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Jahreszeit des Asteroideneinschlags bestimmt

Kreidezeitliches Massensterben

Jahreszeit des Asteroideneinschlags bestimmt
Künstlerische Darstellung der Katastrophe, die in einem Frühjahr vor rund 66 Millionen Jahren über die Lebenswelt an einem Fluss im heutigen North Dakota hereinbrach. © Joshua Knüppe, based on research and commissioned by Melanie During

Das Schicksal traf die kreidezeitliche Lebenswelt vor etwa 66 Millionen Jahren – doch zu welcher Jahreszeit? Offenbar schlug der berühmte Dinosaurier-Killer-Asteroid ein, als auf der Nordhalbkugel gerade Frühling herrschte – im Süden war es folglich Herbst. Dies geht aus einer Untersuchung der Fossilien von Fischen hervor, die in dem Inferno umgekommen sind. Das Studienergebnis liefert damit Hinweise darauf, in welchen Entwicklungsphasen sich die Lebewesen in den verschiedenen Bereichen der Erde gerade befanden. Dies kann wiederum Licht auf bestimmte Muster des Aussterbens werfen, sagen die Wissenschaftler.

Die Erde trägt eine gewaltige Narbe: Im Bereich der mexikanischen Halbinsel Yucatan zeugen die Überreste eines etwa 150 Kilometer breiten Kraters von einem gewaltigen Asteroideneinschlag. Datierungen zufolge traf dieser kosmische Bolide die kreidezeitliche Lebenswelt vor etwa 66 Millionen Jahren. Die Folgen waren katastrophal: Der sogenannte Chicxulub-Asteroid verursachte Feuerstürme, Tsunamis rasten um die Erde und die Atmosphäre wurde stark belastet. Lebewesen, die von den direkten Folgen verschont geblieben waren, mussten anschließend die drastischen klimatischen Auswirkungen überstehen. Denn man geht davon aus, dass durch die Verdunklung der Atmosphäre eine Kaltphase einsetzte. Das Resultat war eine der schlimmsten Aussterbewellen in der Erdgeschichte: Etwa 76 Prozent der kreidezeitlichen Tierarten wurden von der Bühne der Evolution gefegt – die berühmtesten Opfer waren dabei die Dinosaurier.

Bei anderen Entwicklungslinien kam es ebenfalls zu großen Verlusten – doch es gab Überlebende: Offensichtlich haben einige Arten von Säugetieren, Vögeln und Reptilien irgendwo auf der Erde die Katastrophe überstanden und bildeten anschließend die Grundlage für die Entwicklung der heutigen Artenvielfalt. Welche Faktoren ihnen dies ermöglichten, ist bis heute unklar. Dabei könnte auch eine Rolle gespielt haben, in welcher jahreszeitlichen Entwicklungsphase sie sich gerade befunden haben. Bisher gab es allerdings nur grobe zeitliche Einordnungen dazu, wann der Chicxulub-Asteroid eingeschlagen ist. Dies hat die Studie der Wissenschaftler um Melanie During von der Freien Universität Amsterdam nun geändert.

Jahreszeiten im Spiegel von Fischknochen

Ihre Ergebnisse basieren dabei auf der Untersuchung von Überresten von Fischen, die an einem Fundort in North Dakota entdeckt wurden. Die Vertreter aus der Familie der Störe lebten dort am Ende der Kreidezeit in einem Flussökosystem der nördlichen Hemisphäre. Wie die Forscher erklären, ging aus Befunden hervor, dass es sich bei den Fossilien um Opfer der unmittelbaren Folgen des Asteroideneinschlags gehandelt hat: Im Sediment und sogar in den Kiemenbereichen der Fische fanden sie kleine Glaskügelchen. Dabei handelt es sich um Gebilde, die aus dem geschmolzenen Material entstanden sind, die der Einschlag hoch in die Atmosphäre befördert hat. Sie regneten anschließen in einem weiten Bereich vom Himmel – so auch auf den Fluss im heutigen North Dakota.

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Etwa zeitgleich verschlangen dann wohl gewaltige Wellen, die durch die Erschütterung der Erdkruste verursacht wurden, die Heimat der Fische und begrub sie unter Sedimenten. Die Forscher gehen davon aus, dass sie nur etwa eine Stunde nach dem Einschlag gestorben sind. „Damit zeichnete sich ab, dass in ihren Knochen wertvolle Informationen über den Zeitpunkt des Einschlags stecken könnten“, sagt During. Um deren Feinstrukturen zu untersuchen, fertigten die Wissenschaftler Dünnschnitte an, die anschließend durch hochauflösende Synchrotron-Röntgentomographie untersucht wurden.

Inferno im Frühjahr

„Durch unsere Analysen konnten wir zeigen, dass die Knochen Spuren des jährlichen Wachstums aufweisen – ähnlich wie bei Bäumen: Es hat sich jedes Jahr eine neue Schicht auf der Außenseite des Knochens gebildet“, erklärt Co-Autorin Sophie Sanchez von der Universität Uppsala. Die detaillierten Aufnahmen zeigten dabei auch Spuren der Knochenzellen, von deren Merkmalen bekannt ist, dass sie mit den Jahreszeiten schwanken. „Bei allen untersuchten Fischen lassen sich Veränderungen der Knochenzelldichte und -volumen im Verlauf von mehreren Jahren verfolgen. Sie zeigen damit an, ob es Frühling, Sommer, Herbst oder Winter war“, sagt Co-Autor Dennis Voeten von der Universität Uppsala. Der Blick auf den letzten Entwicklungsstand beim Tod der Fische offenbarte dabei: „Es gab eine Zunahme bei der Zelldichte und beim Volumen, die aber noch nicht ihren Höchststand erreicht hatte. Das bedeutet, dass das Wachstum im Frühjahr abrupt endete“, sagt Voeten.

Eine zweite Nachweismethode bestätigte dieses Ergebnis: Das Team führte eine Kohlenstoffisotopenanalyse an den Knochenschichten durch, um dem saisonalen Ernährungsmuster der Fische auf die Spur zu kommen. Wie sie erklären, erreichte die Futtermenge im Sommer normalerweise ihren Höhepunkt. Dieser vorübergehende Anstieg der Nahrungsversorgung reicherte die Knochen der Fische dabei mit mehr des 13C-Kohlenstoffisotops im Vergleich zum leichteren 12C-Kohlenstoffisotop an. „Das Kohlenstoff-Isotopensignal im Wachstumsverlauf des untersuchten Fisches bestätigte dabei, dass die Futtermenge noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Der Tod kam also im Frühjahr“, resümiert During.

Wie sie und ihre Kollegen erklären, kann diese Information Paläontologen nun wichtige Hinweise bei der Erforschung des Massenaussterbens liefern. Denn aus dem Ergebnis geht hervor, dass sich die Reproduktionszyklen der Tiere und Pflanzen auf der Nordhalbkugel gerade in der relativ empfindlichen Entfaltungsphase des Frühlings befanden. In der südlichen Hemisphäre herrschte hingegen Herbst, und viele Organismen bereiteten sich wahrscheinlich gerade auf den Winter vor. Somit könnten sie besser vorbereitet gewesen sein: Wo sich die Lebewesen ohnehin auf harschere Bedingungen einstellten oder sogar in Erdlöcher verkrochen, gab es bessere Überlebenschancen in der Katastrophenzeit. „Unsere Ergebnisse könnten nun dazu beitragen, herauszufinden, warum die Dinosaurier ausstarben, während Vögel und frühe Säugetiere dem Aussterben entgehen konnten“, sagt During abschließend.

Quelle: Uppsala University, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04446-1

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