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Ichthyosaurier mit großer Beute im Bauch

Erde|Umwelt

Ichthyosaurier mit großer Beute im Bauch
Der Bauch dieses fossilen Ichthyosauriers enthält den mittleren Teil eines anderen Meeresreptils, das nur wenig kleiner war. (Bild: Da-Yong Jiang, et al, iScience)

Paläontologen berichten über den ältesten bekannten Fall von Megaprädation – ein Großtier frisst ein anderes Großtier. Sie haben im Bauch eines etwa 240 Millionen Jahre alten Ichthyosaurier-Fossils die Überreste eines erstaunlich großen Beutetiers entdeckt. Es handelte sich um ein etwa vier Meter langes Meeresreptil, das der rund fünf Meter lange Ichthyosaurier kurz vor seinem Tod verschlungen hat.

Die Ichthyosaurier waren eine artenreiche Gruppe von Meeresreptilien, die in den Ozeanen nach dem Massenaussterben im Perm vor etwa 250 Millionen Jahren entstanden sind und vor rund 90 Millionen Jahren wieder verschwanden. Besonders interessant sind ihre Ähnlichkeiten zu den heutigen Meeressäugern, mit denen sie allerdings nicht verwandt sind. Ähnlich wie diese haben sich auch die Ichthyosaurier aus Landwirbeltieren entwickelt und behielten eine Lungenatmung bei.

Was ihre Ernährungsweise betrifft, haben einige Arten wohl vor allem Tintenfische gejagt, andere könnten aber auch die Position eines Spitzenprädators eingenommen haben: Ähnlich wie moderne Orcas oder der Weiße Hai haben sie vielleicht größere Meerestiere in ihrem Lebensraum erbeutet. Der aktuelle Fund liefert dafür nun einen direkten Hinweis. Er stammt aus einem Steinbruch im Südwesten Chinas und wurde auf ein Alter von rund 240 Millionen Jahren datiert.

Saurier im Bauch

Wie die Forscher um Da-Yong Jiang von der Universität Peking berichten, glaubten sie zunächst, sie hätten es nur mit den Überresten eines etwa fünf Meter langen Guizhouichthyosaurus zu tun – einem Vertreter der Ichthyosaurier. Doch dann richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf eine große Ausbuchtung im Bereich des Bauches des Fossils. Es zeigte sich, dass sich dort die Knochen des Rumpfes eines ursprünglich rund vier Meter langen Thalattosaurus befanden. Es handelte sich dabei um ein echsenähnliches Wasserreptil, das sich mit seinen vier Gliedmaßen paddelnd durchs Wasser bewegte. Der Schwanz des Tieres wurde in der Nähe des Doppelfossils entdeckt – offenbar war er abgerissen. „Der Mageninhalt unseres Ichthyosauriers wurde nicht von der Magensäure angefressen, so dass er ziemlich bald nach dieser Nahrungsaufnahme gestorben sein muss“, sagt Co-Autor Ryosuke Motani von der University of California in Davis.

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Der Befund legt somit nahe, dass vor etwa 240 Millionen Jahren der Guizhouichthyosaurus das Meeresreptil, das zwar schlanker aber nur wenig kleiner war als er selbst, in Stücke gerissen und den Rumpf verschluckt hat. „Jetzt können wir davon ausgehen, dass einige Ichthyosaurier große Beute gefressen haben, auch wenn sie relativ stumpfe Zähne besaßen“, sagt Motani. Bei Raubtieren, die sich von großen Tieren ernähren, wird oft angenommen, dass sie große scharfe Zähne haben, die an das Aufschneiden der Beute angepasst sind. Guizhouichthyosaurus hatte allerdings relativ kleine, zapfenähnliche Zähne. „Es ist jedoch klar, dass man nicht unbedingt Schneidezähne braucht, um ein Megaprädator zu sein“, sagt Motani.

Großräuber mit bescheidenen Zähnen

Einige heutige Raubtierarten wie Krokodile besitzen ebenfalls recht stumpfe Zähne. Ähnlich wie diese könnte auch Guizhouichthyosaurus seine Zähne benutzt haben, um die Beute zu fassen und dann zu zerreißen. „Es wurde schon früher vermutet, dass eine Schneidkante vielleicht nicht entscheidend war, und unsere Entdeckung unterstützt dies nun“, sagt Motani.

Die Paläontologen können bisher allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob der Ichthyosaurus den Thalattosaurus tatsächlich getötet hat oder ob er sich nur seinen Kadaver einverleibt hat. „Niemand war dort und hat es gefilmt“, sagt Motani. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass es sich nicht um einen Fall von Aasfresserei gehandelt hat. Denn den Forschern zufolge hätten sich bei der Zersetzung eines toten Thalattosauriers eher zuerst die Gliedmaßen und nicht der Schwanz abgetrennt. Doch die Beine des Thalattosauriers waren im Magen noch am Körper befestigt, während der abgetrennte Schwanz einige Meter entfernt von dem Fossil entdeckt wurde. Die Forscher vermuten deshalb, dass er beim Beutefang von dem Ichthyosaurier abgerissen und zurückgelassen wurde.

Unabhängig davon, ob er seine letzte Mahlzeit selbst getötet hat oder nicht, liefert das Fossil nun den ältesten direkten Beweis dafür, dass Meeresreptilien des Trias-Zeitalters Tiere verzehrten, die größer waren als ein Mensch. „Dabei handelt es sich auch um einen Hinweis darauf, dass Megaprädation bei Meeresreptilien generell häufiger vorgekommen sein könnte, als wir zuvor angenommen haben“, sagt Motani. Er und seine Kollegen werden nun weiter am Fundort des Doppelfossils graben. Sie hoffen dort auf weitere Spuren zu stoßen, die Einblicke in die geheimnisvolle Welt vor über 240 Millionen Jahren liefern.

Quelle: University of California in Davis, Cell PRess, Fachartikel: iScience, doi: 10.1016/j.isci.2020.101347

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