Wo breiten sich Waschbär, Marderhund und Mink bei uns aus und welche Rolle spielen die Fremdlinge in den Ökosystemen sowie als potenzielle Krankheitsüberträger? Wissenschaftler berichten nun über bisherige Ergebnisse eines Projekts, das sich diesen Fragen widmet. Das Team ruft außerdem Bürger dazu auf, sich an der Erforschung der einschleppten Kleinräuber zu beteiligen: Mithilfe einer App kann man Sichtungen der drei Arten sowie Beobachtungen ihrer „Taten“ melden.
Der Mensch schadet den Ökosystemen der Welt bekanntlich in vielschichtiger Weise – dabei bringt er sie auch buchstäblich durcheinander: Viele Tier- und Pflanzenarten werden durch die globalen Aktivitäten von einem Ort zum anderen verschleppt – in einigen Fällen mit problematischen Folgen. Denn manchmal landeten die Fremdlinge gleichsam im Paradies – durch das Fehlen von Konkurrenten oder Feinden sowie üppige Nahrungsquellen können sie sich stark vermehren. Solche invasiven Arten können dann an den heimischen Ökosystemen große Schäden verursachen. Eingeschleppte Kleinräuber gelten dabei als besonders problematisch. Denn neben ihrem Appetit auf teilweise bedrohte Arten gelten sie außerdem als potenzielle Überträger von Krankheiten, die dem Menschen gefährlich werden können.
In Deutschland steht dabei momentan vor allem der nordamerikanische Waschbär im Fokus. Er breitet sich derzeit nahezu unkontrolliert aus und die Bestände werden dichter. Ebenfalls auf dem Vormarsch sind der ursprünglich aus Ostasien stammende Marderhund sowie der nordamerikanische Mink.
„Im Projekt ZOWIAC untersuchen wir daher, wie sich der Waschbär, aber auch der Marderhund und der Mink, auf bedrohte einheimische Arten und die jeweiligen Ökosysteme auswirken und mit welchen Parasiten und anderen Krankheiten auslösenden Erregern sie befallen sind“, sagt Sven Klimpel vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt. Dabei stützen sich er und seine Kollegen auf Informationen von Forschungseinrichtungen sowie von Tierschutz-, Jagd- und Naturschutzverbänden. „Zudem ist uns aber auch die Einbindung der Bevölkerung sehr wichtig“, so Klimpel.
Ökosystem-Vandalen und Krankheitsüberträger
Wie das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen berichtet, bestätigten die im Rahmen des Projekts durchgeführten Mageninhaltsanalysen von Waschbären bereits den Verdacht, dass die Kleinräuber heimische Arten erheblich bedrohen. Demnach dienen Rote Liste-Arten, wie beispielsweise die Gelbbauchunke oder die Erdkröte dem Waschbär als Nahrung. Ähnliches gilt auch für den Marderhund: Insgesamt 16 heimische Arten wurden bisher als seine Opfer identifiziert. Neben bedrohten Froscharten schnappt er sich offenbar sogar Feldhasen. Vergleichsweise wenige Informationen gibt es hingegen bisher zum Mink, der sich momentan entlang von Gewässern ausbreitet.
Auch auf die Rolle von Waschbär und Marderhund als mögliche Krankheitsüberträger werfen Ergebnisse von ZOWIAC bereits neues Licht: „Wir haben rund 200 Blutproben von Waschbären und Marderhunden aus ganz Deutschland virologisch untersucht. Einige dieser Blutproben weisen einen positiven Befund hinsichtlich des, ursprünglich aus Afrika stammende und durch Stechmücken übertragbaren, West-Nil-Virus auf. Die ebenfalls im Projekt durchgeführten metagenomischen Untersuchungen des Marderhundes zeigten zudem, dass dieser als Reservoirwirt und somit als Überträger von SARS-CoV-2 fungieren kann“, berichtet Klimpel. In den untersuchten Waschbären konnten zudem 22 und bei den Marderhunden 18 verschiedene Parasitenarten identifiziert werden, die teilweise auch den Menschen befallen können.
Sichtungen per App melden
Um diesen beiden Invasoren sowie dem Mink noch besser auf die Spur zu kommen, will das Team nun auch intensiver die Bevölkerung einbeziehen: „Wir haben daher eine Meldemöglichkeit für Bürger entwickelt: Ob bei einem Spaziergang in der Natur, der Stadt oder dem Picknick im Park – Sichtungen von Waschbären, Marderhunden und Minken können einfach in unsere ZOWIAC-App eingetragen werden“, sagt Klimpel. Diese durch Citizen Science gewonnen Verbreitungs- und Vorkommensdaten sind für die weiterführenden Untersuchungen sehr wichtig, erklärt der Wissenschaftler“. Durch die App können Beobachtungen gemeldet sowie Fotos von Fährten, Kot oder Fraßspuren übertragen werden. So kann jeder Interessierte helfen, Daten über die Verbreitung sowie das weitere Ausbreitungspotenzial der Invasoren in Deutschland zu generieren. Die durch die App gewonnen Forschungsdaten werden dann auf der ZOWIAC-Webseite präsentiert und zudem gibt es dort die Möglichkeit zum Dialog mit den Wissenschaftlern.
Klimpel und seine Kollegen hoffen, dass die Einbeziehung von interessierten Laien vor allem der Erforschung der problematischen Rolle der pelzigen Exoten in unseren heimischen Ökosystemen dienen kann: „Fortlaufende Untersuchungen in bestimmten Arealen, wie beispielsweise in Naturschutzgebieten, sollen einen möglichst genauen Überblick über das Jagdverhalten von Waschbär und Co schaffen, um so möglichst wirkungsvolle Handlungsempfehlungen zum Schutz der Biodiversität und der heimischen Ökosysteme geben zu können“, sagt Klimpel.
Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen
http://www.senckenberg.de/
ZOWIAC-Webseite mit Link zur App