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GOLDen mile

Erde|Umwelt Technik|Digitales

GOLDen mile
Die Preise für das begehrte Metall sind auf Höhenflug. Australien bedient den neuen Goldrausch mit 220 Tonnen im Jahr – es ist nach China das größte Förderland. Wie Geologen das Golderz aufspüren, berichtet ein Insider.

MORGENDLICHER Bodennebel wabert durch den Busch. Der Tag ist noch jung und kühl, aber die ersten Sonnenstrahlen brechen schon durch die Eukalyptusbäume. Es wird wieder heiß heute. Aufgescheucht von meinem Geländewagen, der über die wellige Piste donnert, steigt ein Keilschwanzadler zwischen den Bäumen hoch. Mein Gefährt zieht eine gewaltige Staubfahne hinter sich her. „ Ute“ wird es genannt, von „Utility Vehicle“: ein Pritschenwagen, das australischste aller Fahrzeuge. Ich bin unterwegs, um Gesteinsproben zur Analyse ins Labor zu bringen. Eineinhalb Tonnen sind es, verpackt in grüne Plastiksäcke, das Ergebnis von vier Probebohrungen.

Ich arbeite in den Eastern Goldfields, tief im Inneren von Western Australia – als Explorationsgeologe für eine Junior Mining Company, eine kleine Bergbaufirma, die Goldvorkommen aufspürt. Vom Explorationscamp zur Bergbaustadt Kalgoorlie, der nächsten größeren Siedlung, ist es eine gute Stunde Fahrt über staubige rote Pisten. Von Kalgoorlie nach Perth am Indischen Ozean, der Hauptstadt dieses größten australischen Bundesstaats, fährt man 700 Kilometer durch die Wildnis. Sofern der Highway nicht im Hochsommer wegen Waldbränden gesperrt ist. Die Arbeit hier draußen folgt einem mehrwöchigen Rhythmus. Für mich heißt das: drei Wochen im Busch ohne einen freien Tag, dann eine Woche frei. Während der Arbeit wohne ich in einem Wohncontainer, einem „ Donga“. Er ist mit elektrischem Strom, einem eigenen Bad und – sehr wichtig – einer Klimaanlage ausgestattet. In diesem Teil von Westaustralien, dem Yilgarn-Kraton, ist die Erdkruste etwa halb so alt wie unser Planet. Mit 2,8 Milliarden Jahren sind die Gesteine hier älter als die meisten anderen auf der Erde. Nach ihrer Entstehung wurden sie zu einem Gebirge aufgefaltet. Bei der nachfolgenden Entspannung der Erdkruste entstanden Risse und Brüche. Die Hohlräume füllten sich mit Quarz und anderen Mineralen. Die Lösungen, aus denen diese Minerale ausfielen, enthielten auch große Mengen von Gold, das bis heute in den Quarzgängen steckt. Damit Gold sich löst, ist eine spezielle Chemie notwendig. Das Edelmetall ist in Wasser meist unlöslich. Nur in Verbindung mit Chlor oder Schwefel ist der Transport durchs Gestein möglich. Kommt es unterwegs zu Veränderungen im Fels oder in den chemischen Bedingungen, fällt elementares Gold aus: Das Metall kristallisiert – und eine Goldlagerstätte entsteht.

dREI GRAMM PRO TONNE

Dieser komplexe Prozess erklärt, warum es so wenige Goldlagerstätten gibt. In den meisten heute abgebauten Vorkommen ist das Gold in submikroskopisch kleinen Körnchen in Schwefelminerale eingebettet. Die Goldkonzentrationen sind minimal. Dabei ist das gelbe Metall auf der Erde nicht seltener als viele andere, aber es ist in der Erdkruste extrem fein verteilt. Selbst gute Lagerstätten führen oft nur drei parts per million (ppm) Gold, das entspricht drei Gramm Ausbeute pro Tonne Erz. Ob die Förderung überhaupt lohnt, hängt daher stark vom Preis ab, der gerade für Gold auf dem Weltmarkt bezahlt wird, und ob neue Aufbereitungsmethoden ersonnen werden, um Kosten zu sparen oder die Goldausbeute zu erhöhen.

