Der Verhaltensforscher Frans de Waal müsste mit seinem neuen Buch eigentlich Dauergast sein in den TV-Talks von Maischberger bis Plasberg. Denn über seine Thesen lässt sich wunderbar palavern: „Gier ist out, Empathie ist in.“ Erst vor Kurzem haben Banker die Gesellschaft an den Rand des Abgrunds gezockt und Millionen eingestrichen. Und die nächsten Verteilungskämpfe sind schon absehbar: wenn die Armuts- und Klimaflüchtlinge aus Afrika und Asien vor unserer Tür stehen. Ob dann de Waals Behauptung standhält, dass Kooperation und Altruismus zur Grundausstattung des Menschen gehören? Dass Darwin falsch lag, als er vom Kampf ums Überleben schrieb? Und dass Richard Dawkins das Gute im Menschen verkannte, als er ein „egoistisches Gen“ zur Triebfeder allen Handelns erklärte?
Als Mensch kann man sich auch anders verhalten, ist de Waal überzeugt. Er leitet das ab aus Beobachtungen an Hunden, Katzen und Schimpansen. Bei ihnen hat er Hilfsbereitschaft und Mitgefühl registriert, was er in seinem Buch mit hübschen eigenen Zeichnungen illustriert. In einer reinigt zum Beispiel ein Affe einem Flusspferd die Zähne. Der Biologe schließt aus seinen Beobachtungen, dass Hilfsbereitschaft evolutionäre Vorteile sichert.
Mag sein, dass Egoismus langfristig für die Gesellschaft nachteilig ist. Nur: Wen kümmert die Gesellschaft von morgen, wenn er heute einen Vorteil haben kann? „Einspruch“, höre ich einen Verteidiger des Homo humanus sagen. Es gebe viele Beispiele von Menschen, die anderen uneigennützig helfen. Aber tun sie das wirklich zum Wohl der anderen? Oder nicht vielmehr, weil sie sich dabei besser fühlen? Jürgen Nakott
Frans de Waal DAS PRINZIP EMPATHIE Hanser, München 2011 352 S., € 24,90 ISBN 978–3–446–23657–8