stehenden Männchen, wie die Forscher berichten.
Und nicht nur das: Durften die Mäusedamen mit Serotonin-Blockade mehr als nur schnuppern, schritten sie auch prompt zur Tat. „Sie versuchten das andere Weibchen um die Taille zu packen und bestiegen sie von hinten“, berichten Rao und seine Kollegen. Damit verhielten sich die manipulierten Weibchen eher männertypisch und zeigten eine klare Vorliebe für das eigene Geschlecht. Dieses eher homosexuelle Sexualverhalten beobachteten die Forscher bei immerhin rund 70 Prozent der manipulierten Mäusedamen. Die weiblichen Kontrolltiere verhielten sich nicht so oder nur in Ausnahmefällen. „Diese Ergebnisse zeigen, dass das Serotonin die sexuelle Präferenz kontrolliert“, konstatieren die Forscher. Durch Manipulation dieses Hormons habe man die sexuelle Orientierung der Tiere umgekehrt, ohne dass dabei die Geschlechtshormone eine Rolle spielten. Denn diese waren bei manipulierten und nichtmanipulierten Mäusen gleich.
Übertragbarkeit auf den Menschen unklar
Wie wichtig das Glückshormon selbst kurzfristig ist, zeigte ein weiterer Versuch der Forscher. Dabei verabreichten sie normalen, ausgewachsenen Mäusedamen eine chemische Substanz, die das Serotonin bindet und so in kurzer Zeit für den Körper unverwertbar macht. Durften diese Weibchen dann Artgenossen beschnuppern, bevorzugten auch sie plötzlich Weibchen statt Männchen. Wie die Wissenschaftler erklären, belegt dies, dass das Glückshormon nicht nur dann die sexuelle Orientierung beeinflusst, wenn es während der Entwicklung im Mutterleib oder in der Pubertät fehlt. Offenbar spiele das Hormon auch im Erwachsenenalter weiterhin eine aktive Rolle bei der Regulation der sexuellen Präferenzen der Weibchen.
Ob das Glückshormon Serotonin auch bei uns Menschen eine vergleichbare Rolle spielt, darüber äußern sich die Forscher nicht. Allerdings schränken sie ihre Schlussfolgerungen zur Wirkung des Serotonins in ihrer Studie auch nicht durch den Nachsatz „bei Mäusen“ ein – was darauf hindeuten könnte, dass sie die Mäuse durchaus als Modell für andere Säugetiere und auch den Menschen sehen. Warum das Serotonin bei männlichen Mäusen bestenfalls bisexuelles, aber kein eindeutig homosexuelles Verhalten hervorruft, erklären sie ebenfalls nicht – auch hier besteht offenbar noch Forschungsbedarf. Dennoch zeigen diese Ergebnisse einmal mehr, dass die Frage, ob sich jemand zu Frauen oder Männern hingezogen fühlt, eine komplexe und bisher kaum geklärte biologische Basis hat.