Je mehr ich mich mit meiner steinigen Ladung Kalgoorlie nähere, desto besser wird die Straße. Ein regelrechter Strom von Fahrzeugen kommt mir entgegen – eine Seltenheit im australischen Busch. Bohrgeräte auf vierachsigen Lastern, Versorgungstrucks, Tankwagen mit Diesel oder Wasser und Road Trains – Sattelzugmaschinen mit bis zu drei Anhängern, die Erz von den Minen zur Aufbereitung fahren. Das Erste, was man von Kalgoorlie sieht, sind die gigantischen Abraumhalden der „Super Pit“ beim Stadtteil Boulder. Das 7 Quadratkilometer große und 500 Meter tiefe Loch ist der größte Goldtagebau Australiens. Schüttete man alles jemals in der Menschheitsgeschichte geförderte Gold – mittlerweile etwa 155 000 Tonnen – dort hinein, würde es die Mine nicht einmal knietief füllen.

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WENDESCHLEIFE FÜR KAMELE

Seit der Ire Patrick „Paddy“ Hannon 1893 in der Gegend fündig wurde, gräbt man hier nach Gold. Die „Golden Mile“ von Kalgoorlie-Boulder gilt als eine der größten Goldlagerstätten der Welt. Im Jahr werden hier 28 Tonnen gefördert, ein Zehntel des australischen Goldexports – mehr als ein Prozent der globalen Förderung von jährlich 2400 Tonnen. Mit meinen Gesteinsproben auf der Ladefläche fahre ich durch Straßen, mit deren Dimensionen sich nicht einmal die Boulevards von Weltmetropolen messen können: Kalgoorlies Straßen wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts so angelegt, dass eine Kamelkarawane in einem Zug wenden konnte. Kamele waren damals für die Versorgung der Stadt im Niemandsland unentbehrlich. So hat Kalgoorlie zwar immer noch nur so viele Einwohner wie zu den Anfangszeiten des Bergbaus, nämlich etwas mehr als 30 000, aber trotzdem die breitesten Straßen der Welt.

Es ist Nachmittag. Das Thermometer zeigt fast 40 Grad Celsius im Schatten. Ich stehe unter einem Sonnensegel, freue mich über jedes staubige Lüftchen und nehme die Daten der Bohrkerne auf. Das Wasser, mit dem die Bohrkerne besprenkelt werden, damit die Details besser sichtbar sind, ist siedend heiß und verdunstet auf dem Gestein schneller, als man schauen kann. Mit mir im Bohrkernlager stehen Tanya und Greg. Sie vermessen die Kerne und überprüfen, ob sie vollständig sind. Greg ist seit 40 Jahren im Bergbaugeschäft. Er fährt den wahrscheinlich ältesten Landcruiser von Kalgoorlie mit einem Rüstsatz für ein kleines Bohrgerät und arbeitet für verschiedene Firmen als Subunternehmer. Die 20-jährige Tanya hat vor wenigen Monaten als geologische „Field Assistant“ begonnen, als technische Hilfskraft. Es gibt nach wie vor nur wenige Frauen im Bergbau, aber die Zahl steigt. Mit Begeisterung fürs Abenteuer hat die Arbeit heute nicht mehr viel zu tun. Und man verdient hervorragend. Ein angelernter Driller in einem Bohrtrupp beispielsweise kann mit rund 80 000 Australischen Dollar im Jahr rechnen (1 Australischer Dollar entspricht derzeit etwa 0,70 Euro). Allerdings ist die Arbeit in der Exploration hart und eintönig, die Fluktuation ist daher groß, trotz der hohen Löhne.

ZERBRECHLICHE FRACHT

Ein Pick-up rollt auf den Hof: die nächste Ladung Bohrkerne. Er hat reichlich Verspätung. Die beiden Fahrer mussten äußerst vorsichtig sein, um ein Zerbrechen ihrer wertvollen Last zu verhindern. Zwar sind es vom Bohrfeld bis hierher nur 30 Kilometer, aber die Jungs hatten unterwegs einen Platten und mussten die 30 Kisten mit den Kernen komplett ab- und dann wieder aufladen. Ein alltägliches Problem im Outback. Ich gehe Meter für Meter über die Kerne. Sie wurden mit einer runden diamantbesetzten Bohrkrone am Ende eines langen Bohrgestänges aus dem Gestein gefräst. Dabei ist ein freistehender Zylinder von mehreren Zentimetern Durchmesser entstanden. Er wird stückweise abgebrochen und nach oben gezogen. Unsere Bohrungen liegen auf Linien, die den „Prospect“ – das Gelände, für das meine Firma die Explorationsrechte besitzt – in einem Abstand von 20 bis 40 Metern mit einem rechtwinkligen Netz überziehen. Es wird jeweils mehrere Hundert Meter tief gebohrt.

120 000 FEINUNZEN PRO JAHR

„Rigs“ nennt man die Bohrtürme, die auf geländegängige schwere Lastwagen montiert sind. Ihr Bohrgestänge lässt sich in jeweils sechs Meter lange Rohre zerlegen, die man sukzessive absenken kann. Neben unserer Kernbohr-Rig sind noch drei weitere im Einsatz, sogenannte Reverse Circulation Rigs: Ihre mit Druckluft betriebenen Meißel zertrümmern das Gestein und befördern das Bohrklein nach oben. Diese Geräte bohren schneller und damit billiger, liefern aber keine Kerne, nur fingernagelgroße Gesteins-Chips und Staub. Daneben sind noch zwei weitere Trucks nötig, die Zusatzaggregate zur Erzeugung der Druckluft sowie Gestänge und Diesel transportieren. Die zutage geförderten Gesteine verraten, wo genau in der Tiefe goldführendes Gestein liegt. So kann die Geometrie des künftigen Tagebaus geplant werden. In einem Jahr rollen wohl die ersten Bagger auf den Prospect meiner Firma. Dann werden voraussichtlich zwölf Jahre lang jedes Jahr 120 000 Feinunzen gefördert – fast vier Tonnen Gold. Natürlich nur, solange der Goldpreis nicht unter die Kalkulation fällt. Sonst ist schneller Schluss. Den vor mir liegenden grünlich-grauen Bohrkernen sieht man ihr Alter nicht an. Gesteine wie diese können heute nicht mehr entstehen. Sie haben sich aus Schmelzen gebildet, die sehr dünnflüssig und beinahe 2000 Grad Celsius heiß waren. An einer Stelle ist ein Kontakt zu sehen, an dem diese Lava ein dunkles toniges Sediment richtiggehend gegrillt hat. Was mich aber wirklich interessiert, sind die Stellen, an denen später heiße mineralische Lösungen das Gestein durchflossen haben. Sie sind erkennbar, weil hier Quarz ausgefällt wurde, der das Gestein weißlich verfärbt und es verhärtet hat.

Dies sind die Stellen, an denen die Bohrmeister fluchen, weil ein teurer Meißel nach dem anderen den Geist aufgibt und das ganze Bohrgestänge hochgezogen und wieder abgesenkt werden muss. Wir Geologen dagegen jubeln. Denn durch Quarz verhärtetes Gestein bedeutet goldführendes Gestein. In meinen Bohrkernen sind in diesen weißlich verwaschen wirkenden Partien kleine gelbliche, metallisch glitzernde Minerale zu sehen. Das ist kein Gold, sondern Pyrit und Pyrrhotin: die Metallsulfide, in denen das Gold enthalten ist. Die Laboranalysen werden später zeigen, dass dort die Goldkonzentrationen immerhin bei mehreren parts per million liegen: Somit ist es abbauwürdiges Golderz.

Das Funkgerät pfeift. Dave, der andere junge Geologe im Camp, fragt, ob ich eine Kontrollrunde zu den Bohrungen fahren will. Mit Shorts, orangefarbenem Sicherheitshemd und einem gewaltigen Strohhut sitzt er seit Stunden über Gesteins-Chips und Laptop gebeugt in der Sonne und füllt die Spalten der Datenbank. Dave ist 27, er hat nach seinem Bachelor mehrere Jahre als Field Assistant gearbeitet und später den Master in Meteorologie gemacht. Dann war er als Tornadojäger im tropischen Queensland unterwegs. Seit gut einem Jahr ist er nun in der Firma. Neben ihm ist nur noch ein weiterer Geologe im Camp: Pete, bereits über 60, einer der Ältesten in meiner Firma. Nach Jahren im Büro wollte er wieder raus in den Outback.

HITZE, FLIEGEN, HÖLLENLÄRM

Ich hingegen bin froh, in der nachmittäglichen Hitze in mein „ Ute“ klettern zu dürfen, und drehe die Klimaanlage voll auf. Die 30-Kilometer-Fahrt hinaus in die Salzsümpfe, in denen gebohrt wird, dauert nicht lange. Am Ort des Geschehens werde ich schon erwartet. Die letzten Meter sahen vielversprechend aus, und das Loch muss tiefer werden als geplant. Die Bohrgeräte brüllen ohrenbetäubend. Zusammen mit der Hitze, dem Staub und den Fliegen, die in Augen und Ohren kriechen, macht dieser Höllenlärm den Arbeitsplatz hier am Rig schier unerträglich. Stillstandzeiten und Fehler können obendrein richtig teuer werden: Die Miete für ein Bohr-Rig beträgt Tausende Dollar am Tag, jeder gebohrte Meter verschlingt mehrere Hundert Dollar. Ich schlämme Proben aus den letzten Metern des Bohrlochs, um die Gesteins-Chips zu untersuchen, und lasse die Männer dann das Gestänge ziehen. Morgen werden sie ihre Maschine 40 Meter weiter fahren und ein neues Loch bohren.

Auf meiner Runde schaue ich noch nach den Fortschritten unseres Luftdruck-Rigs, mit dem etwas abseits oberflächennahe Gesteinsproben gewonnen werden. Ein großes Problem für die Exploration in diesem Teil Australiens ist, dass das Land ziemlich eben ist – und das seit Millionen von Jahren. Auf dem Milliarden Jahre alten Grundgebirge entstand so über die Jahrmillionen eine mächtige Schicht von Lockersedimenten. Um Daten über den Fels darunter zu gewinnen, durchhämmert ein Team diese 30 bis 100 Meter mächtige Deckschicht mit druckluftgetriebenem Bohrgestänge bis zum Festgestein. Die dabei geförderten Brösel werden säuberlich aufgeschüttet – zu einem Haufen pro Bohrmeter. Durch die bunten Farben der Bodenschichten ergibt sich ein Bild wie auf einem orientalischen Gewürzmarkt. Die Proben werden mit einer Genauigkeit von Tausendstel Gramm pro Tonne auf Gold untersucht. Schon der goldene Ehering eines Probensammlers könnte die Messung verfälschen.

luxus mit rucksack

Fast zwei Drittel des jemals geförderten Goldes sind in Schmuck und Kunstgegenständen verarbeitet. Was Gold als Wertanlage und Währungsmetall interessant macht, ist, dass seine Gewinnung so schwierig und teuer ist. Das Angebot ist durch seine Seltenheit gedeckelt. Andererseits sollte man sich bewusst machen, was hinter einem Schmuckstück aus Gold steckt: wie viele Tonnen Erde bewegt wurden, um es zu gewinnen, wie viele Liter Diesel verheizt wurden, bevor es überhaupt ans Tageslicht kam, und welche Mengen von Chemikalien eingesetzt wurden, um es aus dem Gestein zu extrahieren. Dieser ökologische Rucksack, der an jedem Luxusartikel aus Gold hängt, trübt seinen Glanz erheblich. Es gibt zwar mittlerweile auch Gold aus ökologischem Kleinbergbau. Doch diese weniger intensiven, dafür umweltschonenden Gewinnungsmethoden machen das zertifizierte Edelmetall noch teurer.

Eine laue australische Sommernacht hat sich mittlerweile über unser Camp gelegt. Es ist ruhig, nur die Zikaden zirpen. Die auf dem Kopf stehende Mondsichel ist aufgegangen. Am gigantischen Sternenhimmel funkeln Mars, Orion und das Kreuz des Südens vor einer Milchstraße, die so hell leuchtet wie kaum irgendwo sonst. Das Rot des Sandes und das Blau des Himmels, die Farben Australiens, sind in Silbergrau übergegangen. Die Hitze des Tages ist wie weggeblasen. An den großen Handelsplätzen der Welt werden die Aktien morgen früh steigen oder fallen, ebenso der Goldpreis. Hier wird morgen weitergebohrt. Wir werden wieder Proben sammeln. Und es wird heiß und staubig sein. ■

BURKHARD CLESS ist Geologe. Nach Studiensemestern in Neuseeland bekam er einen Job bei einer Bergbaugesellschaft in Australien.

Text und Fotos: Burkhard Cless

KOMPAKT

· 28 Tonnen Gold pro Jahr, ein Zehntel der gesamten australischen Förderung, stammen aus den Lagerstätten von Kalgoorlie-Boulder, der „Golden Mile“.

· Geologen fahnden mit Probebohrungen nach den goldführenden Quarzadern im Gestein.

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